Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.ständiger Unkenntnis der Ergebnisse der irrenärztlichen Arbeit beruht. Der Bericht Der Berichterstatter meint, man solle den Versuch machen, erfahrne Laien Weiter auf den Aufsatz der Kreuzzeitung einzugehn, ist nicht nötig. Nur das Georg Jlberg Donner und Droysen. Der Zufall fügt es, daß unmittelbar ans den ständiger Unkenntnis der Ergebnisse der irrenärztlichen Arbeit beruht. Der Bericht Der Berichterstatter meint, man solle den Versuch machen, erfahrne Laien Weiter auf den Aufsatz der Kreuzzeitung einzugehn, ist nicht nötig. Nur das Georg Jlberg Donner und Droysen. Der Zufall fügt es, daß unmittelbar ans den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0243" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215333"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_851" prev="#ID_850"> ständiger Unkenntnis der Ergebnisse der irrenärztlichen Arbeit beruht. Der Bericht<lb/> ist geeignet, das Gefühl der Rechtsunsicherheit hervorzurufen. Dies Gefühl ist<lb/> ganz unbegründet. Es herrscht keine Willkür bei der Entscheidung der Frage, ob<lb/> jemand als des Vernunftgebranchs beraubt zu erachten sei oder nicht. Der Be¬<lb/> richterstatter der Kreuzzeitung bemängelt und bespöttelt, daß die Irrenärzte bis¬<lb/> weilen sehr ausführliche Gutachten abgeben. Er kaun versichert sein, daß das<lb/> wahrhaftig nicht zum Vergnügen geschieht, sondern nur deshalb, um dem die Ent¬<lb/> scheidung treffende» Juristen gewissenhaft zu berichten, auf welche Voraussetzungen<lb/> und Thatsachen das Gutachten gegründet ist. Es ist auch bekannt, daß viele Richter<lb/> das dankbar empfinden. Daß der Berichterstatter der Kreuzzeitung mit den Ver¬<lb/> hältnissen durchaus uicht vertraut ist, geht n. a. auch daraus hervor, daß er „die<lb/> Abhörung des angeblich Kranken" durch den Arzt „als uicht in den Bereich seiner<lb/> Aufgaben" gehörig tadelt. Wenn man das Untersnchnngsobjekt nicht prüfen darf,<lb/> so kann man seine Nnfgabe überhaupt nicht erfüllen. Jeder Unbefangne muß ein¬<lb/> sehn, daß bei der geschilderten Untersnchnngsmethode der eingehende persönliche<lb/> Verkehr mit dem Kranken die Hauptsache ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_852"> Der Berichterstatter meint, man solle den Versuch machen, erfahrne Laien<lb/> oder doch wenigstens Psychologen zur Begutachtung mit heranziehen. Dem ist zu<lb/> entgegnen, daß der beste Sachverständige ohne Zweifel derjenige theoretisch Ge¬<lb/> bildete ist, der in unmittelbarsten Verkehr mit Geisteskranken steht. Der Jrren¬<lb/> arzt versteht den Kranken, er weiß mit ihm umzugehn, er behandelt ihn in allen<lb/> Zuständen seines Leidens; da wird er wohl mich am besten wissen, ob er über¬<lb/> haupt krank ist, und ums ihm fehlt.</p><lb/> <p xml:id="ID_853"> Weiter auf den Aufsatz der Kreuzzeitung einzugehn, ist nicht nötig. Nur das<lb/> soll noch bemerkt werden, daß in Fachkreisen von dem angeblichen „nachspüren" nach<lb/> einer neuen Krankheit, dem „Erfindermahnsinn." nichts bekannt ist; wahrscheinlich<lb/> but sich der Berichterstatter durch eiuen Aprilscherz irreleiten lassen. Die Lehre<lb/> von den Monomanien ist längst aufgegeben. Auf ein Symptom hin wird nie¬<lb/> mand für geisteskrank erklärt. Das Gutachten, das der Sachverständige vor Ge¬<lb/> richt im Entmündignngsverfahren oder bei der Frage der Zurechnungsfähigkeit zu<lb/> erstatten hat, hat ausschließlich festzustellen, ob der betreffende Fall genau in eines<lb/> der klinisch bekannten Krankheitsbilder gehört oder nicht. Nur im erstern Falle<lb/> sind für den Richter die Voraussetzungen der Zivilprozeßordnung und des Reichs-<lb/> strafgesetzbnchs gegeben.</p><lb/> <note type="byline"> Georg Jlberg</note><lb/> </div> <div n="2"> <head> Donner und Droysen.</head> <p xml:id="ID_854" next="#ID_855"> Der Zufall fügt es, daß unmittelbar ans den<lb/> Aufsatz im 28. Hefte dieser Blätter: „Was wird aus dem Griechischen?", worin<lb/> lebhaft dafür gesprochen wird, um unsern Gymnasien in Zuk'unse die griechischen<lb/> Schriftsteller in guten deutschen Übersetzungen zu lesen, eine Reihe von Aufsätzen<lb/> folgt, in deuen uus eine große Anzahl von Proben ans den „besten" deutschen Über¬<lb/> setzungen der griechischen Tragiker vorgeführt wird. Den meisten Lesern wird es<lb/> onbei gegangen sein wie uns: sie werden überrascht gewesen sein von der Unvoll-<lb/> tmuinenheit dieser Übersetzuiigsprobe». Aus unsrer Gymnasiastenzeit schleppen wir<lb/> ane das Märchen mit uns herum von den „wahrhaft klassischen" Übersetzungen<lb/> ^er griechischen Tragiker, die wir Donner und Droysen verdanken. Niemand von<lb/> w"V > der Zwischenzeit einen Blick in diese Übersetzungen gethan. Nun<lb/> ""^ wieder einmal vor Augen geführt, und wir trauen unsern<lb/> ^"gen kaum: das sind Stellen ans den berühmten Donnerschen und Droysenschen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0243]
ständiger Unkenntnis der Ergebnisse der irrenärztlichen Arbeit beruht. Der Bericht
ist geeignet, das Gefühl der Rechtsunsicherheit hervorzurufen. Dies Gefühl ist
ganz unbegründet. Es herrscht keine Willkür bei der Entscheidung der Frage, ob
jemand als des Vernunftgebranchs beraubt zu erachten sei oder nicht. Der Be¬
richterstatter der Kreuzzeitung bemängelt und bespöttelt, daß die Irrenärzte bis¬
weilen sehr ausführliche Gutachten abgeben. Er kaun versichert sein, daß das
wahrhaftig nicht zum Vergnügen geschieht, sondern nur deshalb, um dem die Ent¬
scheidung treffende» Juristen gewissenhaft zu berichten, auf welche Voraussetzungen
und Thatsachen das Gutachten gegründet ist. Es ist auch bekannt, daß viele Richter
das dankbar empfinden. Daß der Berichterstatter der Kreuzzeitung mit den Ver¬
hältnissen durchaus uicht vertraut ist, geht n. a. auch daraus hervor, daß er „die
Abhörung des angeblich Kranken" durch den Arzt „als uicht in den Bereich seiner
Aufgaben" gehörig tadelt. Wenn man das Untersnchnngsobjekt nicht prüfen darf,
so kann man seine Nnfgabe überhaupt nicht erfüllen. Jeder Unbefangne muß ein¬
sehn, daß bei der geschilderten Untersnchnngsmethode der eingehende persönliche
Verkehr mit dem Kranken die Hauptsache ist.
Der Berichterstatter meint, man solle den Versuch machen, erfahrne Laien
oder doch wenigstens Psychologen zur Begutachtung mit heranziehen. Dem ist zu
entgegnen, daß der beste Sachverständige ohne Zweifel derjenige theoretisch Ge¬
bildete ist, der in unmittelbarsten Verkehr mit Geisteskranken steht. Der Jrren¬
arzt versteht den Kranken, er weiß mit ihm umzugehn, er behandelt ihn in allen
Zuständen seines Leidens; da wird er wohl mich am besten wissen, ob er über¬
haupt krank ist, und ums ihm fehlt.
Weiter auf den Aufsatz der Kreuzzeitung einzugehn, ist nicht nötig. Nur das
soll noch bemerkt werden, daß in Fachkreisen von dem angeblichen „nachspüren" nach
einer neuen Krankheit, dem „Erfindermahnsinn." nichts bekannt ist; wahrscheinlich
but sich der Berichterstatter durch eiuen Aprilscherz irreleiten lassen. Die Lehre
von den Monomanien ist längst aufgegeben. Auf ein Symptom hin wird nie¬
mand für geisteskrank erklärt. Das Gutachten, das der Sachverständige vor Ge¬
richt im Entmündignngsverfahren oder bei der Frage der Zurechnungsfähigkeit zu
erstatten hat, hat ausschließlich festzustellen, ob der betreffende Fall genau in eines
der klinisch bekannten Krankheitsbilder gehört oder nicht. Nur im erstern Falle
sind für den Richter die Voraussetzungen der Zivilprozeßordnung und des Reichs-
strafgesetzbnchs gegeben.
Georg Jlberg
Donner und Droysen. Der Zufall fügt es, daß unmittelbar ans den
Aufsatz im 28. Hefte dieser Blätter: „Was wird aus dem Griechischen?", worin
lebhaft dafür gesprochen wird, um unsern Gymnasien in Zuk'unse die griechischen
Schriftsteller in guten deutschen Übersetzungen zu lesen, eine Reihe von Aufsätzen
folgt, in deuen uus eine große Anzahl von Proben ans den „besten" deutschen Über¬
setzungen der griechischen Tragiker vorgeführt wird. Den meisten Lesern wird es
onbei gegangen sein wie uns: sie werden überrascht gewesen sein von der Unvoll-
tmuinenheit dieser Übersetzuiigsprobe». Aus unsrer Gymnasiastenzeit schleppen wir
ane das Märchen mit uns herum von den „wahrhaft klassischen" Übersetzungen
^er griechischen Tragiker, die wir Donner und Droysen verdanken. Niemand von
w"V > der Zwischenzeit einen Blick in diese Übersetzungen gethan. Nun
""^ wieder einmal vor Augen geführt, und wir trauen unsern
^"gen kaum: das sind Stellen ans den berühmten Donnerschen und Droysenschen
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