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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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die 8MÄi'w<zö8, alles ist ausgesöhnt und sieht in ihm Den großen siuÄrwmn,
den Meister der Situation! Wenn Sie noch einige Zeit hier bleiben, so werden
Sie es erleben, daß ich Recht habe.

Dann thäte mir Doktor Brand leid, sagte ich halb ungläubig, als wir
hinauf in deu Eßsaal gingen und ich mich zu deu Meinen an den Tisch setzte.

Der gefällige Wirt, dessen Leitung wir uns auf Karls Rat in der Aus¬
wahl der Speisen ganz überließen, befahl dem Neger gerade eine Wieder¬
holung der beliebten Hummermayonnaise mit Spargel an unserm Tische er¬
scheinen zu lassen, als wir aus dem Nebengemach laute Stimmen einiger
Deutschen vernahmen, die im Begriff waren, ihre Tafel aufzuheben; man hörte
Stühle rücken und Gläser klirren und unter anderm die Worte: Haben und
Können ist heute Trumpf. Wissen und Kennen ist Ballast. Ich schätze den
Menschen nur nach seinen: reellen Werte. Geld p1u8 Geist ist für mich der
Bruttowert. Geld ist netto. Geist allein ohne Geld ist Tara. Pastor
Fischer soll leben, er übertrumpft noch alle! Ich gewinne nun doch die Kiste
Champagner! Pastor Fischer hoch! Die Gläser klangen lant an einander, und
etwas schweren Schrittes bewegten sich die Herren nach dem Ausgange, wo
ein eleganter Wagen mit ein paar leichten, nett angeschirrten Zuckern die
Sportsleute erwartete.

Das war der reiche Tiedemann, aus dem großen Droguengcschäft, der
die Wette gemacht hat, sagte der Wirt, als wir den Abfahrenden nachsähen.

Und trotz alles Luxus können sie sich doch nicht die Vornehmheit geben,
die allein der Geist verleiht, lispelte mir meine Frau über deu Tisch zu, indem
sie den selbst im Wagen noch schwankenden Herren mit mitleidigen Blicken
nachsah, und ich mußte ihr beistimmen.

Der Mittagstisch war zu Ende, und wir überlegten: was thun am Sonn¬
tagnachmittag? Gewöhnlich ging eS im Sommer hinaus nach einem der öffent¬
lichen Parks, großartigen Vcrgnügungsanlagen mit Wäldern, Felspartien und
künstlichen Seen, ans denen kleine Dampfer kreuzten. Dn gab es Konzert, und
dazu trank man Limonade. Ls-orsä NuÄo besagten die bedruckten Programme,
denn nur solche war Sonntags erlaubt, mich deu Begriffen der Nordameri¬
kaner von Wohlanstündigkeit. Nur gut, daß man ihnen vormachen konnte,
Strauß und Offenbnch seien ebenso gut wie Bach und Händel Komponisten
Kor NusivÄ sa<M. Oder man besuchte in dem im Blütenschmuck prangenden
Westport Freund von Unwerth, den deutschen Architekten, der eine lieblich
am Waldessaume gelegne Villa bewohnte, und trank dort oder schrägüber
beim pfälzischen Weinbauer Eßlinger im Weingarten seine Bowle Maitrank.
Hinaus mußte man. Hitze, Heuschrecken und Moskitos trieben an den
Nachmittagen und Abenden die meisten von Hanse fort, so lieblich auch der
Platz auf der Veranda in der Morgenfrische war. War man aus irgend einem
Grunde genötigt, den Rest des Tages zu Hause zu bleiben, so mußte man


die 8MÄi'w<zö8, alles ist ausgesöhnt und sieht in ihm Den großen siuÄrwmn,
den Meister der Situation! Wenn Sie noch einige Zeit hier bleiben, so werden
Sie es erleben, daß ich Recht habe.

Dann thäte mir Doktor Brand leid, sagte ich halb ungläubig, als wir
hinauf in deu Eßsaal gingen und ich mich zu deu Meinen an den Tisch setzte.

Der gefällige Wirt, dessen Leitung wir uns auf Karls Rat in der Aus¬
wahl der Speisen ganz überließen, befahl dem Neger gerade eine Wieder¬
holung der beliebten Hummermayonnaise mit Spargel an unserm Tische er¬
scheinen zu lassen, als wir aus dem Nebengemach laute Stimmen einiger
Deutschen vernahmen, die im Begriff waren, ihre Tafel aufzuheben; man hörte
Stühle rücken und Gläser klirren und unter anderm die Worte: Haben und
Können ist heute Trumpf. Wissen und Kennen ist Ballast. Ich schätze den
Menschen nur nach seinen: reellen Werte. Geld p1u8 Geist ist für mich der
Bruttowert. Geld ist netto. Geist allein ohne Geld ist Tara. Pastor
Fischer soll leben, er übertrumpft noch alle! Ich gewinne nun doch die Kiste
Champagner! Pastor Fischer hoch! Die Gläser klangen lant an einander, und
etwas schweren Schrittes bewegten sich die Herren nach dem Ausgange, wo
ein eleganter Wagen mit ein paar leichten, nett angeschirrten Zuckern die
Sportsleute erwartete.

Das war der reiche Tiedemann, aus dem großen Droguengcschäft, der
die Wette gemacht hat, sagte der Wirt, als wir den Abfahrenden nachsähen.

Und trotz alles Luxus können sie sich doch nicht die Vornehmheit geben,
die allein der Geist verleiht, lispelte mir meine Frau über deu Tisch zu, indem
sie den selbst im Wagen noch schwankenden Herren mit mitleidigen Blicken
nachsah, und ich mußte ihr beistimmen.

Der Mittagstisch war zu Ende, und wir überlegten: was thun am Sonn¬
tagnachmittag? Gewöhnlich ging eS im Sommer hinaus nach einem der öffent¬
lichen Parks, großartigen Vcrgnügungsanlagen mit Wäldern, Felspartien und
künstlichen Seen, ans denen kleine Dampfer kreuzten. Dn gab es Konzert, und
dazu trank man Limonade. Ls-orsä NuÄo besagten die bedruckten Programme,
denn nur solche war Sonntags erlaubt, mich deu Begriffen der Nordameri¬
kaner von Wohlanstündigkeit. Nur gut, daß man ihnen vormachen konnte,
Strauß und Offenbnch seien ebenso gut wie Bach und Händel Komponisten
Kor NusivÄ sa<M. Oder man besuchte in dem im Blütenschmuck prangenden
Westport Freund von Unwerth, den deutschen Architekten, der eine lieblich
am Waldessaume gelegne Villa bewohnte, und trank dort oder schrägüber
beim pfälzischen Weinbauer Eßlinger im Weingarten seine Bowle Maitrank.
Hinaus mußte man. Hitze, Heuschrecken und Moskitos trieben an den
Nachmittagen und Abenden die meisten von Hanse fort, so lieblich auch der
Platz auf der Veranda in der Morgenfrische war. War man aus irgend einem
Grunde genötigt, den Rest des Tages zu Hause zu bleiben, so mußte man


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/239>, abgerufen am 28.07.2024.