Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Bilder aus dem Westen

Denn wie prächtig stand jetzt durch seine Hilfe der stattliche Kochherd da
aus Eisen, Nickel und Kupfer mit Achat- und Ouyxeinlagen und strahlendem
Kessel mit Selbstregulirung. Da war für alles gesorgt, für Röstgabeln, ver¬
nickelte Zangen, selbst für eine Vorrichtung, bei der sich durch einen Tritt
mit dein Fuße die Bratofenthür öffnete und der Braten sich selbst heraus¬
schob, was sehr zweckmäßig war, wenn die Frau am Herde gerade die Hände
voll hatte. Vom Kochherde strömte heißes Wasser in die Leitungsröhren des
obern Stockwerks in das Wahns- und Badezimmer. Kurz, dieses Prachtstück
war der Stolz des Hauses.

Die Zeit bis zum Einzug ins neue Haus war mühselig genug gewesen.
Wie viele Fahrstuhlreisen auf und ab durch die Möbelgeschäfte und Teppich-
fabriken, und wie viele Bahnfahrten durch die Geschäftsstraßen hatten dazu
gehört, um hier, wo es immer heißt: Hilf dir selbst! zum Ziele zu kommen.
Wie dann alles fertig war. die Vorhänge aufgesteckt, die Teppiche gelegt, die
Möbel gestellt, saßen wir anfangs in den ersten kühlen Apriltagen, wie es die
Aankees machen, meist hinten in der Küche, staunten Meister Vögeleins Werk
an und wunderten uns über uns selbst, daß wir, des klugen Meisters.Rat
befolgend, uns so schnell daran gewöhnt hatten, auch ohne Bedienung fertig
zu werden, selber die Milchkanne, die neue Zeitung und den Gemüsckorb vom
Vorplatz hereinzuholen. Ja man gewöhnte sich sogar daran, selber die Kohlen
aus dein Keller zu holen und Feuer anzumachen. Es war das besser als
der stete Ärger mit den dummen und bigotten irländischen Mädchen, die.
wenn es ihnen beliebte, nach drei Tagen mit Marktgeld und Marktkorb aus¬
gingen und nicht wiederkamen, oder mit den impertinenten Negerinnen, die
verlangten, Punkt sechs Uhr müsse der Herr zum Essen zu Hause sein, oder
er könne auswärts essen. Es war alles so härtlich eingerichtet, daß die
Sache leichter ging, als wir anfangs gedacht hatten. Freilich einen freien
Augenblick hatten wir selten. Nur am Sonntag, wo man zur Schonung der
Hausfrau irgendwo im Hotel zu Mittag zu essen Pflegte, konnte man ein paar
Vormittagsstunden dem süßen Nichtsthun widmen. Und dieses Nichtsthun
ließen wir uns um dem herrlichen Sommersonntag auf der Veranda wohl¬
schmecken nach so manchen mühevollen, geschäftigen Wochen.

Die Straße war heute ganz still. Kein rasselnder Geschäftswagen, kein
Ausrufer störte die Sonntagsruhe. Nur dann und wann unterbrachen die
auf den hohlliegenden Holzwegen polternden Schritte der Kirchengänger die
Stille. Dort in jene Brctterkirche strömten braune Mulattinnen, in Violett
und Himmelblau, die Komplementärfarben ihrer Hautfarbe, gekleidet. Manche
trugen einen violetten Rock, ein grünes Mieder und einen himmelblauen Hut,
womöglich mit einer knallroten Feder drauf. Oder es zog eine Familie mit
Sack und Pack und Kinderwagen zum Picknickplatz oder zum Oamx-Nesting'
Humus. Waren es Neger, so sah man das Familienoberhaupt im Gegensatz


Bilder aus dem Westen

Denn wie prächtig stand jetzt durch seine Hilfe der stattliche Kochherd da
aus Eisen, Nickel und Kupfer mit Achat- und Ouyxeinlagen und strahlendem
Kessel mit Selbstregulirung. Da war für alles gesorgt, für Röstgabeln, ver¬
nickelte Zangen, selbst für eine Vorrichtung, bei der sich durch einen Tritt
mit dein Fuße die Bratofenthür öffnete und der Braten sich selbst heraus¬
schob, was sehr zweckmäßig war, wenn die Frau am Herde gerade die Hände
voll hatte. Vom Kochherde strömte heißes Wasser in die Leitungsröhren des
obern Stockwerks in das Wahns- und Badezimmer. Kurz, dieses Prachtstück
war der Stolz des Hauses.

Die Zeit bis zum Einzug ins neue Haus war mühselig genug gewesen.
Wie viele Fahrstuhlreisen auf und ab durch die Möbelgeschäfte und Teppich-
fabriken, und wie viele Bahnfahrten durch die Geschäftsstraßen hatten dazu
gehört, um hier, wo es immer heißt: Hilf dir selbst! zum Ziele zu kommen.
Wie dann alles fertig war. die Vorhänge aufgesteckt, die Teppiche gelegt, die
Möbel gestellt, saßen wir anfangs in den ersten kühlen Apriltagen, wie es die
Aankees machen, meist hinten in der Küche, staunten Meister Vögeleins Werk
an und wunderten uns über uns selbst, daß wir, des klugen Meisters.Rat
befolgend, uns so schnell daran gewöhnt hatten, auch ohne Bedienung fertig
zu werden, selber die Milchkanne, die neue Zeitung und den Gemüsckorb vom
Vorplatz hereinzuholen. Ja man gewöhnte sich sogar daran, selber die Kohlen
aus dein Keller zu holen und Feuer anzumachen. Es war das besser als
der stete Ärger mit den dummen und bigotten irländischen Mädchen, die.
wenn es ihnen beliebte, nach drei Tagen mit Marktgeld und Marktkorb aus¬
gingen und nicht wiederkamen, oder mit den impertinenten Negerinnen, die
verlangten, Punkt sechs Uhr müsse der Herr zum Essen zu Hause sein, oder
er könne auswärts essen. Es war alles so härtlich eingerichtet, daß die
Sache leichter ging, als wir anfangs gedacht hatten. Freilich einen freien
Augenblick hatten wir selten. Nur am Sonntag, wo man zur Schonung der
Hausfrau irgendwo im Hotel zu Mittag zu essen Pflegte, konnte man ein paar
Vormittagsstunden dem süßen Nichtsthun widmen. Und dieses Nichtsthun
ließen wir uns um dem herrlichen Sommersonntag auf der Veranda wohl¬
schmecken nach so manchen mühevollen, geschäftigen Wochen.

Die Straße war heute ganz still. Kein rasselnder Geschäftswagen, kein
Ausrufer störte die Sonntagsruhe. Nur dann und wann unterbrachen die
auf den hohlliegenden Holzwegen polternden Schritte der Kirchengänger die
Stille. Dort in jene Brctterkirche strömten braune Mulattinnen, in Violett
und Himmelblau, die Komplementärfarben ihrer Hautfarbe, gekleidet. Manche
trugen einen violetten Rock, ein grünes Mieder und einen himmelblauen Hut,
womöglich mit einer knallroten Feder drauf. Oder es zog eine Familie mit
Sack und Pack und Kinderwagen zum Picknickplatz oder zum Oamx-Nesting'
Humus. Waren es Neger, so sah man das Familienoberhaupt im Gegensatz


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0234" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215324"/>
          <fw type="header" place="top"> Bilder aus dem Westen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_796"> Denn wie prächtig stand jetzt durch seine Hilfe der stattliche Kochherd da<lb/>
aus Eisen, Nickel und Kupfer mit Achat- und Ouyxeinlagen und strahlendem<lb/>
Kessel mit Selbstregulirung. Da war für alles gesorgt, für Röstgabeln, ver¬<lb/>
nickelte Zangen, selbst für eine Vorrichtung, bei der sich durch einen Tritt<lb/>
mit dein Fuße die Bratofenthür öffnete und der Braten sich selbst heraus¬<lb/>
schob, was sehr zweckmäßig war, wenn die Frau am Herde gerade die Hände<lb/>
voll hatte. Vom Kochherde strömte heißes Wasser in die Leitungsröhren des<lb/>
obern Stockwerks in das Wahns- und Badezimmer. Kurz, dieses Prachtstück<lb/>
war der Stolz des Hauses.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_797"> Die Zeit bis zum Einzug ins neue Haus war mühselig genug gewesen.<lb/>
Wie viele Fahrstuhlreisen auf und ab durch die Möbelgeschäfte und Teppich-<lb/>
fabriken, und wie viele Bahnfahrten durch die Geschäftsstraßen hatten dazu<lb/>
gehört, um hier, wo es immer heißt: Hilf dir selbst! zum Ziele zu kommen.<lb/>
Wie dann alles fertig war. die Vorhänge aufgesteckt, die Teppiche gelegt, die<lb/>
Möbel gestellt, saßen wir anfangs in den ersten kühlen Apriltagen, wie es die<lb/>
Aankees machen, meist hinten in der Küche, staunten Meister Vögeleins Werk<lb/>
an und wunderten uns über uns selbst, daß wir, des klugen Meisters.Rat<lb/>
befolgend, uns so schnell daran gewöhnt hatten, auch ohne Bedienung fertig<lb/>
zu werden, selber die Milchkanne, die neue Zeitung und den Gemüsckorb vom<lb/>
Vorplatz hereinzuholen. Ja man gewöhnte sich sogar daran, selber die Kohlen<lb/>
aus dein Keller zu holen und Feuer anzumachen. Es war das besser als<lb/>
der stete Ärger mit den dummen und bigotten irländischen Mädchen, die.<lb/>
wenn es ihnen beliebte, nach drei Tagen mit Marktgeld und Marktkorb aus¬<lb/>
gingen und nicht wiederkamen, oder mit den impertinenten Negerinnen, die<lb/>
verlangten, Punkt sechs Uhr müsse der Herr zum Essen zu Hause sein, oder<lb/>
er könne auswärts essen. Es war alles so härtlich eingerichtet, daß die<lb/>
Sache leichter ging, als wir anfangs gedacht hatten. Freilich einen freien<lb/>
Augenblick hatten wir selten. Nur am Sonntag, wo man zur Schonung der<lb/>
Hausfrau irgendwo im Hotel zu Mittag zu essen Pflegte, konnte man ein paar<lb/>
Vormittagsstunden dem süßen Nichtsthun widmen. Und dieses Nichtsthun<lb/>
ließen wir uns um dem herrlichen Sommersonntag auf der Veranda wohl¬<lb/>
schmecken nach so manchen mühevollen, geschäftigen Wochen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_798" next="#ID_799"> Die Straße war heute ganz still. Kein rasselnder Geschäftswagen, kein<lb/>
Ausrufer störte die Sonntagsruhe. Nur dann und wann unterbrachen die<lb/>
auf den hohlliegenden Holzwegen polternden Schritte der Kirchengänger die<lb/>
Stille. Dort in jene Brctterkirche strömten braune Mulattinnen, in Violett<lb/>
und Himmelblau, die Komplementärfarben ihrer Hautfarbe, gekleidet. Manche<lb/>
trugen einen violetten Rock, ein grünes Mieder und einen himmelblauen Hut,<lb/>
womöglich mit einer knallroten Feder drauf. Oder es zog eine Familie mit<lb/>
Sack und Pack und Kinderwagen zum Picknickplatz oder zum Oamx-Nesting'<lb/>
Humus.  Waren es Neger, so sah man das Familienoberhaupt im Gegensatz</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0234] Bilder aus dem Westen Denn wie prächtig stand jetzt durch seine Hilfe der stattliche Kochherd da aus Eisen, Nickel und Kupfer mit Achat- und Ouyxeinlagen und strahlendem Kessel mit Selbstregulirung. Da war für alles gesorgt, für Röstgabeln, ver¬ nickelte Zangen, selbst für eine Vorrichtung, bei der sich durch einen Tritt mit dein Fuße die Bratofenthür öffnete und der Braten sich selbst heraus¬ schob, was sehr zweckmäßig war, wenn die Frau am Herde gerade die Hände voll hatte. Vom Kochherde strömte heißes Wasser in die Leitungsröhren des obern Stockwerks in das Wahns- und Badezimmer. Kurz, dieses Prachtstück war der Stolz des Hauses. Die Zeit bis zum Einzug ins neue Haus war mühselig genug gewesen. Wie viele Fahrstuhlreisen auf und ab durch die Möbelgeschäfte und Teppich- fabriken, und wie viele Bahnfahrten durch die Geschäftsstraßen hatten dazu gehört, um hier, wo es immer heißt: Hilf dir selbst! zum Ziele zu kommen. Wie dann alles fertig war. die Vorhänge aufgesteckt, die Teppiche gelegt, die Möbel gestellt, saßen wir anfangs in den ersten kühlen Apriltagen, wie es die Aankees machen, meist hinten in der Küche, staunten Meister Vögeleins Werk an und wunderten uns über uns selbst, daß wir, des klugen Meisters.Rat befolgend, uns so schnell daran gewöhnt hatten, auch ohne Bedienung fertig zu werden, selber die Milchkanne, die neue Zeitung und den Gemüsckorb vom Vorplatz hereinzuholen. Ja man gewöhnte sich sogar daran, selber die Kohlen aus dein Keller zu holen und Feuer anzumachen. Es war das besser als der stete Ärger mit den dummen und bigotten irländischen Mädchen, die. wenn es ihnen beliebte, nach drei Tagen mit Marktgeld und Marktkorb aus¬ gingen und nicht wiederkamen, oder mit den impertinenten Negerinnen, die verlangten, Punkt sechs Uhr müsse der Herr zum Essen zu Hause sein, oder er könne auswärts essen. Es war alles so härtlich eingerichtet, daß die Sache leichter ging, als wir anfangs gedacht hatten. Freilich einen freien Augenblick hatten wir selten. Nur am Sonntag, wo man zur Schonung der Hausfrau irgendwo im Hotel zu Mittag zu essen Pflegte, konnte man ein paar Vormittagsstunden dem süßen Nichtsthun widmen. Und dieses Nichtsthun ließen wir uns um dem herrlichen Sommersonntag auf der Veranda wohl¬ schmecken nach so manchen mühevollen, geschäftigen Wochen. Die Straße war heute ganz still. Kein rasselnder Geschäftswagen, kein Ausrufer störte die Sonntagsruhe. Nur dann und wann unterbrachen die auf den hohlliegenden Holzwegen polternden Schritte der Kirchengänger die Stille. Dort in jene Brctterkirche strömten braune Mulattinnen, in Violett und Himmelblau, die Komplementärfarben ihrer Hautfarbe, gekleidet. Manche trugen einen violetten Rock, ein grünes Mieder und einen himmelblauen Hut, womöglich mit einer knallroten Feder drauf. Oder es zog eine Familie mit Sack und Pack und Kinderwagen zum Picknickplatz oder zum Oamx-Nesting' Humus. Waren es Neger, so sah man das Familienoberhaupt im Gegensatz

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/234
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/234>, abgerufen am 23.11.2024.