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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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fruchte auf der einen Seite, und die ungenügende Besteuerung der Grund- und
Bodenwerte auf der ander" Seite, sie sind die wirkliche Ursache der ungerechten
Verteilung des Wohlstandes. In wenigen Händen sammeln sich heutzutage
so fabelhafte Vermögen an, wie sie die Welt nie zuvor gesehen hat, während
die Volksmassen verhältnismäßig immer mehr verarmen.

Unsre heutigen Steuern und Zolle fallen natürlicherweise viel schwerer
auf die Armen nud die gewöhnlichen Arbeiterklassen, als auf die Reichen.
Denn sie erhöhen die Preise, sie machen ein größeres Kapital für alle Ge¬
werbe erforderlich und verschaffen somit den großen Kapitalbesitzern wesentliche
Vorteile. Werden doch manche Steuern und Zölle nur in der Absicht auf¬
erlegt, deu Großgrundbesitzern, den Großindustriellen, den Kartellen und Preis-
ringcn gesetzmäßige Vorteile zu sichern. Andrerseits ermöglicht die ungenügende
Besteuerung der Grundwerke einigen Menschen, durch Spekulativ" auf die
Steigerung der Boden- und Rohstoffpreise große Vermögen zu erwerben; Ver¬
mögen, die keine Vergrößerung des Gesamtwohlstaudes bilden, sondern ledig¬
lich die Aneignung einer Mvnopvlrente, eines Steuer- oder Tributrechts sind,
die es dem Besitzer gestatten, sich auf gesetzlichem Wege fremde Arbeitsfrüchte
anzueignen.

Die ungerechte Verteilung des Wohlstandes schafft nus einerseits eine
Klasse von arbeitslosen Drohnen und Verschwendern, die zu reich geworden,
und andrerseits eine Klasse von unfreiwilligen Arbeitslosen oder Halbbeschcif-
tigtcn, die ebenfalls Vergeuder von Zeit und Volkswohlstand werden, weil sie
zu arm und zu hilflos sind. Sie nimmt den Menschen mehr und mehr die
Möglichkeit, sich selbst zu beschäftigen, für sich selbst Kapital zu erarbeiten, auf
daß sie damit mehr und bessere Nahrungsmittel oder Güter für sich selbst
erzeugen könnten. Derlei Mißverhältnisse müssen den Gesamtwohlstand des
Volkes verringern.

4. Die heutige ungerechte Verteilung des Wohlstandes verhundertfacht
zwar die Millionäre, vertausendfacht aber auch die Notleidenden und Unglück¬
lichen, die Diebe und die Parasiten aller Art. Sie ist also die Ursache der
stetig anwachsenden Ausgaben für Polizei und Richter, für Gefängnisse und
Irrenhäuser -- der weitern Schädigungen der Gesellschaft gar nicht zu ge¬
denken. Sie steigert die Geldgier bis zur Vergötterung des Reichtums und
läßt einen erbitterten Kampf ums Dasein entbrennen, bei dem immer mehr
Menschen zu Verzweifelten nud Spielern werden und als Trunkenbolde, Irr¬
sinnige oder Selbstmörder endigen. In diesem Kampfe kommen die gemeinsten
und ehrlosesten Mittel zu immer allgemeinerer Anwendung, und Meuscheu,
deren Thatkraft der ehrlichen Produktion gewidmet sein sollte, werden durch
die Not gezwungen, ihre Zeit und ihren Witz mit kleinlichen Betrügereien und
gegenseitiger Wegschnappcrei des kargen Verdienstes zu vergeuden. Von den
moralischen Folgen gar nicht zu reden, bringen solche Zustünde Volkswirtschaft-


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fruchte auf der einen Seite, und die ungenügende Besteuerung der Grund- und
Bodenwerte auf der ander» Seite, sie sind die wirkliche Ursache der ungerechten
Verteilung des Wohlstandes. In wenigen Händen sammeln sich heutzutage
so fabelhafte Vermögen an, wie sie die Welt nie zuvor gesehen hat, während
die Volksmassen verhältnismäßig immer mehr verarmen.

Unsre heutigen Steuern und Zolle fallen natürlicherweise viel schwerer
auf die Armen nud die gewöhnlichen Arbeiterklassen, als auf die Reichen.
Denn sie erhöhen die Preise, sie machen ein größeres Kapital für alle Ge¬
werbe erforderlich und verschaffen somit den großen Kapitalbesitzern wesentliche
Vorteile. Werden doch manche Steuern und Zölle nur in der Absicht auf¬
erlegt, deu Großgrundbesitzern, den Großindustriellen, den Kartellen und Preis-
ringcn gesetzmäßige Vorteile zu sichern. Andrerseits ermöglicht die ungenügende
Besteuerung der Grundwerke einigen Menschen, durch Spekulativ» auf die
Steigerung der Boden- und Rohstoffpreise große Vermögen zu erwerben; Ver¬
mögen, die keine Vergrößerung des Gesamtwohlstaudes bilden, sondern ledig¬
lich die Aneignung einer Mvnopvlrente, eines Steuer- oder Tributrechts sind,
die es dem Besitzer gestatten, sich auf gesetzlichem Wege fremde Arbeitsfrüchte
anzueignen.

Die ungerechte Verteilung des Wohlstandes schafft nus einerseits eine
Klasse von arbeitslosen Drohnen und Verschwendern, die zu reich geworden,
und andrerseits eine Klasse von unfreiwilligen Arbeitslosen oder Halbbeschcif-
tigtcn, die ebenfalls Vergeuder von Zeit und Volkswohlstand werden, weil sie
zu arm und zu hilflos sind. Sie nimmt den Menschen mehr und mehr die
Möglichkeit, sich selbst zu beschäftigen, für sich selbst Kapital zu erarbeiten, auf
daß sie damit mehr und bessere Nahrungsmittel oder Güter für sich selbst
erzeugen könnten. Derlei Mißverhältnisse müssen den Gesamtwohlstand des
Volkes verringern.

4. Die heutige ungerechte Verteilung des Wohlstandes verhundertfacht
zwar die Millionäre, vertausendfacht aber auch die Notleidenden und Unglück¬
lichen, die Diebe und die Parasiten aller Art. Sie ist also die Ursache der
stetig anwachsenden Ausgaben für Polizei und Richter, für Gefängnisse und
Irrenhäuser — der weitern Schädigungen der Gesellschaft gar nicht zu ge¬
denken. Sie steigert die Geldgier bis zur Vergötterung des Reichtums und
läßt einen erbitterten Kampf ums Dasein entbrennen, bei dem immer mehr
Menschen zu Verzweifelten nud Spielern werden und als Trunkenbolde, Irr¬
sinnige oder Selbstmörder endigen. In diesem Kampfe kommen die gemeinsten
und ehrlosesten Mittel zu immer allgemeinerer Anwendung, und Meuscheu,
deren Thatkraft der ehrlichen Produktion gewidmet sein sollte, werden durch
die Not gezwungen, ihre Zeit und ihren Witz mit kleinlichen Betrügereien und
gegenseitiger Wegschnappcrei des kargen Verdienstes zu vergeuden. Von den
moralischen Folgen gar nicht zu reden, bringen solche Zustünde Volkswirtschaft-


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[0022] Line einzige SteuerI fruchte auf der einen Seite, und die ungenügende Besteuerung der Grund- und Bodenwerte auf der ander» Seite, sie sind die wirkliche Ursache der ungerechten Verteilung des Wohlstandes. In wenigen Händen sammeln sich heutzutage so fabelhafte Vermögen an, wie sie die Welt nie zuvor gesehen hat, während die Volksmassen verhältnismäßig immer mehr verarmen. Unsre heutigen Steuern und Zolle fallen natürlicherweise viel schwerer auf die Armen nud die gewöhnlichen Arbeiterklassen, als auf die Reichen. Denn sie erhöhen die Preise, sie machen ein größeres Kapital für alle Ge¬ werbe erforderlich und verschaffen somit den großen Kapitalbesitzern wesentliche Vorteile. Werden doch manche Steuern und Zölle nur in der Absicht auf¬ erlegt, deu Großgrundbesitzern, den Großindustriellen, den Kartellen und Preis- ringcn gesetzmäßige Vorteile zu sichern. Andrerseits ermöglicht die ungenügende Besteuerung der Grundwerke einigen Menschen, durch Spekulativ» auf die Steigerung der Boden- und Rohstoffpreise große Vermögen zu erwerben; Ver¬ mögen, die keine Vergrößerung des Gesamtwohlstaudes bilden, sondern ledig¬ lich die Aneignung einer Mvnopvlrente, eines Steuer- oder Tributrechts sind, die es dem Besitzer gestatten, sich auf gesetzlichem Wege fremde Arbeitsfrüchte anzueignen. Die ungerechte Verteilung des Wohlstandes schafft nus einerseits eine Klasse von arbeitslosen Drohnen und Verschwendern, die zu reich geworden, und andrerseits eine Klasse von unfreiwilligen Arbeitslosen oder Halbbeschcif- tigtcn, die ebenfalls Vergeuder von Zeit und Volkswohlstand werden, weil sie zu arm und zu hilflos sind. Sie nimmt den Menschen mehr und mehr die Möglichkeit, sich selbst zu beschäftigen, für sich selbst Kapital zu erarbeiten, auf daß sie damit mehr und bessere Nahrungsmittel oder Güter für sich selbst erzeugen könnten. Derlei Mißverhältnisse müssen den Gesamtwohlstand des Volkes verringern. 4. Die heutige ungerechte Verteilung des Wohlstandes verhundertfacht zwar die Millionäre, vertausendfacht aber auch die Notleidenden und Unglück¬ lichen, die Diebe und die Parasiten aller Art. Sie ist also die Ursache der stetig anwachsenden Ausgaben für Polizei und Richter, für Gefängnisse und Irrenhäuser — der weitern Schädigungen der Gesellschaft gar nicht zu ge¬ denken. Sie steigert die Geldgier bis zur Vergötterung des Reichtums und läßt einen erbitterten Kampf ums Dasein entbrennen, bei dem immer mehr Menschen zu Verzweifelten nud Spielern werden und als Trunkenbolde, Irr¬ sinnige oder Selbstmörder endigen. In diesem Kampfe kommen die gemeinsten und ehrlosesten Mittel zu immer allgemeinerer Anwendung, und Meuscheu, deren Thatkraft der ehrlichen Produktion gewidmet sein sollte, werden durch die Not gezwungen, ihre Zeit und ihren Witz mit kleinlichen Betrügereien und gegenseitiger Wegschnappcrei des kargen Verdienstes zu vergeuden. Von den moralischen Folgen gar nicht zu reden, bringen solche Zustünde Volkswirtschaft-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/22>, abgerufen am 24.11.2024.