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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Ernst Moritz Arndt und Johanna Motherby

Dich und Deine Freunde entehrte. .... Ich liebe Dich sehr, aber ich will
nichts als diese Liebe und ihre geistige Blüte, weil ich nichts andres wollen
darf." Und am 30. Dezember setzte er in Bezug auf Johannas Gatten hinzu:
"Ich habe Wilhelm auf seine Klagen wahr und treu geschrieben; ich hoffe,
der Liebe, Gute wird sich besinnen und bedenken, wie weit man besitzen darf.
Will ich ihm denn etwas nehmen? will ich ihn unglücklich machen? wahrlich
nicht ich. Der Brunnen der Liebe ist unendlich wie alle Schöpfung und strömt
reicher und heitrer zu, je mehr er abgiebt; jeder nehme bescheiden das Seine
und liebe das Seine so hoch, daß kein Zweiter und Dritter es ihm ent¬
wenden kann."

Motherbh dachte nicht daran, seiner Frau den Briefwechsel mit Arndt zu
untersagen, wie letzterer einen Augenblick lang gefürchtet hatte, Johanna war
es, die Arndts männlich ernste Fassung und Selbstüberwindung klagend und
zürnend aufnahm. Sie riß sich in Königsberg los und reiste im Frühling 1814
nach dem deutschen Westen zu einem längern Besuch bei ihrer Freundin Henriette
Barklciy, die seit dem Ende 1812 die Frau Max von Schenkendorfs war. In
Rödelheim, wo sie bei Arndts Freunden, dein Solmsschen Regierungsrat Hoff¬
mann und dessen schwedischer Gattin Aufnahme fand, sah sie Arndt wieder,
weitere Zusammenkünfte fanden in Frankfurt am Main und Heidelberg statt,
im August reiste Johanna Motherby nach Königsberg zurück. Diese Begeg¬
nungen und die Briefe, die jetzt zwischen beiden hin- und hergingen, entschieden
vollends über das Schicksal des phantastischen Traumes, in dem sich Arndt
gewiegt hatte und Johanna noch immer wiegte. Nicht kälter war er geworden:
"ich fühle ganz, wie unendlich lieb Du mich haft und wie Du so ganz in mir
lebst und bist, wie nie ein andrer Mensch gewesen ist, noch sein wird. Desto
grauenvoller aber und weher ist mir der Gedanke: dieses holde Wesen kannst
du doch nicht beglücken, wie du solltest, noch erfüllen mit jenem Sonnenschein
voll Lust und Genüge, der ans der reinen Brust voll Liebe in die geliebte
Brust überströmen müßte; desto schrecklicher steht die Möglichkeit vor mir, daß
du einst, was jetzt um und an Dir ist, ja was du selbst bist, als ein täuschendes
Gebild der Phantasie bejammern könntest" (23. Juni 1814), aber klar, un¬
erbittlich klar darüber, daß die liebenswürdige Furiua, der buntschillernde
Paradiesfalter, dos Weib nicht sein könne, dessen er bedürfte. Dies war ent¬
schieden, ehe Rammel Schleiermacher in Arndts Gesichtskreis trat, ehe Arndt
seine neuen Lebensverhältnisse am Rhein begründete. Am 6. März 1817 schrieb
er aus Greifswald an sie: "Du weißt wohl, was zwischen mir und Dir steht,
aber Du solltest auch nicht vergessen, welch ein mächtiges Gerät Du in meinen
Verhängnissen gewesen bist und immer sein wirst, und wie wir eine Macht
ehren sollten, die so gewaltig über uns gebot. Weil das eine uns versagt
ward, sollen und wollen wir alle süßen Blumen ausraufen, die doch so lieblich
blühen? sollen wir selbst die ausraufen, die sich wie eine Jakobshimmelsleiter


Ernst Moritz Arndt und Johanna Motherby

Dich und Deine Freunde entehrte. .... Ich liebe Dich sehr, aber ich will
nichts als diese Liebe und ihre geistige Blüte, weil ich nichts andres wollen
darf." Und am 30. Dezember setzte er in Bezug auf Johannas Gatten hinzu:
„Ich habe Wilhelm auf seine Klagen wahr und treu geschrieben; ich hoffe,
der Liebe, Gute wird sich besinnen und bedenken, wie weit man besitzen darf.
Will ich ihm denn etwas nehmen? will ich ihn unglücklich machen? wahrlich
nicht ich. Der Brunnen der Liebe ist unendlich wie alle Schöpfung und strömt
reicher und heitrer zu, je mehr er abgiebt; jeder nehme bescheiden das Seine
und liebe das Seine so hoch, daß kein Zweiter und Dritter es ihm ent¬
wenden kann."

Motherbh dachte nicht daran, seiner Frau den Briefwechsel mit Arndt zu
untersagen, wie letzterer einen Augenblick lang gefürchtet hatte, Johanna war
es, die Arndts männlich ernste Fassung und Selbstüberwindung klagend und
zürnend aufnahm. Sie riß sich in Königsberg los und reiste im Frühling 1814
nach dem deutschen Westen zu einem längern Besuch bei ihrer Freundin Henriette
Barklciy, die seit dem Ende 1812 die Frau Max von Schenkendorfs war. In
Rödelheim, wo sie bei Arndts Freunden, dein Solmsschen Regierungsrat Hoff¬
mann und dessen schwedischer Gattin Aufnahme fand, sah sie Arndt wieder,
weitere Zusammenkünfte fanden in Frankfurt am Main und Heidelberg statt,
im August reiste Johanna Motherby nach Königsberg zurück. Diese Begeg¬
nungen und die Briefe, die jetzt zwischen beiden hin- und hergingen, entschieden
vollends über das Schicksal des phantastischen Traumes, in dem sich Arndt
gewiegt hatte und Johanna noch immer wiegte. Nicht kälter war er geworden:
„ich fühle ganz, wie unendlich lieb Du mich haft und wie Du so ganz in mir
lebst und bist, wie nie ein andrer Mensch gewesen ist, noch sein wird. Desto
grauenvoller aber und weher ist mir der Gedanke: dieses holde Wesen kannst
du doch nicht beglücken, wie du solltest, noch erfüllen mit jenem Sonnenschein
voll Lust und Genüge, der ans der reinen Brust voll Liebe in die geliebte
Brust überströmen müßte; desto schrecklicher steht die Möglichkeit vor mir, daß
du einst, was jetzt um und an Dir ist, ja was du selbst bist, als ein täuschendes
Gebild der Phantasie bejammern könntest" (23. Juni 1814), aber klar, un¬
erbittlich klar darüber, daß die liebenswürdige Furiua, der buntschillernde
Paradiesfalter, dos Weib nicht sein könne, dessen er bedürfte. Dies war ent¬
schieden, ehe Rammel Schleiermacher in Arndts Gesichtskreis trat, ehe Arndt
seine neuen Lebensverhältnisse am Rhein begründete. Am 6. März 1817 schrieb
er aus Greifswald an sie: „Du weißt wohl, was zwischen mir und Dir steht,
aber Du solltest auch nicht vergessen, welch ein mächtiges Gerät Du in meinen
Verhängnissen gewesen bist und immer sein wirst, und wie wir eine Macht
ehren sollten, die so gewaltig über uns gebot. Weil das eine uns versagt
ward, sollen und wollen wir alle süßen Blumen ausraufen, die doch so lieblich
blühen? sollen wir selbst die ausraufen, die sich wie eine Jakobshimmelsleiter


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[0181] Ernst Moritz Arndt und Johanna Motherby Dich und Deine Freunde entehrte. .... Ich liebe Dich sehr, aber ich will nichts als diese Liebe und ihre geistige Blüte, weil ich nichts andres wollen darf." Und am 30. Dezember setzte er in Bezug auf Johannas Gatten hinzu: „Ich habe Wilhelm auf seine Klagen wahr und treu geschrieben; ich hoffe, der Liebe, Gute wird sich besinnen und bedenken, wie weit man besitzen darf. Will ich ihm denn etwas nehmen? will ich ihn unglücklich machen? wahrlich nicht ich. Der Brunnen der Liebe ist unendlich wie alle Schöpfung und strömt reicher und heitrer zu, je mehr er abgiebt; jeder nehme bescheiden das Seine und liebe das Seine so hoch, daß kein Zweiter und Dritter es ihm ent¬ wenden kann." Motherbh dachte nicht daran, seiner Frau den Briefwechsel mit Arndt zu untersagen, wie letzterer einen Augenblick lang gefürchtet hatte, Johanna war es, die Arndts männlich ernste Fassung und Selbstüberwindung klagend und zürnend aufnahm. Sie riß sich in Königsberg los und reiste im Frühling 1814 nach dem deutschen Westen zu einem längern Besuch bei ihrer Freundin Henriette Barklciy, die seit dem Ende 1812 die Frau Max von Schenkendorfs war. In Rödelheim, wo sie bei Arndts Freunden, dein Solmsschen Regierungsrat Hoff¬ mann und dessen schwedischer Gattin Aufnahme fand, sah sie Arndt wieder, weitere Zusammenkünfte fanden in Frankfurt am Main und Heidelberg statt, im August reiste Johanna Motherby nach Königsberg zurück. Diese Begeg¬ nungen und die Briefe, die jetzt zwischen beiden hin- und hergingen, entschieden vollends über das Schicksal des phantastischen Traumes, in dem sich Arndt gewiegt hatte und Johanna noch immer wiegte. Nicht kälter war er geworden: „ich fühle ganz, wie unendlich lieb Du mich haft und wie Du so ganz in mir lebst und bist, wie nie ein andrer Mensch gewesen ist, noch sein wird. Desto grauenvoller aber und weher ist mir der Gedanke: dieses holde Wesen kannst du doch nicht beglücken, wie du solltest, noch erfüllen mit jenem Sonnenschein voll Lust und Genüge, der ans der reinen Brust voll Liebe in die geliebte Brust überströmen müßte; desto schrecklicher steht die Möglichkeit vor mir, daß du einst, was jetzt um und an Dir ist, ja was du selbst bist, als ein täuschendes Gebild der Phantasie bejammern könntest" (23. Juni 1814), aber klar, un¬ erbittlich klar darüber, daß die liebenswürdige Furiua, der buntschillernde Paradiesfalter, dos Weib nicht sein könne, dessen er bedürfte. Dies war ent¬ schieden, ehe Rammel Schleiermacher in Arndts Gesichtskreis trat, ehe Arndt seine neuen Lebensverhältnisse am Rhein begründete. Am 6. März 1817 schrieb er aus Greifswald an sie: „Du weißt wohl, was zwischen mir und Dir steht, aber Du solltest auch nicht vergessen, welch ein mächtiges Gerät Du in meinen Verhängnissen gewesen bist und immer sein wirst, und wie wir eine Macht ehren sollten, die so gewaltig über uns gebot. Weil das eine uns versagt ward, sollen und wollen wir alle süßen Blumen ausraufen, die doch so lieblich blühen? sollen wir selbst die ausraufen, die sich wie eine Jakobshimmelsleiter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/181>, abgerufen am 23.11.2024.