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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Lrnst Moritz Arndt und Johanna Motherby

und sprudelt, sodaß ich mir zuweilen vorkomme, ich wäre was Rechtes; doch
ein glücklicher Mensch ist ja immer was Rechtes; lieber ein Wort von unsrer
Unsterblichkeit, o Furina, laß das immer eine Unsterblichkeit bleiben! Wenn
du wüßtest, welche spanische Schlösser ich sür dich und mit dir baue, und wie
der Geist sich wie sonnige Luft mit feinen zarten Spinngeweben in die Zu¬
kunft hineiuwiegt, du würdest wohl lächeln über mich großes Kind, zuweilen
wohl auch weinen. Mir will es oft selbst so gehen." Auch aus Leipzig,
wohin er Ende Oktober kam, wo er die Schreckensspuren und Schreckensnach¬
wirkungen der großen Völkerschlacht noch überall vorfand, und wo er mit dem
innerlichen Gefühl umherging: "es stirbt sich hier viel, Dank für deine War¬
nung, du Liebste! Ich werde Wohl so durchschlüpfen," beteuerte er: "Wie gern
trug ich dich wie mein süßes Kleinod auf meinen Armen und legte das kranke
Herzchen an mein Herz und sähe in den Himmel deiner Augen und betete
Glück und Frieden auf dich! Das kann aber nun nicht sein, und der liebe Gott
allein weiß, ob es je sein wird.... Ein bischen Ideales, ein bischen leichten
Äther muß ich atmen, wenn das Blei des Lebens mir nicht fühlbar werden
soll. ... O grüße und küsse die, welche meine Seele liebt, und laß sie mir
Frühlingsluft zuwehen. Ich könnte das zarteste Leben mit dir und um dich
führen, Furiua, daß die Engel im Himmel sich freueten." (Leipzig, 22. De¬
zember 1813.)

Wenige Tage aber nach dem letzten erwähnten Briefe, am Vorabend seines
vierundvierzigsten Geburtstages erhielt Arndt einen Brief von Wilhelm Mo-
therbh, der inzwischen wohl begriffen und aus dem Briefwechsel seiner Frau
mit Arndt erraten hatte, daß hier eine Trennung in der Zeiten Hintergrund
drohe, der jetzt kam, um dem Freunde Vorstellungen zu machen, der wahr¬
scheinlich Arndt darauf hinwies, daß der Mann in solchem Bunde der erste
sein müsse, der einer Frau, die ganz Phantasie, ganz Liebe war, die Grenze zeige,
jenseits deren das Unrecht beginne. Und so schrieb Arndt an seinem Geburts¬
tage (Leipzig, 26. Dezember 1813) einen Brief an Johann Motherby, der das
weitere Schicksal der beiden bestimmte und die Liebe, die überwallende Leiden¬
schaft geworden war, zur Freundschaft zurücklenkte. Er berief sich darauf, daß
er nie mit dem Heiligen spielen könnte, "selbst was ein glücklicher Leichtsinn
mir erlauben möchte, erlaubt mir die Stellung nicht, worin ich mich als Teutscher
Mensch gesetzt habe: ich muß meiden, was Anstoß geben könnte, ich darf vieles
nicht thun oder nur scheinen thun zu können, was andern erlaubt ist, damit
meine Thaten nicht schlechter erscheinen als meine Worte. Das Vaterland hat
mich, die Sorge für mein Volk und unsre Kinder und wird mich haben bis
ans Ende. . . . Ich liebe Dich, meine kleine blühende und glühende Seele, ich
liebe Dich sehr, sehr, ich habe es Dir noch in meinem vorigen Briefe geschrieben,
wie sehr. Aber nichts Unwürdiges würde ich von Dir begehren, noch an Dir
dulden, auch mich äußerlich in kein Verhältnis zu Dir stellen, das mich und


Lrnst Moritz Arndt und Johanna Motherby

und sprudelt, sodaß ich mir zuweilen vorkomme, ich wäre was Rechtes; doch
ein glücklicher Mensch ist ja immer was Rechtes; lieber ein Wort von unsrer
Unsterblichkeit, o Furina, laß das immer eine Unsterblichkeit bleiben! Wenn
du wüßtest, welche spanische Schlösser ich sür dich und mit dir baue, und wie
der Geist sich wie sonnige Luft mit feinen zarten Spinngeweben in die Zu¬
kunft hineiuwiegt, du würdest wohl lächeln über mich großes Kind, zuweilen
wohl auch weinen. Mir will es oft selbst so gehen." Auch aus Leipzig,
wohin er Ende Oktober kam, wo er die Schreckensspuren und Schreckensnach¬
wirkungen der großen Völkerschlacht noch überall vorfand, und wo er mit dem
innerlichen Gefühl umherging: „es stirbt sich hier viel, Dank für deine War¬
nung, du Liebste! Ich werde Wohl so durchschlüpfen," beteuerte er: „Wie gern
trug ich dich wie mein süßes Kleinod auf meinen Armen und legte das kranke
Herzchen an mein Herz und sähe in den Himmel deiner Augen und betete
Glück und Frieden auf dich! Das kann aber nun nicht sein, und der liebe Gott
allein weiß, ob es je sein wird.... Ein bischen Ideales, ein bischen leichten
Äther muß ich atmen, wenn das Blei des Lebens mir nicht fühlbar werden
soll. ... O grüße und küsse die, welche meine Seele liebt, und laß sie mir
Frühlingsluft zuwehen. Ich könnte das zarteste Leben mit dir und um dich
führen, Furiua, daß die Engel im Himmel sich freueten." (Leipzig, 22. De¬
zember 1813.)

Wenige Tage aber nach dem letzten erwähnten Briefe, am Vorabend seines
vierundvierzigsten Geburtstages erhielt Arndt einen Brief von Wilhelm Mo-
therbh, der inzwischen wohl begriffen und aus dem Briefwechsel seiner Frau
mit Arndt erraten hatte, daß hier eine Trennung in der Zeiten Hintergrund
drohe, der jetzt kam, um dem Freunde Vorstellungen zu machen, der wahr¬
scheinlich Arndt darauf hinwies, daß der Mann in solchem Bunde der erste
sein müsse, der einer Frau, die ganz Phantasie, ganz Liebe war, die Grenze zeige,
jenseits deren das Unrecht beginne. Und so schrieb Arndt an seinem Geburts¬
tage (Leipzig, 26. Dezember 1813) einen Brief an Johann Motherby, der das
weitere Schicksal der beiden bestimmte und die Liebe, die überwallende Leiden¬
schaft geworden war, zur Freundschaft zurücklenkte. Er berief sich darauf, daß
er nie mit dem Heiligen spielen könnte, „selbst was ein glücklicher Leichtsinn
mir erlauben möchte, erlaubt mir die Stellung nicht, worin ich mich als Teutscher
Mensch gesetzt habe: ich muß meiden, was Anstoß geben könnte, ich darf vieles
nicht thun oder nur scheinen thun zu können, was andern erlaubt ist, damit
meine Thaten nicht schlechter erscheinen als meine Worte. Das Vaterland hat
mich, die Sorge für mein Volk und unsre Kinder und wird mich haben bis
ans Ende. . . . Ich liebe Dich, meine kleine blühende und glühende Seele, ich
liebe Dich sehr, sehr, ich habe es Dir noch in meinem vorigen Briefe geschrieben,
wie sehr. Aber nichts Unwürdiges würde ich von Dir begehren, noch an Dir
dulden, auch mich äußerlich in kein Verhältnis zu Dir stellen, das mich und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/180>, abgerufen am 24.11.2024.