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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Ernst Moritz Arndt und Johanna Motherby

wehr von Preußen" ernannt worden, er fand reiche, nur allzu reiche Arbeit
in den Lazaretten, die unter seine Leitung gestellt waren. Die Königsberger
Hartungsche Zeitung des Jahres 1813 enthält eine Reihe von ihm unter¬
zeichneter Hilferufe und Danksagungen, er mußte "ein Publikum zu bitten
wagen, das seit Jahren unablässig zu liefern nicht ermüdete," er fand die
freudigste Bereitwilligkeit zum Beistand für seine Verwundeten bei den Frauen
und Jungfrauen Königsbergs und Ostpreußens, er hatte wieder und wieder
die Opferlnst und die edle Wohlthätigkeit zu preisen, die ihm in diesem kriege¬
rischen Frühling, Sommer und Herbst seine Ausgaben erleicherte. Nahm auch
seine Frau an diesen Liebeswerken Anteil, so fand sie doch nicht wie er volle Be¬
friedigung dabei, ihre Träume gingen uicht darin auf, und während sie zwischen
ihren Blumen und Bäumen, an der Seite ihres Mannes und mit ihren
blühenden Kindern Nancy und Robert still weiter lebte -- die Kriegsdonner
rollten nun schon sern von Königsberg --, folgte ihre Phantasie dem viel
umgetriebnen Freunde Arndt auf seinen Pfaden, durstig trank sie die leiden¬
schaftlichen Worte der Hingebung, der Bewunderung und des zärtlichsten Ver¬
trauens, mit denen sie Arndt von Dresden, Berlin und Reichenbach aus
während des ersten Vierteljahrs nach der Trennung überschüttete.

In wundersamen Gegensatz zu den getümmelvvllcu Tagen und Umgebungen,
in denen sie geschrieben wurden, stehen diese Freundschaftsbriefe des Dichters,
die keine Liebesbriefe sind, keine sein sollten und doch in jedem unbewachten
Augenblick in Liebesbriefe umschlugen. Am 20. April 1813, wo er in Dresden
im Hause Christian Gottfried Körners fein Quartier genommen hatte, meldet
Arndt, daß er endlich wieder als ein Mensch gelebt, sich ins Grüne getrieben
habe. "Es war ein schöner warmer Tag, und Gewitterwolken schienen am
Himmel zu hängen, es kam aber kein Wetter. Ich ging nach meiner Fasanerie
(im Dresdner großen Garten) und ließ mich von Vnsch zu Vnsch ergehen und
die Blüten rauschen und die Vögel singen und die Gedanken spielen, und sie
spielten in manchen Busch hinein und unter manchen schattigen Baum und be¬
kränzten sich mit Liebe und Frende und umhnlseten sich mit andern süßen Ge¬
danken, die aus der Ferne kamen; und sie sprachen viel Süßes und wußten
viel Süßes, und zuletzt stand das wehmütig lächelnde Bildchen, das Fnrina
heißt, vor mir und winkte und weinte wie eine rosige Frühlingswolke nach
dem Regen, und mir schwoll das Herz fast über." Am 23. Mai aus Berlin:
"In meiner Seele flattern viele Fragen und Antworten, und bei Lesung deines
Briefes wollte mir die Brust zugleich von Sehnsucht und Thrüneu überfließen;
aber die atemlose Zeit erlaubt mir manche Tage kaum Minuten zu träumen.. ..
Ich hatte den 10. allerdings einen verdrießlichen Tag, wo ich mich mit einem
zerbrochnen Rade in Berlin hineinquülte; solche Begebenheiten nehme ich aber
immer als Unglücksableiter. Es ist Unglücks genug, daß unser Schicksal uns
nicht zusammenläßt, vielleicht nimmer. ... Welch ein Leben, o ihr Götter, wäre


Ernst Moritz Arndt und Johanna Motherby

wehr von Preußen" ernannt worden, er fand reiche, nur allzu reiche Arbeit
in den Lazaretten, die unter seine Leitung gestellt waren. Die Königsberger
Hartungsche Zeitung des Jahres 1813 enthält eine Reihe von ihm unter¬
zeichneter Hilferufe und Danksagungen, er mußte „ein Publikum zu bitten
wagen, das seit Jahren unablässig zu liefern nicht ermüdete," er fand die
freudigste Bereitwilligkeit zum Beistand für seine Verwundeten bei den Frauen
und Jungfrauen Königsbergs und Ostpreußens, er hatte wieder und wieder
die Opferlnst und die edle Wohlthätigkeit zu preisen, die ihm in diesem kriege¬
rischen Frühling, Sommer und Herbst seine Ausgaben erleicherte. Nahm auch
seine Frau an diesen Liebeswerken Anteil, so fand sie doch nicht wie er volle Be¬
friedigung dabei, ihre Träume gingen uicht darin auf, und während sie zwischen
ihren Blumen und Bäumen, an der Seite ihres Mannes und mit ihren
blühenden Kindern Nancy und Robert still weiter lebte — die Kriegsdonner
rollten nun schon sern von Königsberg —, folgte ihre Phantasie dem viel
umgetriebnen Freunde Arndt auf seinen Pfaden, durstig trank sie die leiden¬
schaftlichen Worte der Hingebung, der Bewunderung und des zärtlichsten Ver¬
trauens, mit denen sie Arndt von Dresden, Berlin und Reichenbach aus
während des ersten Vierteljahrs nach der Trennung überschüttete.

In wundersamen Gegensatz zu den getümmelvvllcu Tagen und Umgebungen,
in denen sie geschrieben wurden, stehen diese Freundschaftsbriefe des Dichters,
die keine Liebesbriefe sind, keine sein sollten und doch in jedem unbewachten
Augenblick in Liebesbriefe umschlugen. Am 20. April 1813, wo er in Dresden
im Hause Christian Gottfried Körners fein Quartier genommen hatte, meldet
Arndt, daß er endlich wieder als ein Mensch gelebt, sich ins Grüne getrieben
habe. „Es war ein schöner warmer Tag, und Gewitterwolken schienen am
Himmel zu hängen, es kam aber kein Wetter. Ich ging nach meiner Fasanerie
(im Dresdner großen Garten) und ließ mich von Vnsch zu Vnsch ergehen und
die Blüten rauschen und die Vögel singen und die Gedanken spielen, und sie
spielten in manchen Busch hinein und unter manchen schattigen Baum und be¬
kränzten sich mit Liebe und Frende und umhnlseten sich mit andern süßen Ge¬
danken, die aus der Ferne kamen; und sie sprachen viel Süßes und wußten
viel Süßes, und zuletzt stand das wehmütig lächelnde Bildchen, das Fnrina
heißt, vor mir und winkte und weinte wie eine rosige Frühlingswolke nach
dem Regen, und mir schwoll das Herz fast über." Am 23. Mai aus Berlin:
„In meiner Seele flattern viele Fragen und Antworten, und bei Lesung deines
Briefes wollte mir die Brust zugleich von Sehnsucht und Thrüneu überfließen;
aber die atemlose Zeit erlaubt mir manche Tage kaum Minuten zu träumen.. ..
Ich hatte den 10. allerdings einen verdrießlichen Tag, wo ich mich mit einem
zerbrochnen Rade in Berlin hineinquülte; solche Begebenheiten nehme ich aber
immer als Unglücksableiter. Es ist Unglücks genug, daß unser Schicksal uns
nicht zusammenläßt, vielleicht nimmer. ... Welch ein Leben, o ihr Götter, wäre


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/178>, abgerufen am 24.11.2024.