Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.Lrnst Moritz Arndt und Johanna Motherby alten Gedächtnisses geschrieben: Friccius, Freiherr Hoverbeck, von Fahrenheit, Ernst Moritz Arndt hatte von Haus aus niemals zu den Kältesten, sondern Jedenfalls war Johanna Motherby eine jener problematischen Naturen, Lrnst Moritz Arndt und Johanna Motherby alten Gedächtnisses geschrieben: Friccius, Freiherr Hoverbeck, von Fahrenheit, Ernst Moritz Arndt hatte von Haus aus niemals zu den Kältesten, sondern Jedenfalls war Johanna Motherby eine jener problematischen Naturen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0176" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215266"/> <fw type="header" place="top"> Lrnst Moritz Arndt und Johanna Motherby</fw><lb/> <p xml:id="ID_567" prev="#ID_566"> alten Gedächtnisses geschrieben: Friccius, Freiherr Hoverbeck, von Fahrenheit,<lb/> von Bardeleben und viele andre Vortreffliche, die aus den blutigen Schlachten<lb/> nimmer die Heimat wiedergesehen haben, sondern in fremder Erde begraben<lb/> sind; unter diesen letzten ein Bruder Motherbys, Regierungsrat in Gumbinnen<lb/> und Hauptmann in der preußischen Landwehr, der beim Sturm auf Leipzig<lb/> auf der erkletterten Mauer, den Seinigen ein Vorstürmer, von einer tötlichen<lb/> Kugel getroffen ist.....Das waren Tage, ja das waren herrliche Tage, die<lb/> junge Lebens- und Ehrenhoffnung sang und klang durch alle Herzen, sie klang<lb/> und sang auf allen Gassen und tönte begeistert von Kanzel und Katheder.<lb/> Der Bücherstaub der Gelehrsamkeit ward von dem Sturmwind des Tages<lb/> abgeweht, und der goldne Blütenstaub des fröhlichen Maientages der Hoffnung<lb/> und des Mutes fiel auf die Stirnen, die jener sonst umgraut hatte, auch die<lb/> Kältesteil wurden warm, auch die Steifsten wurden gelenkig, sie glühten und<lb/> zitterten in der allgemeinen Bewegung mit fort."</p><lb/> <p xml:id="ID_568"> Ernst Moritz Arndt hatte von Haus aus niemals zu den Kältesten, sondern<lb/> immer zu den Wärmsten gehört, er hätte der Glut, die ihn jetzt durchloderte,<lb/> nicht erst bedurft. Den Doktor William Motherby kannte er von seinen Reisen<lb/> her, die junge eben dreißigjährige Gattin des kenntnisreichen, hochgebildeten<lb/> und unermüdlich thätigem Arztes lernte der Dichter in diesen Tagen erst kennen.<lb/> Motherby hatte im Sommer 1806, unmittelbar vor dem Zusammensturz des<lb/> alten fridericianischen Preußens, Johanna Charlotte Thielheim aus Königsberg<lb/> geheiratet, deren wunderbar schöne Augen und gefällig bewegliche Anmut auf<lb/> viele Männer einen tiefern Eindruck machten. „Auf die junge Frau fiel die schwere<lb/> Last der Haushaltsführung und der Repräsentation in ungewohnten Verhältnissen,<lb/> aber meisterhaft muß sie es verstanden haben, so wie ihr Mann es nur immer<lb/> wünschen konnte, ihr Haus zu einem Sammelpunkt hervorragender Geister zu<lb/> machen; denn alle ihre Gäste waren stets wieder aufs neue entzückt von dem<lb/> anmutigen Wesen der kleinen Hausfrau. Gerade für die Beurteilung des<lb/> Charakters Johannas ist dieses schnelle Sichhineinfinden in eigenartige, gro߬<lb/> angelegte Verhältnisse von Belang," berichtet Meisner, der Herausgeber der<lb/> Briefe, und sügt außerdem hinzu, daß Motherby zwischen 1807 und 1813 so<lb/> ganz von den neuen Verhältnissen in Staat und Stadt in Anspruch genommen<lb/> worden sei, daß ihn sein Amt, besonders die Einrichtung einer Jmpfanstalt und<lb/> die Reorganisation der Irrenanstalt in Königsberg viel vom Hause entfernt<lb/> hielten, sodaß „die beiden jungen Ehegatten keine Zeit fanden, sich innerlich<lb/> zu nähern und dadurch den Herzensbnnd, den sie äußerlich geschlossen hatten,<lb/> zu einem unlösbaren zu machen. Motherby, der Vielbeschäftigte, mag weniger<lb/> die Annäherung der beiden Herzen vermißt haben, als seine junge Frau, der<lb/> von den Freunden des Hauses Huldigungen dargebracht wurden, die sie von<lb/> ihrem eignen Manne verlangen durfte und doch nicht erlangen konnte."</p><lb/> <p xml:id="ID_569" next="#ID_570"> Jedenfalls war Johanna Motherby eine jener problematischen Naturen,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0176]
Lrnst Moritz Arndt und Johanna Motherby
alten Gedächtnisses geschrieben: Friccius, Freiherr Hoverbeck, von Fahrenheit,
von Bardeleben und viele andre Vortreffliche, die aus den blutigen Schlachten
nimmer die Heimat wiedergesehen haben, sondern in fremder Erde begraben
sind; unter diesen letzten ein Bruder Motherbys, Regierungsrat in Gumbinnen
und Hauptmann in der preußischen Landwehr, der beim Sturm auf Leipzig
auf der erkletterten Mauer, den Seinigen ein Vorstürmer, von einer tötlichen
Kugel getroffen ist.....Das waren Tage, ja das waren herrliche Tage, die
junge Lebens- und Ehrenhoffnung sang und klang durch alle Herzen, sie klang
und sang auf allen Gassen und tönte begeistert von Kanzel und Katheder.
Der Bücherstaub der Gelehrsamkeit ward von dem Sturmwind des Tages
abgeweht, und der goldne Blütenstaub des fröhlichen Maientages der Hoffnung
und des Mutes fiel auf die Stirnen, die jener sonst umgraut hatte, auch die
Kältesteil wurden warm, auch die Steifsten wurden gelenkig, sie glühten und
zitterten in der allgemeinen Bewegung mit fort."
Ernst Moritz Arndt hatte von Haus aus niemals zu den Kältesten, sondern
immer zu den Wärmsten gehört, er hätte der Glut, die ihn jetzt durchloderte,
nicht erst bedurft. Den Doktor William Motherby kannte er von seinen Reisen
her, die junge eben dreißigjährige Gattin des kenntnisreichen, hochgebildeten
und unermüdlich thätigem Arztes lernte der Dichter in diesen Tagen erst kennen.
Motherby hatte im Sommer 1806, unmittelbar vor dem Zusammensturz des
alten fridericianischen Preußens, Johanna Charlotte Thielheim aus Königsberg
geheiratet, deren wunderbar schöne Augen und gefällig bewegliche Anmut auf
viele Männer einen tiefern Eindruck machten. „Auf die junge Frau fiel die schwere
Last der Haushaltsführung und der Repräsentation in ungewohnten Verhältnissen,
aber meisterhaft muß sie es verstanden haben, so wie ihr Mann es nur immer
wünschen konnte, ihr Haus zu einem Sammelpunkt hervorragender Geister zu
machen; denn alle ihre Gäste waren stets wieder aufs neue entzückt von dem
anmutigen Wesen der kleinen Hausfrau. Gerade für die Beurteilung des
Charakters Johannas ist dieses schnelle Sichhineinfinden in eigenartige, gro߬
angelegte Verhältnisse von Belang," berichtet Meisner, der Herausgeber der
Briefe, und sügt außerdem hinzu, daß Motherby zwischen 1807 und 1813 so
ganz von den neuen Verhältnissen in Staat und Stadt in Anspruch genommen
worden sei, daß ihn sein Amt, besonders die Einrichtung einer Jmpfanstalt und
die Reorganisation der Irrenanstalt in Königsberg viel vom Hause entfernt
hielten, sodaß „die beiden jungen Ehegatten keine Zeit fanden, sich innerlich
zu nähern und dadurch den Herzensbnnd, den sie äußerlich geschlossen hatten,
zu einem unlösbaren zu machen. Motherby, der Vielbeschäftigte, mag weniger
die Annäherung der beiden Herzen vermißt haben, als seine junge Frau, der
von den Freunden des Hauses Huldigungen dargebracht wurden, die sie von
ihrem eignen Manne verlangen durfte und doch nicht erlangen konnte."
Jedenfalls war Johanna Motherby eine jener problematischen Naturen,
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