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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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auf die Schriftsätze und sonstigen Aktenstücke Bezug genommen werden. Auch
kann, wenn bei der mündlichen Verhandlung etwas vorkommt, was noch nicht
in den Schriften enthalten ist, der Vorsitzende von den Parteien eine sofortige
kurze Niederschrift des Vorgebrachten verlangen, die dann dem Protokoll bei¬
gefügt wird. (Es ist zu hoffen, daß durch diese Vorschrift mittelbar auch die
Erstattung von Replik und Duplik, da, wo sie nötig ist, erzielt werden wird;
deren völlige Freilassung sonst Bedenken erregen könnte. Haben die Parteien
ordnungsmäßig Schriftsätze erstattet, so wird das Protokoll regelmüßig lauten
können: "Es wurde übereinstimmend mit den Schriftsätzen verhandelt.")

Das aufgenommue Protokoll bildet dann auch für den weitern Verlauf
des Prozesses die Grundlage. (Der Prozeß braucht also nicht, wie bei uns,
mit jeder neuen Verhandlung wieder von vorn anzufangen.) Das Gericht hat
auf den Inhalt der Alten von Amts wegen Rücksicht zu nehmen. Erscheint
eine Partei bei einer spätern Verhandlung nicht, so kommt ihr trotzdem das
bei der frühern Verhandlung durch das Protokoll festgestellte zu statten. (Die
Parteien haben also nicht, wie bei uns, bei jedem Ausbleiben in einem Termin
immer wieder den Verlust des ganzen Prozesses zu gewärtigen.)

Um Verschleppung der anhängigen Prozesse zu verhindern, sind über
Terminsverlegnngen (Tagsatzungserstreckungen) in den ^ 145 fig. eingehende
Bestimmungen getroffen.

Die Berufung wird durch Einreichung einer Berusungsschrift bei dem Ge¬
richte erster Instanz erhoben. An Orten, wo nicht wenigstens zwei Advokaten
ihren Sitz haben, kann die Berufnngsschrift durch eine Erklärung zu Protokoll
ersetzt werden, die keiner Mitwirkung eines Advokaten bedarf. Die Berufungs-
schrift wird dem Gegner mitgeteilt, dem binnen bestimmter Frist eine Gegen¬
erklärung zusteht. Dann sendet das Gericht erster Instanz die Akten an das
Berufungsgericht ein.

Erweist sich die Berufung aus formellen Gründen als unzulässig, so er¬
kennt darüber das Berufungsgericht sofort durch Beschluß ohne mündliche Ver¬
handlung. Dasselbe geschieht, wenn das nngefochtne Urteil aus formellen
Gründen als "nichtig" aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurück¬
zuweisen ist.

Andernfalls wird Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt, dieser
auch in gleicher Weise, wie es für die mündliche Verhandlung erster Instanz
geboten ist, vorbereitet. Im Termin hat ein Gerichtsmitglied den Sachverhalt
und den bisherigen Gang des Prozesses nach den Akten vorzutragen. Dann
werden die Parteien mit ihren Vorträgen gehört. Bleibt eine der Parteien
im Termin aus, so kommt ihr doch der Akteninhalt zu gute. Auch wenn beide
Parteien ausbleibe", wird uach den Akten entschieden. Die Parteien können
aber auch ans die mündliche Verhandlung ganz verzichten. Das Gericht ent¬
scheidet dann nach den Akten ohne öffentliche Verhandlung.


auf die Schriftsätze und sonstigen Aktenstücke Bezug genommen werden. Auch
kann, wenn bei der mündlichen Verhandlung etwas vorkommt, was noch nicht
in den Schriften enthalten ist, der Vorsitzende von den Parteien eine sofortige
kurze Niederschrift des Vorgebrachten verlangen, die dann dem Protokoll bei¬
gefügt wird. (Es ist zu hoffen, daß durch diese Vorschrift mittelbar auch die
Erstattung von Replik und Duplik, da, wo sie nötig ist, erzielt werden wird;
deren völlige Freilassung sonst Bedenken erregen könnte. Haben die Parteien
ordnungsmäßig Schriftsätze erstattet, so wird das Protokoll regelmüßig lauten
können: „Es wurde übereinstimmend mit den Schriftsätzen verhandelt.")

Das aufgenommue Protokoll bildet dann auch für den weitern Verlauf
des Prozesses die Grundlage. (Der Prozeß braucht also nicht, wie bei uns,
mit jeder neuen Verhandlung wieder von vorn anzufangen.) Das Gericht hat
auf den Inhalt der Alten von Amts wegen Rücksicht zu nehmen. Erscheint
eine Partei bei einer spätern Verhandlung nicht, so kommt ihr trotzdem das
bei der frühern Verhandlung durch das Protokoll festgestellte zu statten. (Die
Parteien haben also nicht, wie bei uns, bei jedem Ausbleiben in einem Termin
immer wieder den Verlust des ganzen Prozesses zu gewärtigen.)

Um Verschleppung der anhängigen Prozesse zu verhindern, sind über
Terminsverlegnngen (Tagsatzungserstreckungen) in den ^ 145 fig. eingehende
Bestimmungen getroffen.

Die Berufung wird durch Einreichung einer Berusungsschrift bei dem Ge¬
richte erster Instanz erhoben. An Orten, wo nicht wenigstens zwei Advokaten
ihren Sitz haben, kann die Berufnngsschrift durch eine Erklärung zu Protokoll
ersetzt werden, die keiner Mitwirkung eines Advokaten bedarf. Die Berufungs-
schrift wird dem Gegner mitgeteilt, dem binnen bestimmter Frist eine Gegen¬
erklärung zusteht. Dann sendet das Gericht erster Instanz die Akten an das
Berufungsgericht ein.

Erweist sich die Berufung aus formellen Gründen als unzulässig, so er¬
kennt darüber das Berufungsgericht sofort durch Beschluß ohne mündliche Ver¬
handlung. Dasselbe geschieht, wenn das nngefochtne Urteil aus formellen
Gründen als „nichtig" aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurück¬
zuweisen ist.

Andernfalls wird Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt, dieser
auch in gleicher Weise, wie es für die mündliche Verhandlung erster Instanz
geboten ist, vorbereitet. Im Termin hat ein Gerichtsmitglied den Sachverhalt
und den bisherigen Gang des Prozesses nach den Akten vorzutragen. Dann
werden die Parteien mit ihren Vorträgen gehört. Bleibt eine der Parteien
im Termin aus, so kommt ihr doch der Akteninhalt zu gute. Auch wenn beide
Parteien ausbleibe», wird uach den Akten entschieden. Die Parteien können
aber auch ans die mündliche Verhandlung ganz verzichten. Das Gericht ent¬
scheidet dann nach den Akten ohne öffentliche Verhandlung.


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[0113] auf die Schriftsätze und sonstigen Aktenstücke Bezug genommen werden. Auch kann, wenn bei der mündlichen Verhandlung etwas vorkommt, was noch nicht in den Schriften enthalten ist, der Vorsitzende von den Parteien eine sofortige kurze Niederschrift des Vorgebrachten verlangen, die dann dem Protokoll bei¬ gefügt wird. (Es ist zu hoffen, daß durch diese Vorschrift mittelbar auch die Erstattung von Replik und Duplik, da, wo sie nötig ist, erzielt werden wird; deren völlige Freilassung sonst Bedenken erregen könnte. Haben die Parteien ordnungsmäßig Schriftsätze erstattet, so wird das Protokoll regelmüßig lauten können: „Es wurde übereinstimmend mit den Schriftsätzen verhandelt.") Das aufgenommue Protokoll bildet dann auch für den weitern Verlauf des Prozesses die Grundlage. (Der Prozeß braucht also nicht, wie bei uns, mit jeder neuen Verhandlung wieder von vorn anzufangen.) Das Gericht hat auf den Inhalt der Alten von Amts wegen Rücksicht zu nehmen. Erscheint eine Partei bei einer spätern Verhandlung nicht, so kommt ihr trotzdem das bei der frühern Verhandlung durch das Protokoll festgestellte zu statten. (Die Parteien haben also nicht, wie bei uns, bei jedem Ausbleiben in einem Termin immer wieder den Verlust des ganzen Prozesses zu gewärtigen.) Um Verschleppung der anhängigen Prozesse zu verhindern, sind über Terminsverlegnngen (Tagsatzungserstreckungen) in den ^ 145 fig. eingehende Bestimmungen getroffen. Die Berufung wird durch Einreichung einer Berusungsschrift bei dem Ge¬ richte erster Instanz erhoben. An Orten, wo nicht wenigstens zwei Advokaten ihren Sitz haben, kann die Berufnngsschrift durch eine Erklärung zu Protokoll ersetzt werden, die keiner Mitwirkung eines Advokaten bedarf. Die Berufungs- schrift wird dem Gegner mitgeteilt, dem binnen bestimmter Frist eine Gegen¬ erklärung zusteht. Dann sendet das Gericht erster Instanz die Akten an das Berufungsgericht ein. Erweist sich die Berufung aus formellen Gründen als unzulässig, so er¬ kennt darüber das Berufungsgericht sofort durch Beschluß ohne mündliche Ver¬ handlung. Dasselbe geschieht, wenn das nngefochtne Urteil aus formellen Gründen als „nichtig" aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurück¬ zuweisen ist. Andernfalls wird Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt, dieser auch in gleicher Weise, wie es für die mündliche Verhandlung erster Instanz geboten ist, vorbereitet. Im Termin hat ein Gerichtsmitglied den Sachverhalt und den bisherigen Gang des Prozesses nach den Akten vorzutragen. Dann werden die Parteien mit ihren Vorträgen gehört. Bleibt eine der Parteien im Termin aus, so kommt ihr doch der Akteninhalt zu gute. Auch wenn beide Parteien ausbleibe», wird uach den Akten entschieden. Die Parteien können aber auch ans die mündliche Verhandlung ganz verzichten. Das Gericht ent¬ scheidet dann nach den Akten ohne öffentliche Verhandlung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/113>, abgerufen am 23.11.2024.