Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.Die Aiinst zu fliege" in der Luft durch die Schwerkraft des Vogels genau die allergünstigste Lage Daraus folgt, daß der Vogel, so lange er auf seinen Beinen steht, von Alle Punkte der Butteiistedtsche" Theorie auch nur anzudeuten, würde Mau wird sich nun die Frage vorlegen, woher es denn wohl kommen Die Aiinst zu fliege» in der Luft durch die Schwerkraft des Vogels genau die allergünstigste Lage Daraus folgt, daß der Vogel, so lange er auf seinen Beinen steht, von Alle Punkte der Butteiistedtsche» Theorie auch nur anzudeuten, würde Mau wird sich nun die Frage vorlegen, woher es denn wohl kommen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0076" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214532"/> <fw type="header" place="top"> Die Aiinst zu fliege»</fw><lb/> <p xml:id="ID_256" prev="#ID_255"> in der Luft durch die Schwerkraft des Vogels genau die allergünstigste Lage<lb/> an, um den Flieger auch ohne Flügelschlag vorwärts zu bringen. In dein<lb/> Buttenstcdtscheu Buche ist das durch eine Reihe von Augenblicksbildern und<lb/> Zeichnungen noch besonders klar gemacht.</p><lb/> <p xml:id="ID_257"> Daraus folgt, daß der Vogel, so lange er auf seinen Beinen steht, von<lb/> seinen Flugwerkzeugen keinen vollen Gebrauch machen kann; er muß erst das<lb/> Gewicht seines Leibes in seine Fittiche hängen. Mit andern Worten: er »ruß<lb/> einen Sprung in die Höhe thun, erst dann leistet ihm sein Apparat den er¬<lb/> forderlichen Dienst. Dementsprechend sehen wir die Krähen und Raben ans<lb/> unsern Feldern niemals unmittelbar von der Erde auffliegen, sondern<lb/> erst springen. Vögel, denen die Natur die Kraft der Beine zum Ursprung<lb/> versagt hat, sind daher völlig hilflos, wenn sie sich nicht von einem erhöhten<lb/> Gegenstand frei in die Luft fallen lassen können. Es ist bekannt, daß der<lb/> großartigste Segler der Lüfte, der Albatros, nicht imstande ist, vom Schiffs¬<lb/> deck emporzufliegen. Gerade er besitzt die vorzüglichsten Schwingen, die<lb/> die Natur hervorgebracht hat, so meisterhafte Schwebemittel, daß er mühelos<lb/> in den Lüften kreisend den Schiffen von Ozean zu Ozean folge» kauu. Er ist<lb/> gewohnt, sich von der Spitze der großen Meereswogen in den freien Luft¬<lb/> raum des Wellenthales fallen zu lassen. Erst in dem Augenblicke, wo sein<lb/> Gewicht das Gefieder belastet, das er wohl ausbreiten, aber nicht so spannen<lb/> kann, wie die von unten drängenden Luftsäule», erst in dem Augenblicke ist<lb/> er der freie Herr seiner selbst. Gera» so, wie der Me»sah unfähig zum Gehen<lb/> wäre, wen» er a» eine» Ort gelaugte, wo die Erde keine Anziehungskraft<lb/> mehr ausübte.</p><lb/> <p xml:id="ID_258"> Alle Punkte der Butteiistedtsche» Theorie auch nur anzudeuten, würde<lb/> hier zu weit führe». Kurz erwähnt muß aber doch »och werde», daß der<lb/> Flügelschlag »ur eine Verstärkung der Flugkraft — nicht die Flugkraft selbst —<lb/> ist, daß der eigentliche Motor immer und überall vorhanden ist, nämlich der<lb/> unaufhörliche Wechsel der belasteten Luftsäule» uuter dem elastischen Flng-<lb/> material. Dem Müller fehlt der Wind oft lange Zeit; das Wasser seines<lb/> Mühlteichcs verschwindet in trocknen Sommer»; die Kraft der belasteten Luft<lb/> versagt nie, und sie gestattet es sogar dem geschickte» Flieger, auch noch entgegen¬<lb/> stehende, horizontale Winde mit Vorteil auszunutzen. Der große Raubvogel<lb/> hebt sich ohne Flügelschlag bis in die höchste» Lüfte, wo er unsern Blicke»<lb/> verschwindet; er braucht nur sein Gefieder richtig einzustellen, so schraubt es<lb/> seinen schweren Körper in dem Gewinde der stets erneuten Luftsäule empor.</p><lb/> <p xml:id="ID_259" next="#ID_260"> Mau wird sich nun die Frage vorlegen, woher es denn wohl kommen<lb/> mag, daß all seine tausendjährige» Bemühungen dein Menschen noch immer<lb/> keine praktische Schwebe- und Flugmaschine gegeben haben. Die Antwort<lb/> lautet: weil sich die dem Vogel von der Natur verliehene Valaneirkunst auf<lb/> künstlichem Wege bisher nicht annähernd erreichen läßt. Es ist keine Frage.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0076]
Die Aiinst zu fliege»
in der Luft durch die Schwerkraft des Vogels genau die allergünstigste Lage
an, um den Flieger auch ohne Flügelschlag vorwärts zu bringen. In dein
Buttenstcdtscheu Buche ist das durch eine Reihe von Augenblicksbildern und
Zeichnungen noch besonders klar gemacht.
Daraus folgt, daß der Vogel, so lange er auf seinen Beinen steht, von
seinen Flugwerkzeugen keinen vollen Gebrauch machen kann; er muß erst das
Gewicht seines Leibes in seine Fittiche hängen. Mit andern Worten: er »ruß
einen Sprung in die Höhe thun, erst dann leistet ihm sein Apparat den er¬
forderlichen Dienst. Dementsprechend sehen wir die Krähen und Raben ans
unsern Feldern niemals unmittelbar von der Erde auffliegen, sondern
erst springen. Vögel, denen die Natur die Kraft der Beine zum Ursprung
versagt hat, sind daher völlig hilflos, wenn sie sich nicht von einem erhöhten
Gegenstand frei in die Luft fallen lassen können. Es ist bekannt, daß der
großartigste Segler der Lüfte, der Albatros, nicht imstande ist, vom Schiffs¬
deck emporzufliegen. Gerade er besitzt die vorzüglichsten Schwingen, die
die Natur hervorgebracht hat, so meisterhafte Schwebemittel, daß er mühelos
in den Lüften kreisend den Schiffen von Ozean zu Ozean folge» kauu. Er ist
gewohnt, sich von der Spitze der großen Meereswogen in den freien Luft¬
raum des Wellenthales fallen zu lassen. Erst in dem Augenblicke, wo sein
Gewicht das Gefieder belastet, das er wohl ausbreiten, aber nicht so spannen
kann, wie die von unten drängenden Luftsäule», erst in dem Augenblicke ist
er der freie Herr seiner selbst. Gera» so, wie der Me»sah unfähig zum Gehen
wäre, wen» er a» eine» Ort gelaugte, wo die Erde keine Anziehungskraft
mehr ausübte.
Alle Punkte der Butteiistedtsche» Theorie auch nur anzudeuten, würde
hier zu weit führe». Kurz erwähnt muß aber doch »och werde», daß der
Flügelschlag »ur eine Verstärkung der Flugkraft — nicht die Flugkraft selbst —
ist, daß der eigentliche Motor immer und überall vorhanden ist, nämlich der
unaufhörliche Wechsel der belasteten Luftsäule» uuter dem elastischen Flng-
material. Dem Müller fehlt der Wind oft lange Zeit; das Wasser seines
Mühlteichcs verschwindet in trocknen Sommer»; die Kraft der belasteten Luft
versagt nie, und sie gestattet es sogar dem geschickte» Flieger, auch noch entgegen¬
stehende, horizontale Winde mit Vorteil auszunutzen. Der große Raubvogel
hebt sich ohne Flügelschlag bis in die höchste» Lüfte, wo er unsern Blicke»
verschwindet; er braucht nur sein Gefieder richtig einzustellen, so schraubt es
seinen schweren Körper in dem Gewinde der stets erneuten Luftsäule empor.
Mau wird sich nun die Frage vorlegen, woher es denn wohl kommen
mag, daß all seine tausendjährige» Bemühungen dein Menschen noch immer
keine praktische Schwebe- und Flugmaschine gegeben haben. Die Antwort
lautet: weil sich die dem Vogel von der Natur verliehene Valaneirkunst auf
künstlichem Wege bisher nicht annähernd erreichen läßt. Es ist keine Frage.
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