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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Der alte Harkort

zu nichts bringen Wollen; er hat immer nur für sein Volk und Vaterland
gearbeitet, andern das Bett bereitet, worein sie sich legen konnten, nicht, wie
Se. Martin, den halben, sondern immer gleich den ganzen Mantel verschenkt-
Hätte er in seinen Werkstätten unter unsäglichen Mühen etwas neues züstciM
gebracht, so zeigte er es jedermann und unterstützte die mit Rat und That,,
die es nachahmen wollten. Dein harten Tadel derer, die ihm sagten, er solle
lieber, wie es seine Pflicht sei, für seine Familie sorgen, anstatt sich Kon¬
kurrenten groß zu ziehen, begegnete er mit den Worten: "Mich hat die Natur
zum Anregen geschaffen, nicht zum Ausbeuten; das muß ich andern überlassen."
Nicht auf Vernichtung, sondern auf Verbesserung der kleinen Betriebe ging er
aus. "Man ^verMmmere nicht den fleißigen Arbeitern ihren spärlichen Lohn;
nein, war unterstütze sie mit Belehrung und guten Werkzeugen, und die Ge¬
werbe werden sich blühend entfalten. Die Elemente liegen vor uns, es bedarf
nur des Gemeinsinns, um sie zu ordnen." Er selber ward öfter als einmal
das Opfer schamlosester Ausbeutung. Als er die ersten Rhein-Seedampfer baute,
richteten ihn die .Kölnischen Geldleute mit kalter Berechnung zu Grunde, um
das epochemachende Unternehmen ganz allein ausbeuten zu können. Er, der
nie ohne Not von sich selber zu sprechen gewohnt war, schrieb doch später
über diese Angelegenheit an den oberschlesischen Großindustriellen Winkler, bei
dem er damals vorübergehend Zuflucht gefunden hatte (auch der war ein selbst¬
gemachter Mann; sein Schwiegersohn, der die Dynastie fortführt, heißt von
Thiele-Winkler): "Im Jahre 1837 habe ich die Sorgen und den Kummer
eines ganzen Menschenlebens erduldet." Bei keinem war die Entrüstung über
den Gründnngsschwiudel vor zwanzig Jahren so aufrichtig wie bei ihm. Ver¬
gebens warnte er in der "Westfälischen Zeitung," als es noch Zeit war: "Das
große Kapital bewegt sich klüglich außerhalb der Sphäre des Staatsanwalts
und speist sehr behaglich das kleine Kapital mit Hilfe der erfindungsreichen
Gründer uns"; die Leute nahmen keine andre Belehrung an als die dnrch
eignen Schaden. Er selbst hatte schon lange vorher seine sehr soliden und
gemeinnützigen Gründungen, seine Maschiuenbauanstalt ans dem Wetter, seine
Heimstätte auf dem Hombruch, wo er mit eigner Hand die Eichen gerötet
hatte, eingebüßt; nur ein wunderschön gelegnes Eckchen hatte er sich auf dem
Hombruch gerettet, auf dem er sich ein verfallenes Arbciterhaus zur Wohnung
einrichtete. Höchlichst erstaunt schauten die Deputationen, die ihn zum achtzigsten
Geburtstag beglückwünschten, diese wunderliche Residenz; nur der alte Krupp,
der ihn um dieselbe Zeit einmal besuchte, faud sie ganz in der Ordnung.
Übrigens verhalf ihm in den allerletzten Jahre" seines Lebens' der glückliche
Verkauf einiger erzhaltigen Grundstücke zu einem bescheidnen Wohlstande.

Eine kurze Aufzählung seiner wichtigsten Unternehmungen mag einen Be¬
griff davon geben, was ihm das Vaterland verdankt. Im Jahre 1818 legte
er auf der alten Burg zu Wetter die erste Maschinenfabrik an mit Hilfe von


Der alte Harkort

zu nichts bringen Wollen; er hat immer nur für sein Volk und Vaterland
gearbeitet, andern das Bett bereitet, worein sie sich legen konnten, nicht, wie
Se. Martin, den halben, sondern immer gleich den ganzen Mantel verschenkt-
Hätte er in seinen Werkstätten unter unsäglichen Mühen etwas neues züstciM
gebracht, so zeigte er es jedermann und unterstützte die mit Rat und That,,
die es nachahmen wollten. Dein harten Tadel derer, die ihm sagten, er solle
lieber, wie es seine Pflicht sei, für seine Familie sorgen, anstatt sich Kon¬
kurrenten groß zu ziehen, begegnete er mit den Worten: „Mich hat die Natur
zum Anregen geschaffen, nicht zum Ausbeuten; das muß ich andern überlassen."
Nicht auf Vernichtung, sondern auf Verbesserung der kleinen Betriebe ging er
aus. „Man ^verMmmere nicht den fleißigen Arbeitern ihren spärlichen Lohn;
nein, war unterstütze sie mit Belehrung und guten Werkzeugen, und die Ge¬
werbe werden sich blühend entfalten. Die Elemente liegen vor uns, es bedarf
nur des Gemeinsinns, um sie zu ordnen." Er selber ward öfter als einmal
das Opfer schamlosester Ausbeutung. Als er die ersten Rhein-Seedampfer baute,
richteten ihn die .Kölnischen Geldleute mit kalter Berechnung zu Grunde, um
das epochemachende Unternehmen ganz allein ausbeuten zu können. Er, der
nie ohne Not von sich selber zu sprechen gewohnt war, schrieb doch später
über diese Angelegenheit an den oberschlesischen Großindustriellen Winkler, bei
dem er damals vorübergehend Zuflucht gefunden hatte (auch der war ein selbst¬
gemachter Mann; sein Schwiegersohn, der die Dynastie fortführt, heißt von
Thiele-Winkler): „Im Jahre 1837 habe ich die Sorgen und den Kummer
eines ganzen Menschenlebens erduldet." Bei keinem war die Entrüstung über
den Gründnngsschwiudel vor zwanzig Jahren so aufrichtig wie bei ihm. Ver¬
gebens warnte er in der „Westfälischen Zeitung," als es noch Zeit war: „Das
große Kapital bewegt sich klüglich außerhalb der Sphäre des Staatsanwalts
und speist sehr behaglich das kleine Kapital mit Hilfe der erfindungsreichen
Gründer uns"; die Leute nahmen keine andre Belehrung an als die dnrch
eignen Schaden. Er selbst hatte schon lange vorher seine sehr soliden und
gemeinnützigen Gründungen, seine Maschiuenbauanstalt ans dem Wetter, seine
Heimstätte auf dem Hombruch, wo er mit eigner Hand die Eichen gerötet
hatte, eingebüßt; nur ein wunderschön gelegnes Eckchen hatte er sich auf dem
Hombruch gerettet, auf dem er sich ein verfallenes Arbciterhaus zur Wohnung
einrichtete. Höchlichst erstaunt schauten die Deputationen, die ihn zum achtzigsten
Geburtstag beglückwünschten, diese wunderliche Residenz; nur der alte Krupp,
der ihn um dieselbe Zeit einmal besuchte, faud sie ganz in der Ordnung.
Übrigens verhalf ihm in den allerletzten Jahre» seines Lebens' der glückliche
Verkauf einiger erzhaltigen Grundstücke zu einem bescheidnen Wohlstande.

Eine kurze Aufzählung seiner wichtigsten Unternehmungen mag einen Be¬
griff davon geben, was ihm das Vaterland verdankt. Im Jahre 1818 legte
er auf der alten Burg zu Wetter die erste Maschinenfabrik an mit Hilfe von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/66>, abgerufen am 24.07.2024.