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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Sabatiers Übersetzung des Faust

den litterarischen Geschmack im weitern, für das Sprachgefühl im besondern
Sinne.

Wenn die verbündeten Regierungen erkennen, daß das Heer nicht auf der
Höhe der Zeit steht und eine neue Waffe haben muß, lassen sie da das neue
Gewehr anfertigen und stellen es nun den Unteroffizieren anheim, damit zu¬
rechtzukommen? Wenn ich nicht irre, bilden sie zunächst die Unteroffiziere mit
der neuen Waffe aus. und ich möchte fast sagen, sie thun recht daran. Und
wenn diese selben verbündeten Regierungen oder eine von ihnen, in der Regel
die preußische, erkennt, daß die Schule nicht auf der Höhe der Zeit steht,
so -- läßt sie ein neues GeisteSexerzierreglement ausarbeiten und verteilt das
an die Lehrer, auf daß sie neugestärkt und zukunftsfreudig darnach unter¬
richten. Wie sagte eine weise Sibylle auf der Dezemberkonferenz? "Wer er¬
ziehen will, muß selbst erzogen werden." Das heißt, aus der dunkeln Sprache
der Propheten in schlichtes Deutsch übertragen: wer Lehrer werden soll, muß
zum Gelehrten erzogen werden. O heiliger Hinzpeter, spottetest deiner selbst
und wußtest uicht wie!


Paul Harms


sabatiers Übersetzung des Faust

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M)le ein Zeugnis verklungner Tage tritt in einem Augenblick, wo
der Riß zwischen Deutschland und Frankreich immer tiefer und
unausfüllbarer wird, wo man sich in Frankreich verzweifelte
Mühe giebt, das Volk Kants, Goethes und Beethovens zu einer
"barbarischen Rasse" herunterzuschimpfen. das Lebenswerk eines
bedeutenden und geistvollen Franzosen hervor, der alle Gunst seiner Bildung,
seiner Lebenslage und seiner persönlichen Verbindungen als einen Sporn em¬
pfunden hat, seiner Nation eine würdige und bis zu der hier überhaupt mög¬
lichen Vollendung gereifte Übersetzung der Goethischen Faustdichtung zu geben,
in der auch er die Krone aller neuern Litteratur erblickt. Welche Aufnahme
diese Übersetzung von Fran?vis Sabatier*) in Frankreich finden wird und
kaun, müssen wir vor der Hand dahingestellt sein lassen. Die Überlieferung
aus besserer Zeit hat für die gebildeten Franzosen den Namen Goethes ge¬
heiligt, und man sollte denken, daß der außerordentliche Fortschritt, den Sabatier



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suivÄnt Iss rsg'iss als lÄ vsrsiüoa.lion allgwMcks x"r ^ran^vis 8 u. datier. ?aris, I^idrairis
LK. vslssravs, 1893.
Sabatiers Übersetzung des Faust

den litterarischen Geschmack im weitern, für das Sprachgefühl im besondern
Sinne.

Wenn die verbündeten Regierungen erkennen, daß das Heer nicht auf der
Höhe der Zeit steht und eine neue Waffe haben muß, lassen sie da das neue
Gewehr anfertigen und stellen es nun den Unteroffizieren anheim, damit zu¬
rechtzukommen? Wenn ich nicht irre, bilden sie zunächst die Unteroffiziere mit
der neuen Waffe aus. und ich möchte fast sagen, sie thun recht daran. Und
wenn diese selben verbündeten Regierungen oder eine von ihnen, in der Regel
die preußische, erkennt, daß die Schule nicht auf der Höhe der Zeit steht,
so — läßt sie ein neues GeisteSexerzierreglement ausarbeiten und verteilt das
an die Lehrer, auf daß sie neugestärkt und zukunftsfreudig darnach unter¬
richten. Wie sagte eine weise Sibylle auf der Dezemberkonferenz? „Wer er¬
ziehen will, muß selbst erzogen werden." Das heißt, aus der dunkeln Sprache
der Propheten in schlichtes Deutsch übertragen: wer Lehrer werden soll, muß
zum Gelehrten erzogen werden. O heiliger Hinzpeter, spottetest deiner selbst
und wußtest uicht wie!


Paul Harms


sabatiers Übersetzung des Faust

(T^l
VWWM
M)le ein Zeugnis verklungner Tage tritt in einem Augenblick, wo
der Riß zwischen Deutschland und Frankreich immer tiefer und
unausfüllbarer wird, wo man sich in Frankreich verzweifelte
Mühe giebt, das Volk Kants, Goethes und Beethovens zu einer
„barbarischen Rasse" herunterzuschimpfen. das Lebenswerk eines
bedeutenden und geistvollen Franzosen hervor, der alle Gunst seiner Bildung,
seiner Lebenslage und seiner persönlichen Verbindungen als einen Sporn em¬
pfunden hat, seiner Nation eine würdige und bis zu der hier überhaupt mög¬
lichen Vollendung gereifte Übersetzung der Goethischen Faustdichtung zu geben,
in der auch er die Krone aller neuern Litteratur erblickt. Welche Aufnahme
diese Übersetzung von Fran?vis Sabatier*) in Frankreich finden wird und
kaun, müssen wir vor der Hand dahingestellt sein lassen. Die Überlieferung
aus besserer Zeit hat für die gebildeten Franzosen den Namen Goethes ge¬
heiligt, und man sollte denken, daß der außerordentliche Fortschritt, den Sabatier



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[0614] Sabatiers Übersetzung des Faust den litterarischen Geschmack im weitern, für das Sprachgefühl im besondern Sinne. Wenn die verbündeten Regierungen erkennen, daß das Heer nicht auf der Höhe der Zeit steht und eine neue Waffe haben muß, lassen sie da das neue Gewehr anfertigen und stellen es nun den Unteroffizieren anheim, damit zu¬ rechtzukommen? Wenn ich nicht irre, bilden sie zunächst die Unteroffiziere mit der neuen Waffe aus. und ich möchte fast sagen, sie thun recht daran. Und wenn diese selben verbündeten Regierungen oder eine von ihnen, in der Regel die preußische, erkennt, daß die Schule nicht auf der Höhe der Zeit steht, so — läßt sie ein neues GeisteSexerzierreglement ausarbeiten und verteilt das an die Lehrer, auf daß sie neugestärkt und zukunftsfreudig darnach unter¬ richten. Wie sagte eine weise Sibylle auf der Dezemberkonferenz? „Wer er¬ ziehen will, muß selbst erzogen werden." Das heißt, aus der dunkeln Sprache der Propheten in schlichtes Deutsch übertragen: wer Lehrer werden soll, muß zum Gelehrten erzogen werden. O heiliger Hinzpeter, spottetest deiner selbst und wußtest uicht wie! Paul Harms sabatiers Übersetzung des Faust (T^l VWWM M)le ein Zeugnis verklungner Tage tritt in einem Augenblick, wo der Riß zwischen Deutschland und Frankreich immer tiefer und unausfüllbarer wird, wo man sich in Frankreich verzweifelte Mühe giebt, das Volk Kants, Goethes und Beethovens zu einer „barbarischen Rasse" herunterzuschimpfen. das Lebenswerk eines bedeutenden und geistvollen Franzosen hervor, der alle Gunst seiner Bildung, seiner Lebenslage und seiner persönlichen Verbindungen als einen Sporn em¬ pfunden hat, seiner Nation eine würdige und bis zu der hier überhaupt mög¬ lichen Vollendung gereifte Übersetzung der Goethischen Faustdichtung zu geben, in der auch er die Krone aller neuern Litteratur erblickt. Welche Aufnahme diese Übersetzung von Fran?vis Sabatier*) in Frankreich finden wird und kaun, müssen wir vor der Hand dahingestellt sein lassen. Die Überlieferung aus besserer Zeit hat für die gebildeten Franzosen den Namen Goethes ge¬ heiligt, und man sollte denken, daß der außerordentliche Fortschritt, den Sabatier I,g ?ÄU3t as (rostds. 'I'rs,ä>ut SII ^rar>?!Ü8 äg,r»g ig Illötrs <is I'ori^ni!»! ot suivÄnt Iss rsg'iss als lÄ vsrsiüoa.lion allgwMcks x»r ^ran^vis 8 u. datier. ?aris, I^idrairis LK. vslssravs, 1893.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/614>, abgerufen am 23.07.2024.