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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Zweijährige und einjährige Dienstpflicht

spiele Motum (mit Silurum) ganz anerkennenswerte Schuleinrichtungen ge¬
funden habe.

Aber die Kosten? Diese werden natürlich sehr beträchtlich sein und das
Volköschulbndget im Staatshaushalte würdig neben dem des Militärs auf¬
treten lassen. Dem "Moloch" Militärbudget würde sei" erschreckendes Aus¬
sehen dadurch etwas gemildert werden, voraussichtlich würde er aber auch,
wie schou angedeutet, wegen der durch die bessere Volksbildung gegebnen Ver¬
hältnisse in Wirklichkeit beschnitten werden können, und zwar, wie zu hoffen
ist, um fast eben so viel, als das Volksschulwesen erhöhte Anforderungen
stellen würde. Wohl mögen, nach vollkommner Durchführung solcher Schul¬
reform, bei der eine wesentliche Ausbesserung der Lehrerbesoldungen nicht würde
umgangen werden können, die jährlichen Erhaltungskosten 50 bis 75 Millionen
Mark mehr betragen. Solche Summe, höre ich da schon im Geiste entgegnen,
kann unser "armes" Deutschland dafür nie aufbringen! Kann es das wirklich
uicht? frage ich Armer dagegen; kann es das nicht thun zur Hebung nicht
allein der Wehrkraft, sondern viel mehr noch der Nahr- und Erwerbskräfte,
sowie des allgemeinen Bildnngsstandes und der Volksintelligenz?

Dieses Unvermögen will mir uicht einleuchten nach der Erfahrung, daß
schon die nach neuer Art eingeschützte und nach Leistungsfähigkeit steigende
Einkommensteuer in Preußen ein Mehr von gegen vierzig Millionen gebracht
hat. Es dürfte wohl nur auf die gerechte und billige Verteilung der Staats¬
lasten ankommen. Wenn nun schon die jetzige Art der Entlastung der ge¬
ringern Einkommen in Preußen so süße Früchte gezeitigt hat, welche Früchte
sind da erst zu erwarten, wenn mit der gerechtern Verteilung der Lasten nicht
ans halbem Wege stehen geblieben wird; ich meine, wenn die viel schreiendere
Ungerechtigkeit gehoben wird, der das jetzige Gesetz in ganz ungenügender
Weise in seinen ^ 18 und 19 begegnet, nämlich daß der, dessen Einkommen
nur ihm selbst zu gute kommt, dies nicht höher zu versteuern braucht, als
der, der eine vielköpfige Familie davon unterhalten muß? Es wird also wohl
uur auf den guten Willen und die Tüchtigkeit unsrer Staatsmänner ankommen,
ob wir jenes schöne Ziel erreichen oder nicht, das doch wohl des Schweißes
der Edeln wert ist.




Zweijährige und einjährige Dienstpflicht

spiele Motum (mit Silurum) ganz anerkennenswerte Schuleinrichtungen ge¬
funden habe.

Aber die Kosten? Diese werden natürlich sehr beträchtlich sein und das
Volköschulbndget im Staatshaushalte würdig neben dem des Militärs auf¬
treten lassen. Dem „Moloch" Militärbudget würde sei» erschreckendes Aus¬
sehen dadurch etwas gemildert werden, voraussichtlich würde er aber auch,
wie schou angedeutet, wegen der durch die bessere Volksbildung gegebnen Ver¬
hältnisse in Wirklichkeit beschnitten werden können, und zwar, wie zu hoffen
ist, um fast eben so viel, als das Volksschulwesen erhöhte Anforderungen
stellen würde. Wohl mögen, nach vollkommner Durchführung solcher Schul¬
reform, bei der eine wesentliche Ausbesserung der Lehrerbesoldungen nicht würde
umgangen werden können, die jährlichen Erhaltungskosten 50 bis 75 Millionen
Mark mehr betragen. Solche Summe, höre ich da schon im Geiste entgegnen,
kann unser „armes" Deutschland dafür nie aufbringen! Kann es das wirklich
uicht? frage ich Armer dagegen; kann es das nicht thun zur Hebung nicht
allein der Wehrkraft, sondern viel mehr noch der Nahr- und Erwerbskräfte,
sowie des allgemeinen Bildnngsstandes und der Volksintelligenz?

Dieses Unvermögen will mir uicht einleuchten nach der Erfahrung, daß
schon die nach neuer Art eingeschützte und nach Leistungsfähigkeit steigende
Einkommensteuer in Preußen ein Mehr von gegen vierzig Millionen gebracht
hat. Es dürfte wohl nur auf die gerechte und billige Verteilung der Staats¬
lasten ankommen. Wenn nun schon die jetzige Art der Entlastung der ge¬
ringern Einkommen in Preußen so süße Früchte gezeitigt hat, welche Früchte
sind da erst zu erwarten, wenn mit der gerechtern Verteilung der Lasten nicht
ans halbem Wege stehen geblieben wird; ich meine, wenn die viel schreiendere
Ungerechtigkeit gehoben wird, der das jetzige Gesetz in ganz ungenügender
Weise in seinen ^ 18 und 19 begegnet, nämlich daß der, dessen Einkommen
nur ihm selbst zu gute kommt, dies nicht höher zu versteuern braucht, als
der, der eine vielköpfige Familie davon unterhalten muß? Es wird also wohl
uur auf den guten Willen und die Tüchtigkeit unsrer Staatsmänner ankommen,
ob wir jenes schöne Ziel erreichen oder nicht, das doch wohl des Schweißes
der Edeln wert ist.




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[0592] Zweijährige und einjährige Dienstpflicht spiele Motum (mit Silurum) ganz anerkennenswerte Schuleinrichtungen ge¬ funden habe. Aber die Kosten? Diese werden natürlich sehr beträchtlich sein und das Volköschulbndget im Staatshaushalte würdig neben dem des Militärs auf¬ treten lassen. Dem „Moloch" Militärbudget würde sei» erschreckendes Aus¬ sehen dadurch etwas gemildert werden, voraussichtlich würde er aber auch, wie schou angedeutet, wegen der durch die bessere Volksbildung gegebnen Ver¬ hältnisse in Wirklichkeit beschnitten werden können, und zwar, wie zu hoffen ist, um fast eben so viel, als das Volksschulwesen erhöhte Anforderungen stellen würde. Wohl mögen, nach vollkommner Durchführung solcher Schul¬ reform, bei der eine wesentliche Ausbesserung der Lehrerbesoldungen nicht würde umgangen werden können, die jährlichen Erhaltungskosten 50 bis 75 Millionen Mark mehr betragen. Solche Summe, höre ich da schon im Geiste entgegnen, kann unser „armes" Deutschland dafür nie aufbringen! Kann es das wirklich uicht? frage ich Armer dagegen; kann es das nicht thun zur Hebung nicht allein der Wehrkraft, sondern viel mehr noch der Nahr- und Erwerbskräfte, sowie des allgemeinen Bildnngsstandes und der Volksintelligenz? Dieses Unvermögen will mir uicht einleuchten nach der Erfahrung, daß schon die nach neuer Art eingeschützte und nach Leistungsfähigkeit steigende Einkommensteuer in Preußen ein Mehr von gegen vierzig Millionen gebracht hat. Es dürfte wohl nur auf die gerechte und billige Verteilung der Staats¬ lasten ankommen. Wenn nun schon die jetzige Art der Entlastung der ge¬ ringern Einkommen in Preußen so süße Früchte gezeitigt hat, welche Früchte sind da erst zu erwarten, wenn mit der gerechtern Verteilung der Lasten nicht ans halbem Wege stehen geblieben wird; ich meine, wenn die viel schreiendere Ungerechtigkeit gehoben wird, der das jetzige Gesetz in ganz ungenügender Weise in seinen ^ 18 und 19 begegnet, nämlich daß der, dessen Einkommen nur ihm selbst zu gute kommt, dies nicht höher zu versteuern braucht, als der, der eine vielköpfige Familie davon unterhalten muß? Es wird also wohl uur auf den guten Willen und die Tüchtigkeit unsrer Staatsmänner ankommen, ob wir jenes schöne Ziel erreichen oder nicht, das doch wohl des Schweißes der Edeln wert ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/592>, abgerufen am 23.07.2024.