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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Aus den Tagebücher" Theodor von Bernhardis

Der Herzog meint, Garibaldi werde doch siegen, "es ist kein Zug mehr
in der österreichischen Armee!"

Ich: Sie verlangt doch aber sehr und leidenschaftlich darnach, die Scharte
vom vorigen Jahr auszuwetzen. Setzen wir den Fall, Osterreich siegt im
Kampfe gegen Garibaldi, wird es dann in der Verfolgung am Po stehen
bleiben? Thut es das, so fangt die Geschichte immer wieder von vorn an,
sobald Garibaldi seine Scharen in dem nahen Bologna wieder reorganisirt hat,
d. h. nach einigen Wochen. Verfolgt Iihn?> Österreich über den Po hinaus,
auf sardinischen Boden, dann ist der allgemeine Krieg augenblicklich da!

Der Herzog zuckt die Achseln.

Der Orient. Der Herzog bestätigt mir, was sich ohnehin alle Welt sagt,
daß Napoleon III. die Christen (Maroniten) im Libanon in der Hoffnung auf
den Rückschlag hat aufhetzen lasten, die Muhammedaner anzufallen. Napo¬
leon III. hat aber auch zu gleicher Zeit durch feine Agenten die Muhamme-
daner vor dem Angriff warnen und sie gegen die Christen aufhetzen lassen.
Ein Freund des Herzogs, der ein leidenschaftlicher Jäger ist, hat im Atlas
Jagden von den Arabern gepachtet und jagt dort mit den arabischen Sehens
zusaiiuuen. Dort im Atlas haben ihm die Sehens lange vor dem Ausbruch
gesagt, was in Syrien bevorstand. Ebenso haben es Muhammedaner in In¬
dien dem Mr. Oliphant vorhergesagt. Oliphant, der vor kurzem hier in Rein-
hardsbrunn war, bezeugt es selbst.

Ich: das wundert mich nicht, denn die Muhammedaner hängen in der
ganzen Welt zusammen, wie die Freimaurer und die Juden. Was mich
wundert, ist, daß Napoleon zu gleicher Zeit Pläne verfolgt, die mit einander
im geraden Widerspruch stehen; daß er mit Nußland im Bunde den Orient
aufregen will und zugleich in Polen wühlen läßt. Denn daß die Polen
nicht wie verständige Leute innerhalb der vorgeschriebnen Grenzen bleiben, sich
nicht bloß im preußischen und österreichischen Polen regen würden, sondern
auch, und zwar vorzugsweise im russischen, daß sie auf diese Weise das Bündnis
mit Nußland gefährden, ja unmöglich machen würden und Napoleon III. sein
Spiel verderben, das hätte er vorhersehen können.*)

Ich bringe auch die Reform der preußischen Armee zur Sprache. Der
Herzog will sie nicht ganz billigen; er kommt darauf zurück: das "volkstüm¬
liche Element" sei der Armee in der Landwehr genommen, besteht aber nicht
weiter darauf, da ich geltend mache, es komme doch vor allen Dingen darauf
an, eine Armee zu haben, die zuverlässig ist und sich tüchtig schlägt, und frage,
ob man das wohl von unsern schlestschen Landwehrbataillvnen erwarten könne,
die zu vier Fünfteln, oder vollends von den rheinischen, die zu sieben Achteln
aus verheirateten Familienvätern bestehen?



*) Diese Voraussetzung traf bekanntlich schon wenige Jahre spater ein.
Aus den Tagebücher» Theodor von Bernhardis

Der Herzog meint, Garibaldi werde doch siegen, „es ist kein Zug mehr
in der österreichischen Armee!"

Ich: Sie verlangt doch aber sehr und leidenschaftlich darnach, die Scharte
vom vorigen Jahr auszuwetzen. Setzen wir den Fall, Osterreich siegt im
Kampfe gegen Garibaldi, wird es dann in der Verfolgung am Po stehen
bleiben? Thut es das, so fangt die Geschichte immer wieder von vorn an,
sobald Garibaldi seine Scharen in dem nahen Bologna wieder reorganisirt hat,
d. h. nach einigen Wochen. Verfolgt Iihn?> Österreich über den Po hinaus,
auf sardinischen Boden, dann ist der allgemeine Krieg augenblicklich da!

Der Herzog zuckt die Achseln.

Der Orient. Der Herzog bestätigt mir, was sich ohnehin alle Welt sagt,
daß Napoleon III. die Christen (Maroniten) im Libanon in der Hoffnung auf
den Rückschlag hat aufhetzen lasten, die Muhammedaner anzufallen. Napo¬
leon III. hat aber auch zu gleicher Zeit durch feine Agenten die Muhamme-
daner vor dem Angriff warnen und sie gegen die Christen aufhetzen lassen.
Ein Freund des Herzogs, der ein leidenschaftlicher Jäger ist, hat im Atlas
Jagden von den Arabern gepachtet und jagt dort mit den arabischen Sehens
zusaiiuuen. Dort im Atlas haben ihm die Sehens lange vor dem Ausbruch
gesagt, was in Syrien bevorstand. Ebenso haben es Muhammedaner in In¬
dien dem Mr. Oliphant vorhergesagt. Oliphant, der vor kurzem hier in Rein-
hardsbrunn war, bezeugt es selbst.

Ich: das wundert mich nicht, denn die Muhammedaner hängen in der
ganzen Welt zusammen, wie die Freimaurer und die Juden. Was mich
wundert, ist, daß Napoleon zu gleicher Zeit Pläne verfolgt, die mit einander
im geraden Widerspruch stehen; daß er mit Nußland im Bunde den Orient
aufregen will und zugleich in Polen wühlen läßt. Denn daß die Polen
nicht wie verständige Leute innerhalb der vorgeschriebnen Grenzen bleiben, sich
nicht bloß im preußischen und österreichischen Polen regen würden, sondern
auch, und zwar vorzugsweise im russischen, daß sie auf diese Weise das Bündnis
mit Nußland gefährden, ja unmöglich machen würden und Napoleon III. sein
Spiel verderben, das hätte er vorhersehen können.*)

Ich bringe auch die Reform der preußischen Armee zur Sprache. Der
Herzog will sie nicht ganz billigen; er kommt darauf zurück: das „volkstüm¬
liche Element" sei der Armee in der Landwehr genommen, besteht aber nicht
weiter darauf, da ich geltend mache, es komme doch vor allen Dingen darauf
an, eine Armee zu haben, die zuverlässig ist und sich tüchtig schlägt, und frage,
ob man das wohl von unsern schlestschen Landwehrbataillvnen erwarten könne,
die zu vier Fünfteln, oder vollends von den rheinischen, die zu sieben Achteln
aus verheirateten Familienvätern bestehen?



*) Diese Voraussetzung traf bekanntlich schon wenige Jahre spater ein.
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[0563] Aus den Tagebücher» Theodor von Bernhardis Der Herzog meint, Garibaldi werde doch siegen, „es ist kein Zug mehr in der österreichischen Armee!" Ich: Sie verlangt doch aber sehr und leidenschaftlich darnach, die Scharte vom vorigen Jahr auszuwetzen. Setzen wir den Fall, Osterreich siegt im Kampfe gegen Garibaldi, wird es dann in der Verfolgung am Po stehen bleiben? Thut es das, so fangt die Geschichte immer wieder von vorn an, sobald Garibaldi seine Scharen in dem nahen Bologna wieder reorganisirt hat, d. h. nach einigen Wochen. Verfolgt Iihn?> Österreich über den Po hinaus, auf sardinischen Boden, dann ist der allgemeine Krieg augenblicklich da! Der Herzog zuckt die Achseln. Der Orient. Der Herzog bestätigt mir, was sich ohnehin alle Welt sagt, daß Napoleon III. die Christen (Maroniten) im Libanon in der Hoffnung auf den Rückschlag hat aufhetzen lasten, die Muhammedaner anzufallen. Napo¬ leon III. hat aber auch zu gleicher Zeit durch feine Agenten die Muhamme- daner vor dem Angriff warnen und sie gegen die Christen aufhetzen lassen. Ein Freund des Herzogs, der ein leidenschaftlicher Jäger ist, hat im Atlas Jagden von den Arabern gepachtet und jagt dort mit den arabischen Sehens zusaiiuuen. Dort im Atlas haben ihm die Sehens lange vor dem Ausbruch gesagt, was in Syrien bevorstand. Ebenso haben es Muhammedaner in In¬ dien dem Mr. Oliphant vorhergesagt. Oliphant, der vor kurzem hier in Rein- hardsbrunn war, bezeugt es selbst. Ich: das wundert mich nicht, denn die Muhammedaner hängen in der ganzen Welt zusammen, wie die Freimaurer und die Juden. Was mich wundert, ist, daß Napoleon zu gleicher Zeit Pläne verfolgt, die mit einander im geraden Widerspruch stehen; daß er mit Nußland im Bunde den Orient aufregen will und zugleich in Polen wühlen läßt. Denn daß die Polen nicht wie verständige Leute innerhalb der vorgeschriebnen Grenzen bleiben, sich nicht bloß im preußischen und österreichischen Polen regen würden, sondern auch, und zwar vorzugsweise im russischen, daß sie auf diese Weise das Bündnis mit Nußland gefährden, ja unmöglich machen würden und Napoleon III. sein Spiel verderben, das hätte er vorhersehen können.*) Ich bringe auch die Reform der preußischen Armee zur Sprache. Der Herzog will sie nicht ganz billigen; er kommt darauf zurück: das „volkstüm¬ liche Element" sei der Armee in der Landwehr genommen, besteht aber nicht weiter darauf, da ich geltend mache, es komme doch vor allen Dingen darauf an, eine Armee zu haben, die zuverlässig ist und sich tüchtig schlägt, und frage, ob man das wohl von unsern schlestschen Landwehrbataillvnen erwarten könne, die zu vier Fünfteln, oder vollends von den rheinischen, die zu sieben Achteln aus verheirateten Familienvätern bestehen? *) Diese Voraussetzung traf bekanntlich schon wenige Jahre spater ein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/563>, abgerufen am 23.07.2024.