Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Aus den Tagebüchern Theodor von Bernhardts

gefühl der Deutschen zu steigern. Dazu trage der Nationalverein bei; so lange
dieser sich innerhalb der gesetzlichen Schranken halte, sei kein Grund, ihm den
Schutz zu versagen. Er hat darauf von allen vieren schnöde Antworten er¬
halten, die ihn noch jetzt in der Erinnerung ärgern. Sein Kabinetssekretür
soll sie mir morgen mitteilen, damit ich sehe, in was sür heillosen Ansichten
die Herren befangen sind.

Die Zusammenkunft in Teplitz ist dann auch von den drei liberalen Fürsten
herbeigeführt worden. Der Herzog hat erst den Prinzregenten beredet, darauf
einzugehen, wenn sie vorgeschlagen würde, und dann in Wien zu verstehen ge¬
geben, daß der Regent eine Einladung dazu wohl annehmen werde. Wien
griff gleich mit Freuden zu, die Einladung erfolgte. Da sich aber der Priuz-
regeut die Anwesenheit der vier Könige in Teplitz verbat, konnte auch die libe¬
rale Fürstentrias dort nicht erscheinen; indessen wird doch zwischen ihr, nament¬
lich dem Herzog und dem Regenten verabredet, was dieser letztere dort den
Österreichern sagen soll.

Man bringt den Prinzregenteu dahin, zu sagen, was ihm, wie der Herzog
meint, sehr schwer fiel; er sei der Regent eines konstitutionellen Staates und
er müsse auf die öffentliche Meinung in Preußen Rücksicht nehmen. Das wird
ihm schwer, aber er thut es. Der Regent hat ferner den Österreichern gesagt:
"Ihr wollt, daß wir euch helfen sollen in Italien. Das müßt ihr selbst uns
erst möglich machen, indem ihr die öffentliche Meinung in Preußen versöhnt
durch liberalen Fortschritt im Innern der österreichischen Monarchie, durch
Gleichstellung der Protestanten mit den Katholiken und dadurch, daß ihr die
Würzburger nicht unterstützt und uns gewähren laßt am Bundestage."

Soweit war alles ganz gut. Leider aber hat mau dann die Österreicher
aus Teplitz fortgelassen, ohne bestimmte, unterschriebne Verträge erlangt zu
haben. Die Österreicher haben zwar dort gesprächsweise allen diesen Forde¬
rungen zugestimmt und das allerschönste versprochen, aber mit der Absicht,
nichts zu halten und Preußen doch zu kompromittiren, es doch hineinzuziehen
in die Kämpfe, die ihnen bevorstehen. Wie wenig sie Wort zu halten gedenken,
beweist gleich das allererste, was sie nach der Teplitzer Zusammenkunft gethan
haben: der Erlaß wegen des Begräbnisses der protestantischen Soldaten.

Der Herzog meint, Venetien müßten wir haben und behaupten, um das
südliche Deutschland verteidigen zu können; durch Venetien seien alle unsre
strategischen Stellungen im südlichen Deutschland umgangen. Ich spreche,
natürlich vorsichtig, als Notbehelf, wenn etwa das Venetianische doch nicht zu
behaupten sein sollte, von der sehr starken Verteidigungslinie, die sich am
Jsonzo einrichten lasse mit Görz, Vliland, Klagenfurt, Laibach, Marburg und
Brück an der Mur als Festungen. Aber er achtet gar nicht darauf, lehnt
es unendlich weit ab, ohne recht darnach hinzuhören.

Übrigens ist der Herzog überzeugt, daß Österreich seinem Untergang ent-


Aus den Tagebüchern Theodor von Bernhardts

gefühl der Deutschen zu steigern. Dazu trage der Nationalverein bei; so lange
dieser sich innerhalb der gesetzlichen Schranken halte, sei kein Grund, ihm den
Schutz zu versagen. Er hat darauf von allen vieren schnöde Antworten er¬
halten, die ihn noch jetzt in der Erinnerung ärgern. Sein Kabinetssekretür
soll sie mir morgen mitteilen, damit ich sehe, in was sür heillosen Ansichten
die Herren befangen sind.

Die Zusammenkunft in Teplitz ist dann auch von den drei liberalen Fürsten
herbeigeführt worden. Der Herzog hat erst den Prinzregenten beredet, darauf
einzugehen, wenn sie vorgeschlagen würde, und dann in Wien zu verstehen ge¬
geben, daß der Regent eine Einladung dazu wohl annehmen werde. Wien
griff gleich mit Freuden zu, die Einladung erfolgte. Da sich aber der Priuz-
regeut die Anwesenheit der vier Könige in Teplitz verbat, konnte auch die libe¬
rale Fürstentrias dort nicht erscheinen; indessen wird doch zwischen ihr, nament¬
lich dem Herzog und dem Regenten verabredet, was dieser letztere dort den
Österreichern sagen soll.

Man bringt den Prinzregenteu dahin, zu sagen, was ihm, wie der Herzog
meint, sehr schwer fiel; er sei der Regent eines konstitutionellen Staates und
er müsse auf die öffentliche Meinung in Preußen Rücksicht nehmen. Das wird
ihm schwer, aber er thut es. Der Regent hat ferner den Österreichern gesagt:
„Ihr wollt, daß wir euch helfen sollen in Italien. Das müßt ihr selbst uns
erst möglich machen, indem ihr die öffentliche Meinung in Preußen versöhnt
durch liberalen Fortschritt im Innern der österreichischen Monarchie, durch
Gleichstellung der Protestanten mit den Katholiken und dadurch, daß ihr die
Würzburger nicht unterstützt und uns gewähren laßt am Bundestage."

Soweit war alles ganz gut. Leider aber hat mau dann die Österreicher
aus Teplitz fortgelassen, ohne bestimmte, unterschriebne Verträge erlangt zu
haben. Die Österreicher haben zwar dort gesprächsweise allen diesen Forde¬
rungen zugestimmt und das allerschönste versprochen, aber mit der Absicht,
nichts zu halten und Preußen doch zu kompromittiren, es doch hineinzuziehen
in die Kämpfe, die ihnen bevorstehen. Wie wenig sie Wort zu halten gedenken,
beweist gleich das allererste, was sie nach der Teplitzer Zusammenkunft gethan
haben: der Erlaß wegen des Begräbnisses der protestantischen Soldaten.

Der Herzog meint, Venetien müßten wir haben und behaupten, um das
südliche Deutschland verteidigen zu können; durch Venetien seien alle unsre
strategischen Stellungen im südlichen Deutschland umgangen. Ich spreche,
natürlich vorsichtig, als Notbehelf, wenn etwa das Venetianische doch nicht zu
behaupten sein sollte, von der sehr starken Verteidigungslinie, die sich am
Jsonzo einrichten lasse mit Görz, Vliland, Klagenfurt, Laibach, Marburg und
Brück an der Mur als Festungen. Aber er achtet gar nicht darauf, lehnt
es unendlich weit ab, ohne recht darnach hinzuhören.

Übrigens ist der Herzog überzeugt, daß Österreich seinem Untergang ent-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0561" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215016"/>
            <fw type="header" place="top"> Aus den Tagebüchern Theodor von Bernhardts</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_2164" prev="#ID_2163"> gefühl der Deutschen zu steigern. Dazu trage der Nationalverein bei; so lange<lb/>
dieser sich innerhalb der gesetzlichen Schranken halte, sei kein Grund, ihm den<lb/>
Schutz zu versagen. Er hat darauf von allen vieren schnöde Antworten er¬<lb/>
halten, die ihn noch jetzt in der Erinnerung ärgern. Sein Kabinetssekretür<lb/>
soll sie mir morgen mitteilen, damit ich sehe, in was sür heillosen Ansichten<lb/>
die Herren befangen sind.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2165"> Die Zusammenkunft in Teplitz ist dann auch von den drei liberalen Fürsten<lb/>
herbeigeführt worden. Der Herzog hat erst den Prinzregenten beredet, darauf<lb/>
einzugehen, wenn sie vorgeschlagen würde, und dann in Wien zu verstehen ge¬<lb/>
geben, daß der Regent eine Einladung dazu wohl annehmen werde. Wien<lb/>
griff gleich mit Freuden zu, die Einladung erfolgte. Da sich aber der Priuz-<lb/>
regeut die Anwesenheit der vier Könige in Teplitz verbat, konnte auch die libe¬<lb/>
rale Fürstentrias dort nicht erscheinen; indessen wird doch zwischen ihr, nament¬<lb/>
lich dem Herzog und dem Regenten verabredet, was dieser letztere dort den<lb/>
Österreichern sagen soll.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2166"> Man bringt den Prinzregenteu dahin, zu sagen, was ihm, wie der Herzog<lb/>
meint, sehr schwer fiel; er sei der Regent eines konstitutionellen Staates und<lb/>
er müsse auf die öffentliche Meinung in Preußen Rücksicht nehmen. Das wird<lb/>
ihm schwer, aber er thut es. Der Regent hat ferner den Österreichern gesagt:<lb/>
&#x201E;Ihr wollt, daß wir euch helfen sollen in Italien. Das müßt ihr selbst uns<lb/>
erst möglich machen, indem ihr die öffentliche Meinung in Preußen versöhnt<lb/>
durch liberalen Fortschritt im Innern der österreichischen Monarchie, durch<lb/>
Gleichstellung der Protestanten mit den Katholiken und dadurch, daß ihr die<lb/>
Würzburger nicht unterstützt und uns gewähren laßt am Bundestage."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2167"> Soweit war alles ganz gut. Leider aber hat mau dann die Österreicher<lb/>
aus Teplitz fortgelassen, ohne bestimmte, unterschriebne Verträge erlangt zu<lb/>
haben. Die Österreicher haben zwar dort gesprächsweise allen diesen Forde¬<lb/>
rungen zugestimmt und das allerschönste versprochen, aber mit der Absicht,<lb/>
nichts zu halten und Preußen doch zu kompromittiren, es doch hineinzuziehen<lb/>
in die Kämpfe, die ihnen bevorstehen. Wie wenig sie Wort zu halten gedenken,<lb/>
beweist gleich das allererste, was sie nach der Teplitzer Zusammenkunft gethan<lb/>
haben: der Erlaß wegen des Begräbnisses der protestantischen Soldaten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2168"> Der Herzog meint, Venetien müßten wir haben und behaupten, um das<lb/>
südliche Deutschland verteidigen zu können; durch Venetien seien alle unsre<lb/>
strategischen Stellungen im südlichen Deutschland umgangen. Ich spreche,<lb/>
natürlich vorsichtig, als Notbehelf, wenn etwa das Venetianische doch nicht zu<lb/>
behaupten sein sollte, von der sehr starken Verteidigungslinie, die sich am<lb/>
Jsonzo einrichten lasse mit Görz, Vliland, Klagenfurt, Laibach, Marburg und<lb/>
Brück an der Mur als Festungen. Aber er achtet gar nicht darauf, lehnt<lb/>
es unendlich weit ab, ohne recht darnach hinzuhören.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2169" next="#ID_2170"> Übrigens ist der Herzog überzeugt, daß Österreich seinem Untergang ent-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0561] Aus den Tagebüchern Theodor von Bernhardts gefühl der Deutschen zu steigern. Dazu trage der Nationalverein bei; so lange dieser sich innerhalb der gesetzlichen Schranken halte, sei kein Grund, ihm den Schutz zu versagen. Er hat darauf von allen vieren schnöde Antworten er¬ halten, die ihn noch jetzt in der Erinnerung ärgern. Sein Kabinetssekretür soll sie mir morgen mitteilen, damit ich sehe, in was sür heillosen Ansichten die Herren befangen sind. Die Zusammenkunft in Teplitz ist dann auch von den drei liberalen Fürsten herbeigeführt worden. Der Herzog hat erst den Prinzregenten beredet, darauf einzugehen, wenn sie vorgeschlagen würde, und dann in Wien zu verstehen ge¬ geben, daß der Regent eine Einladung dazu wohl annehmen werde. Wien griff gleich mit Freuden zu, die Einladung erfolgte. Da sich aber der Priuz- regeut die Anwesenheit der vier Könige in Teplitz verbat, konnte auch die libe¬ rale Fürstentrias dort nicht erscheinen; indessen wird doch zwischen ihr, nament¬ lich dem Herzog und dem Regenten verabredet, was dieser letztere dort den Österreichern sagen soll. Man bringt den Prinzregenteu dahin, zu sagen, was ihm, wie der Herzog meint, sehr schwer fiel; er sei der Regent eines konstitutionellen Staates und er müsse auf die öffentliche Meinung in Preußen Rücksicht nehmen. Das wird ihm schwer, aber er thut es. Der Regent hat ferner den Österreichern gesagt: „Ihr wollt, daß wir euch helfen sollen in Italien. Das müßt ihr selbst uns erst möglich machen, indem ihr die öffentliche Meinung in Preußen versöhnt durch liberalen Fortschritt im Innern der österreichischen Monarchie, durch Gleichstellung der Protestanten mit den Katholiken und dadurch, daß ihr die Würzburger nicht unterstützt und uns gewähren laßt am Bundestage." Soweit war alles ganz gut. Leider aber hat mau dann die Österreicher aus Teplitz fortgelassen, ohne bestimmte, unterschriebne Verträge erlangt zu haben. Die Österreicher haben zwar dort gesprächsweise allen diesen Forde¬ rungen zugestimmt und das allerschönste versprochen, aber mit der Absicht, nichts zu halten und Preußen doch zu kompromittiren, es doch hineinzuziehen in die Kämpfe, die ihnen bevorstehen. Wie wenig sie Wort zu halten gedenken, beweist gleich das allererste, was sie nach der Teplitzer Zusammenkunft gethan haben: der Erlaß wegen des Begräbnisses der protestantischen Soldaten. Der Herzog meint, Venetien müßten wir haben und behaupten, um das südliche Deutschland verteidigen zu können; durch Venetien seien alle unsre strategischen Stellungen im südlichen Deutschland umgangen. Ich spreche, natürlich vorsichtig, als Notbehelf, wenn etwa das Venetianische doch nicht zu behaupten sein sollte, von der sehr starken Verteidigungslinie, die sich am Jsonzo einrichten lasse mit Görz, Vliland, Klagenfurt, Laibach, Marburg und Brück an der Mur als Festungen. Aber er achtet gar nicht darauf, lehnt es unendlich weit ab, ohne recht darnach hinzuhören. Übrigens ist der Herzog überzeugt, daß Österreich seinem Untergang ent-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/561
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/561>, abgerufen am 23.07.2024.