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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Gunsten, da können wir unmöglich mitcigitiren! Wir verderben das Ganze,
erwecken Mißtrauen gegen die Bewegung und geben der von Osterreich be¬
soldeten süddeutschen Presse die erwünschte Veranlassung, die ganze Bewegung
zu verdächtigen.

Der Herzog erzählt die Fürstenzusammenkunft in Baden-Baden. Sie
war nicht zu vermeiden. Als der Regent nach Trier ging, verlangte Napo¬
leon III. eine Zusammenkunft mit ihm, sie wurde abgelehnt unter dem Vor-
wande, der Regent könne nur kurze Zeit dort verweilen. Dann verlangte
Napoleon III. eine Zusammenkunft in Ostende, die Antwort war: der Regent
gehe gar nicht nach Ostende. Als Napoleon III. sie zum drittenmale in Baden-
Baden in Vorschlag brachte, konnte sie nicht abgelehnt werden. Daß die Sache
sich so gut machte, daß die sämtlichen deutscheu Fürsten anwesend waren, war
mehr Zufall als Plan. Mancherlei kam zusammen. Der Großherzog von
Baden war ohnehin als Landesherr zur Stelle. Der König von Württem¬
berg kam unter dem Vorwande, das Bad zu brauchen, und war schon da; er
blieb, um die Sache zu beobachten. Der König von Baiern kam ungerufen
auch unter dem Vorgeben, das Bad zu brauchen, und blieb vier Wochen. Der
König von Hannover kam eiligst nach Berlin, um ganz unaufgefordert seiue
Teilnahme anzubieten; die Antwort des Regenten war: er könne ihm nicht
verbieten, ganz nach seinem Belieben nach Baden zu reisen, nach einer Stadt,
die nicht einmal auf preußischem Gebiete liege. Nun war von den deutscheu
Königen nur uoch Sachsen übrig, und es wäre unter diesen Umständen
geradezu auffallend gewesen, wenn es von der Zusammenkunft ausgeschlossen
blieb. In dieser Erwägung erging an den König von Sachsen -- an ihn
allein -- die ausdrückliche Aufforderung des Regenten, der Zusammenkunft in
Baden beizuwohnen.

Den Herzog wollte man ausdrücklich nicht dort haben. Der Fürst Hohen-
zollern bat ihn durch den Telegraphen, nicht zu kommen. Gerade deshalb
reiste der Herzog nach Baden, Usedom, den er auf der Durchreise in Frank¬
furt sah, war darüber fast außer sich. Der Herzog meint, Usedom war da¬
mals noch nicht geheilt von der Idee, man könne in gutem Einvernehmen mit
Napoleon III. leben und die Freundschaft mit ihm zur Vergrößerung Preußens
benutzen, und fürchtete, der Herzog werde mit seinem deutschen Patriotismus
alles verderben!

In Baden bildete sich sogleich ein besondrer kleiner Kreis von Fürsten,
der den andern gegenüber "das liberale Element repräsentirte"; er bestand aus
dem Herzog und den beiden Grvßherzögen von Baden und Sachsen-Weimar.

Noch vor der Ankunft Napoleons III. verpflichteten sich die deutschen
Souveräne auf Ehrenwort gegen einander, ihm alle genau dasselbe zu sagen,
im wesentlichen: c>u'on us äoilianäM misux, aus als rsswr su xg.ix, aber
dazu müßten die französischen Wühlereien in Deutschland aufhören.


Gunsten, da können wir unmöglich mitcigitiren! Wir verderben das Ganze,
erwecken Mißtrauen gegen die Bewegung und geben der von Osterreich be¬
soldeten süddeutschen Presse die erwünschte Veranlassung, die ganze Bewegung
zu verdächtigen.

Der Herzog erzählt die Fürstenzusammenkunft in Baden-Baden. Sie
war nicht zu vermeiden. Als der Regent nach Trier ging, verlangte Napo¬
leon III. eine Zusammenkunft mit ihm, sie wurde abgelehnt unter dem Vor-
wande, der Regent könne nur kurze Zeit dort verweilen. Dann verlangte
Napoleon III. eine Zusammenkunft in Ostende, die Antwort war: der Regent
gehe gar nicht nach Ostende. Als Napoleon III. sie zum drittenmale in Baden-
Baden in Vorschlag brachte, konnte sie nicht abgelehnt werden. Daß die Sache
sich so gut machte, daß die sämtlichen deutscheu Fürsten anwesend waren, war
mehr Zufall als Plan. Mancherlei kam zusammen. Der Großherzog von
Baden war ohnehin als Landesherr zur Stelle. Der König von Württem¬
berg kam unter dem Vorwande, das Bad zu brauchen, und war schon da; er
blieb, um die Sache zu beobachten. Der König von Baiern kam ungerufen
auch unter dem Vorgeben, das Bad zu brauchen, und blieb vier Wochen. Der
König von Hannover kam eiligst nach Berlin, um ganz unaufgefordert seiue
Teilnahme anzubieten; die Antwort des Regenten war: er könne ihm nicht
verbieten, ganz nach seinem Belieben nach Baden zu reisen, nach einer Stadt,
die nicht einmal auf preußischem Gebiete liege. Nun war von den deutscheu
Königen nur uoch Sachsen übrig, und es wäre unter diesen Umständen
geradezu auffallend gewesen, wenn es von der Zusammenkunft ausgeschlossen
blieb. In dieser Erwägung erging an den König von Sachsen — an ihn
allein — die ausdrückliche Aufforderung des Regenten, der Zusammenkunft in
Baden beizuwohnen.

Den Herzog wollte man ausdrücklich nicht dort haben. Der Fürst Hohen-
zollern bat ihn durch den Telegraphen, nicht zu kommen. Gerade deshalb
reiste der Herzog nach Baden, Usedom, den er auf der Durchreise in Frank¬
furt sah, war darüber fast außer sich. Der Herzog meint, Usedom war da¬
mals noch nicht geheilt von der Idee, man könne in gutem Einvernehmen mit
Napoleon III. leben und die Freundschaft mit ihm zur Vergrößerung Preußens
benutzen, und fürchtete, der Herzog werde mit seinem deutschen Patriotismus
alles verderben!

In Baden bildete sich sogleich ein besondrer kleiner Kreis von Fürsten,
der den andern gegenüber „das liberale Element repräsentirte"; er bestand aus
dem Herzog und den beiden Grvßherzögen von Baden und Sachsen-Weimar.

Noch vor der Ankunft Napoleons III. verpflichteten sich die deutschen
Souveräne auf Ehrenwort gegen einander, ihm alle genau dasselbe zu sagen,
im wesentlichen: c>u'on us äoilianäM misux, aus als rsswr su xg.ix, aber
dazu müßten die französischen Wühlereien in Deutschland aufhören.


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[0558] Gunsten, da können wir unmöglich mitcigitiren! Wir verderben das Ganze, erwecken Mißtrauen gegen die Bewegung und geben der von Osterreich be¬ soldeten süddeutschen Presse die erwünschte Veranlassung, die ganze Bewegung zu verdächtigen. Der Herzog erzählt die Fürstenzusammenkunft in Baden-Baden. Sie war nicht zu vermeiden. Als der Regent nach Trier ging, verlangte Napo¬ leon III. eine Zusammenkunft mit ihm, sie wurde abgelehnt unter dem Vor- wande, der Regent könne nur kurze Zeit dort verweilen. Dann verlangte Napoleon III. eine Zusammenkunft in Ostende, die Antwort war: der Regent gehe gar nicht nach Ostende. Als Napoleon III. sie zum drittenmale in Baden- Baden in Vorschlag brachte, konnte sie nicht abgelehnt werden. Daß die Sache sich so gut machte, daß die sämtlichen deutscheu Fürsten anwesend waren, war mehr Zufall als Plan. Mancherlei kam zusammen. Der Großherzog von Baden war ohnehin als Landesherr zur Stelle. Der König von Württem¬ berg kam unter dem Vorwande, das Bad zu brauchen, und war schon da; er blieb, um die Sache zu beobachten. Der König von Baiern kam ungerufen auch unter dem Vorgeben, das Bad zu brauchen, und blieb vier Wochen. Der König von Hannover kam eiligst nach Berlin, um ganz unaufgefordert seiue Teilnahme anzubieten; die Antwort des Regenten war: er könne ihm nicht verbieten, ganz nach seinem Belieben nach Baden zu reisen, nach einer Stadt, die nicht einmal auf preußischem Gebiete liege. Nun war von den deutscheu Königen nur uoch Sachsen übrig, und es wäre unter diesen Umständen geradezu auffallend gewesen, wenn es von der Zusammenkunft ausgeschlossen blieb. In dieser Erwägung erging an den König von Sachsen — an ihn allein — die ausdrückliche Aufforderung des Regenten, der Zusammenkunft in Baden beizuwohnen. Den Herzog wollte man ausdrücklich nicht dort haben. Der Fürst Hohen- zollern bat ihn durch den Telegraphen, nicht zu kommen. Gerade deshalb reiste der Herzog nach Baden, Usedom, den er auf der Durchreise in Frank¬ furt sah, war darüber fast außer sich. Der Herzog meint, Usedom war da¬ mals noch nicht geheilt von der Idee, man könne in gutem Einvernehmen mit Napoleon III. leben und die Freundschaft mit ihm zur Vergrößerung Preußens benutzen, und fürchtete, der Herzog werde mit seinem deutschen Patriotismus alles verderben! In Baden bildete sich sogleich ein besondrer kleiner Kreis von Fürsten, der den andern gegenüber „das liberale Element repräsentirte"; er bestand aus dem Herzog und den beiden Grvßherzögen von Baden und Sachsen-Weimar. Noch vor der Ankunft Napoleons III. verpflichteten sich die deutschen Souveräne auf Ehrenwort gegen einander, ihm alle genau dasselbe zu sagen, im wesentlichen: c>u'on us äoilianäM misux, aus als rsswr su xg.ix, aber dazu müßten die französischen Wühlereien in Deutschland aufhören.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/558>, abgerufen am 23.07.2024.