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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Aus den Tagebüchern Theodor von Bernhardts

Die Herzogin liebt ihren Gemahl sehr. Ihr größtes Glück ist, in
seiner Nähe zu sein. Sie kann das Schießen nicht gut vertragen und folgt
ihm doch auf die Jagd. Treskow erzählt mir, daß sie im Herbst bei den
großen Treibjagden auf Hasen stets neben dem Herzog her in der Jägerkette
über die Sturzäcker geht. Sie schreckt bei jedem Schuß zusammen, aber sie
überwindet die Nervenpein, um nur bei dem Herzog sein zu können.

Diner auf Blech und Zinn, im Freien, unter ein paar alten Buchen,
nachdem sich die Herzogin im Jagdhaus umgekleidet hat. Die Forstleute sitzen
mit bei Tisch und verzehren schweigend, was ihnen geboten wird. Rückweg
schon in der Abenddämmerung. Fahrt durch deu Ungeheuern Grund nach
Rcinhcirdsbrunn. Abends im Blumengarten. Partie des Herzogs (mit Alvens-
leben) im Freien, an einem Kartentisch, an dessen vier Ecken Laternen ange¬
schraubt sind.

V. Auerbach empfiehlt sich heute Abend, da er abreist. Sehr herzlicher
Abschied von mir; daß wir uns in Dresden sehen, wenn ich durchreise, ver¬
steht sich von selbst. Der Herzog und namentlich Erbach zeigen sich so freund¬
schaftlich wie möglich gegen ihn. Die Damen sehen ihn ungern scheiden.

12. August. Ich wollte heute reisen, denn es ist zwar sehr schön
hier, es lebt sich hier anmutig und leicht, aber ich muß daheim Druckfehler
korrigiren und eine Wahlbroschüre schreiben, die ich versprochen. So hatte
ich denn meine Abreise schon angekündigt. Aber ganz früh schon kommt
Meyern vom Herzog gesendet zu mir und fordert mich in dessen Namen ans,
heute noch zu bleiben. Das ist natürlich nicht abzulehnen.

Diner mit einem gewissen Apparat; ein paar preußische Offiziere aus
Erfurt siud dazu geladen: Herr von Blumenthal, Obristleutnant im General-
stab, und Adjutant Rittmeister von Vernuth. Tafel im Freien, um der West¬
seite des Schlosses. Militärmusik aus Gotha, die der Herzog hat kommen
lassen. Sie spielt Ouvertüren n. s. w. aus den Opern des Herzogs; er selbst
hört mit großer Spannung zu, ob sie auch richtig vorgetragen werden. Blumen-
thal sagt mir, daß er zum großen Generalstab nach Berlin versetzt sei; in
Erfurt werde wahrscheinlich Otto Bernhardi an seine Stelle kommen.

Thee und Abend im Blumengarten, wo ich noch ein bedeutendes Ge¬
spräch mit dem Herzog habe; es dreht sich um Welt, Zeit und Leben im all¬
gemeinen. Er zeigt darin viel Geist, ein sehr schnelles Fassungsvermögen.
Noch ein paar Rubber Whist mit ihm und Alvensleben; ich bleibe am Ende
um fünf Points im Gewinst.

Der Abschied, wie ich mich nun empfehle, ist von allen Seiten so herzlich
und wohlwollend, wie ich nur irgend wünschen kann. Der Herzog ladet mich
vielfach ein, ihn wieder zu besuchen; auch mir ist es leid, zu scheiden. Es
wird einem nicht bald wieder so gut.




Aus den Tagebüchern Theodor von Bernhardts

Die Herzogin liebt ihren Gemahl sehr. Ihr größtes Glück ist, in
seiner Nähe zu sein. Sie kann das Schießen nicht gut vertragen und folgt
ihm doch auf die Jagd. Treskow erzählt mir, daß sie im Herbst bei den
großen Treibjagden auf Hasen stets neben dem Herzog her in der Jägerkette
über die Sturzäcker geht. Sie schreckt bei jedem Schuß zusammen, aber sie
überwindet die Nervenpein, um nur bei dem Herzog sein zu können.

Diner auf Blech und Zinn, im Freien, unter ein paar alten Buchen,
nachdem sich die Herzogin im Jagdhaus umgekleidet hat. Die Forstleute sitzen
mit bei Tisch und verzehren schweigend, was ihnen geboten wird. Rückweg
schon in der Abenddämmerung. Fahrt durch deu Ungeheuern Grund nach
Rcinhcirdsbrunn. Abends im Blumengarten. Partie des Herzogs (mit Alvens-
leben) im Freien, an einem Kartentisch, an dessen vier Ecken Laternen ange¬
schraubt sind.

V. Auerbach empfiehlt sich heute Abend, da er abreist. Sehr herzlicher
Abschied von mir; daß wir uns in Dresden sehen, wenn ich durchreise, ver¬
steht sich von selbst. Der Herzog und namentlich Erbach zeigen sich so freund¬
schaftlich wie möglich gegen ihn. Die Damen sehen ihn ungern scheiden.

12. August. Ich wollte heute reisen, denn es ist zwar sehr schön
hier, es lebt sich hier anmutig und leicht, aber ich muß daheim Druckfehler
korrigiren und eine Wahlbroschüre schreiben, die ich versprochen. So hatte
ich denn meine Abreise schon angekündigt. Aber ganz früh schon kommt
Meyern vom Herzog gesendet zu mir und fordert mich in dessen Namen ans,
heute noch zu bleiben. Das ist natürlich nicht abzulehnen.

Diner mit einem gewissen Apparat; ein paar preußische Offiziere aus
Erfurt siud dazu geladen: Herr von Blumenthal, Obristleutnant im General-
stab, und Adjutant Rittmeister von Vernuth. Tafel im Freien, um der West¬
seite des Schlosses. Militärmusik aus Gotha, die der Herzog hat kommen
lassen. Sie spielt Ouvertüren n. s. w. aus den Opern des Herzogs; er selbst
hört mit großer Spannung zu, ob sie auch richtig vorgetragen werden. Blumen-
thal sagt mir, daß er zum großen Generalstab nach Berlin versetzt sei; in
Erfurt werde wahrscheinlich Otto Bernhardi an seine Stelle kommen.

Thee und Abend im Blumengarten, wo ich noch ein bedeutendes Ge¬
spräch mit dem Herzog habe; es dreht sich um Welt, Zeit und Leben im all¬
gemeinen. Er zeigt darin viel Geist, ein sehr schnelles Fassungsvermögen.
Noch ein paar Rubber Whist mit ihm und Alvensleben; ich bleibe am Ende
um fünf Points im Gewinst.

Der Abschied, wie ich mich nun empfehle, ist von allen Seiten so herzlich
und wohlwollend, wie ich nur irgend wünschen kann. Der Herzog ladet mich
vielfach ein, ihn wieder zu besuchen; auch mir ist es leid, zu scheiden. Es
wird einem nicht bald wieder so gut.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/555>, abgerufen am 23.07.2024.