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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Allerlei vom Reisen

die Männer heutzutage noch "dichten," so wird es gewöhnlich gar der ciller-
greulichste Unfug. Mißverstehe mich nicht: ich verlange nicht, daß du nun
sofort dichtest. Das sei ferne. Dein Talent in allen Ehren, denn zum Dichten
hat ja jeder das Talent; doch damit wäre dem Unfug vorläufig uicht ge¬
steuert. Nein, sieh dich bloß einmal ein bischen um, statt immer die Nase
über der Zeitung oder dem Stammtisch zu haben. Laß einmal deine Ver¬
sammlungen, mit allem, was für deine ehrenwerte Leiblichkeit dabei in Aus¬
sicht steht, ein wenig beiseite und bekümmere dich ein wenig mehr um all den
Schnickschnack, der in ungleichmäßigen Zeilen gedruckt wird und hinten so ge¬
spaßig gleich klingt. Überlege dir das Zeug einmal so nebenbei in einer über¬
flüssigen Minute, deren ja auch du bei deiner kostbaren Zeit hast, und stecke
nicht immer gleich die Jmportirte gedankenvoll ins Spundloch deiner poli¬
tischen Beredsamkeit, wenn sie einmal versiegt. Berücksichtige das Zeug ein
wenig, wenn du in dein Falle bist, eine Frau, einen Lehrling, einen simpeln Ar¬
beiter zu nehmen, oder da du, wie vorauszusetzen, Familienvater bist, wenn du
aus Werkstatt, Komptoir und Bureau nach Hause zu Frau und Kindern
kommst. Befürchte nicht, daß dein erhabnes Beispiel gleich allzu ansteckend
wirken könnte. Versuche es rein für dich und laß es rein darauf ankommen,
daß der und jener es auch versucht. Aber ernsthaft, andauernd, denn es
handelt sich um eine ernste politische Thätigkeit! Ich sage dir, Freund, nur
tausend wie du in jedem Wahlbezirk über alle Stände verbreitet, und es wird
euch erträglicher gehen; ihr könnt eure Herren Qnatschhuber und Faselmeier
nach Hause schicken und euch selber wählen lassen. Dann werden auch die
Frauen uicht mehr so viel dichten; was, wie bereits vorausgeschickt, sicherlich
nicht gesund ist, weder für die Frauen, noch für die Männer, die doch immer
der Frauen Kinder bleiben, noch, was doch schließlich auch in Frage kommt,
für die Dichtung selbst.


K B


Allerlei vom Reisen
(Schluß)

elches soll nun aber die Methode sein? Nun, wir denken,
darüber wird man sich wohl einigen können. Als Grundsatz
wird gewiß anerkannt werden, daß stufenweise vorgegangen
werden müßte. Die Frage ist nur, welches die ersten, welches
die letzten Stufen sein sollen. Soll man die großen, leichtver¬
ständlichen Eindrücke zuerst nehmen? dein Berner Oberlande den Schwarzwald


Allerlei vom Reisen

die Männer heutzutage noch „dichten," so wird es gewöhnlich gar der ciller-
greulichste Unfug. Mißverstehe mich nicht: ich verlange nicht, daß du nun
sofort dichtest. Das sei ferne. Dein Talent in allen Ehren, denn zum Dichten
hat ja jeder das Talent; doch damit wäre dem Unfug vorläufig uicht ge¬
steuert. Nein, sieh dich bloß einmal ein bischen um, statt immer die Nase
über der Zeitung oder dem Stammtisch zu haben. Laß einmal deine Ver¬
sammlungen, mit allem, was für deine ehrenwerte Leiblichkeit dabei in Aus¬
sicht steht, ein wenig beiseite und bekümmere dich ein wenig mehr um all den
Schnickschnack, der in ungleichmäßigen Zeilen gedruckt wird und hinten so ge¬
spaßig gleich klingt. Überlege dir das Zeug einmal so nebenbei in einer über¬
flüssigen Minute, deren ja auch du bei deiner kostbaren Zeit hast, und stecke
nicht immer gleich die Jmportirte gedankenvoll ins Spundloch deiner poli¬
tischen Beredsamkeit, wenn sie einmal versiegt. Berücksichtige das Zeug ein
wenig, wenn du in dein Falle bist, eine Frau, einen Lehrling, einen simpeln Ar¬
beiter zu nehmen, oder da du, wie vorauszusetzen, Familienvater bist, wenn du
aus Werkstatt, Komptoir und Bureau nach Hause zu Frau und Kindern
kommst. Befürchte nicht, daß dein erhabnes Beispiel gleich allzu ansteckend
wirken könnte. Versuche es rein für dich und laß es rein darauf ankommen,
daß der und jener es auch versucht. Aber ernsthaft, andauernd, denn es
handelt sich um eine ernste politische Thätigkeit! Ich sage dir, Freund, nur
tausend wie du in jedem Wahlbezirk über alle Stände verbreitet, und es wird
euch erträglicher gehen; ihr könnt eure Herren Qnatschhuber und Faselmeier
nach Hause schicken und euch selber wählen lassen. Dann werden auch die
Frauen uicht mehr so viel dichten; was, wie bereits vorausgeschickt, sicherlich
nicht gesund ist, weder für die Frauen, noch für die Männer, die doch immer
der Frauen Kinder bleiben, noch, was doch schließlich auch in Frage kommt,
für die Dichtung selbst.


K B


Allerlei vom Reisen
(Schluß)

elches soll nun aber die Methode sein? Nun, wir denken,
darüber wird man sich wohl einigen können. Als Grundsatz
wird gewiß anerkannt werden, daß stufenweise vorgegangen
werden müßte. Die Frage ist nur, welches die ersten, welches
die letzten Stufen sein sollen. Soll man die großen, leichtver¬
ständlichen Eindrücke zuerst nehmen? dein Berner Oberlande den Schwarzwald


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[0528] Allerlei vom Reisen die Männer heutzutage noch „dichten," so wird es gewöhnlich gar der ciller- greulichste Unfug. Mißverstehe mich nicht: ich verlange nicht, daß du nun sofort dichtest. Das sei ferne. Dein Talent in allen Ehren, denn zum Dichten hat ja jeder das Talent; doch damit wäre dem Unfug vorläufig uicht ge¬ steuert. Nein, sieh dich bloß einmal ein bischen um, statt immer die Nase über der Zeitung oder dem Stammtisch zu haben. Laß einmal deine Ver¬ sammlungen, mit allem, was für deine ehrenwerte Leiblichkeit dabei in Aus¬ sicht steht, ein wenig beiseite und bekümmere dich ein wenig mehr um all den Schnickschnack, der in ungleichmäßigen Zeilen gedruckt wird und hinten so ge¬ spaßig gleich klingt. Überlege dir das Zeug einmal so nebenbei in einer über¬ flüssigen Minute, deren ja auch du bei deiner kostbaren Zeit hast, und stecke nicht immer gleich die Jmportirte gedankenvoll ins Spundloch deiner poli¬ tischen Beredsamkeit, wenn sie einmal versiegt. Berücksichtige das Zeug ein wenig, wenn du in dein Falle bist, eine Frau, einen Lehrling, einen simpeln Ar¬ beiter zu nehmen, oder da du, wie vorauszusetzen, Familienvater bist, wenn du aus Werkstatt, Komptoir und Bureau nach Hause zu Frau und Kindern kommst. Befürchte nicht, daß dein erhabnes Beispiel gleich allzu ansteckend wirken könnte. Versuche es rein für dich und laß es rein darauf ankommen, daß der und jener es auch versucht. Aber ernsthaft, andauernd, denn es handelt sich um eine ernste politische Thätigkeit! Ich sage dir, Freund, nur tausend wie du in jedem Wahlbezirk über alle Stände verbreitet, und es wird euch erträglicher gehen; ihr könnt eure Herren Qnatschhuber und Faselmeier nach Hause schicken und euch selber wählen lassen. Dann werden auch die Frauen uicht mehr so viel dichten; was, wie bereits vorausgeschickt, sicherlich nicht gesund ist, weder für die Frauen, noch für die Männer, die doch immer der Frauen Kinder bleiben, noch, was doch schließlich auch in Frage kommt, für die Dichtung selbst. K B Allerlei vom Reisen (Schluß) elches soll nun aber die Methode sein? Nun, wir denken, darüber wird man sich wohl einigen können. Als Grundsatz wird gewiß anerkannt werden, daß stufenweise vorgegangen werden müßte. Die Frage ist nur, welches die ersten, welches die letzten Stufen sein sollen. Soll man die großen, leichtver¬ ständlichen Eindrücke zuerst nehmen? dein Berner Oberlande den Schwarzwald

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/528>, abgerufen am 23.07.2024.