Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.Dichtende Frauen Gartenlaube. Aber sie schreibt still das Gelöbnis der Versöhnung mit den Die Heimat der Dichterin ist Tirol. Neben der von Jahrhunderten Dir ward der Friede, denn dn hast gelebt, Weit hinter dir liegt Erdenleid und Wonne: Von keinem Wunsch die milde Brust durchbebt, Harrst du des Niedergangs der Lebenssonne. Du aber, Jüngling, in der Kutte Zwang, Mit finstrer Brau' und herb geschlossnen Munde, Der du am Kreuzbild kniest in heißem Drang, Zu flüchten vor dem Sturm im Herzensgrunde -- Du schüttle kühn von dir das härme Kleid, Zu kräftiger That den schlaffen Arm zu stählen; Nicht Ruh ists, die von Schmerz und Groll befreit, Nur Arbeit ist Arznei für wunde Seelen. Gelegentlich geht die Unterordnung dieser arbeitsfrohen Natur uuter die Dichtende Frauen Gartenlaube. Aber sie schreibt still das Gelöbnis der Versöhnung mit den Die Heimat der Dichterin ist Tirol. Neben der von Jahrhunderten Dir ward der Friede, denn dn hast gelebt, Weit hinter dir liegt Erdenleid und Wonne: Von keinem Wunsch die milde Brust durchbebt, Harrst du des Niedergangs der Lebenssonne. Du aber, Jüngling, in der Kutte Zwang, Mit finstrer Brau' und herb geschlossnen Munde, Der du am Kreuzbild kniest in heißem Drang, Zu flüchten vor dem Sturm im Herzensgrunde — Du schüttle kühn von dir das härme Kleid, Zu kräftiger That den schlaffen Arm zu stählen; Nicht Ruh ists, die von Schmerz und Groll befreit, Nur Arbeit ist Arznei für wunde Seelen. Gelegentlich geht die Unterordnung dieser arbeitsfrohen Natur uuter die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0524" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214979"/> <fw type="header" place="top"> Dichtende Frauen</fw><lb/> <p xml:id="ID_2031" prev="#ID_2030"> Gartenlaube. Aber sie schreibt still das Gelöbnis der Versöhnung mit den<lb/> Mächten des Schicksals mit einem Kusse auf die Wangen ihres Kindes. Auch<lb/> der tiefste Schmerz der Mutter bleibt ihr nicht erspart. Sie begräbt ihr Kind<lb/> und „inmitten heitrer Tage, wenn die Lust ausschäumt in Wogen," fliegt ihr<lb/> ein Schatten an, mahnt sie der Ton aus ferner Zeit, faßt sie „einsam in dem<lb/> frohen Schwärme Sehnsucht nach der Stimme, nach dem Druck der kleinen<lb/> Arme." Aber sie fühlt auch den Heroismus der Mutter, die ihr Kind freudig<lb/> dem Kampfe gegen alle finstern Mächte des Lebens weiht und den Sohn lieber<lb/> tot als feig sähe. Was sie sich freilich unter diesem Kampfe vorstellt, erschöpft<lb/> ihn wenig in seiner unendlichen Vielgestaltigkeit. „Daß um die kleinste der<lb/> Sekunden du nicht verziehst den Gang der Zeitenuhr!" Damit ist der Welt<lb/> wenig gedient, die doch allzeit nur zu gut weiß, was die Glocke geschlagen<lb/> hat und schließlich froh ist, wenn die ersehnte nächste Stunde nicht schlechter<lb/> abläuft als die vergangne. An solchem Punkten zeigen überhaupt unsre<lb/> Dichterinnen, die frauenhaften und — die andern, sehr deutlich die Grenze,<lb/> wo die weibliche Natur aufhört, den Mann auf seinen Geisteswegen zu be¬<lb/> gleiten. Eine Erscheinung, die hier so sicher ihren Standpunkt wählt und so<lb/> angemessen auch über ihren Bezirk hinaus zu vertreten weiß, wie die schwäbische<lb/> Dichterin Isolde Krug, ist sehr selten. Doch selbst die Allgemeinheiten, der<lb/> minder bestimmte, dafür aber um so vollere Ausdruck in der Aussprache<lb/> solcher Gefühle stehen der Mutter schön, die den Sohn statt ihrer in den<lb/> Lebenskampf schickt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2032"> Die Heimat der Dichterin ist Tirol. Neben der von Jahrhunderten<lb/> her dort heimischen frischen Sangesfreudigkeit ist auch die Wehr gegen den<lb/> „Zwang der Kutte" dort zu Hause, die hier so mild und klar wie möglich<lb/> zum Ausdruck kommt in der Anrede an die beiden Mönche, den alten und den<lb/> jungen, „auf Kloster Gauenstein":</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_46" type="poem"> <l> Dir ward der Friede, denn dn hast gelebt,<lb/> Weit hinter dir liegt Erdenleid und Wonne:<lb/> Von keinem Wunsch die milde Brust durchbebt,<lb/> Harrst du des Niedergangs der Lebenssonne.</l> <l> Du aber, Jüngling, in der Kutte Zwang,<lb/> Mit finstrer Brau' und herb geschlossnen Munde,<lb/> Der du am Kreuzbild kniest in heißem Drang,<lb/> Zu flüchten vor dem Sturm im Herzensgrunde —</l> <l> Du schüttle kühn von dir das härme Kleid,<lb/> Zu kräftiger That den schlaffen Arm zu stählen;<lb/> Nicht Ruh ists, die von Schmerz und Groll befreit,<lb/> Nur Arbeit ist Arznei für wunde Seelen.</l> </lg><lb/> <p xml:id="ID_2033" next="#ID_2034"> Gelegentlich geht die Unterordnung dieser arbeitsfrohen Natur uuter die<lb/> Rieseumaschinerie unsrer Gesellschaft, wo sie sich „unmerkbar fast die kleinste<lb/> Schraube" zu sein bescheidet, ein wenig zu weit. Wir folgen ihr lieber dnrch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0524]
Dichtende Frauen
Gartenlaube. Aber sie schreibt still das Gelöbnis der Versöhnung mit den
Mächten des Schicksals mit einem Kusse auf die Wangen ihres Kindes. Auch
der tiefste Schmerz der Mutter bleibt ihr nicht erspart. Sie begräbt ihr Kind
und „inmitten heitrer Tage, wenn die Lust ausschäumt in Wogen," fliegt ihr
ein Schatten an, mahnt sie der Ton aus ferner Zeit, faßt sie „einsam in dem
frohen Schwärme Sehnsucht nach der Stimme, nach dem Druck der kleinen
Arme." Aber sie fühlt auch den Heroismus der Mutter, die ihr Kind freudig
dem Kampfe gegen alle finstern Mächte des Lebens weiht und den Sohn lieber
tot als feig sähe. Was sie sich freilich unter diesem Kampfe vorstellt, erschöpft
ihn wenig in seiner unendlichen Vielgestaltigkeit. „Daß um die kleinste der
Sekunden du nicht verziehst den Gang der Zeitenuhr!" Damit ist der Welt
wenig gedient, die doch allzeit nur zu gut weiß, was die Glocke geschlagen
hat und schließlich froh ist, wenn die ersehnte nächste Stunde nicht schlechter
abläuft als die vergangne. An solchem Punkten zeigen überhaupt unsre
Dichterinnen, die frauenhaften und — die andern, sehr deutlich die Grenze,
wo die weibliche Natur aufhört, den Mann auf seinen Geisteswegen zu be¬
gleiten. Eine Erscheinung, die hier so sicher ihren Standpunkt wählt und so
angemessen auch über ihren Bezirk hinaus zu vertreten weiß, wie die schwäbische
Dichterin Isolde Krug, ist sehr selten. Doch selbst die Allgemeinheiten, der
minder bestimmte, dafür aber um so vollere Ausdruck in der Aussprache
solcher Gefühle stehen der Mutter schön, die den Sohn statt ihrer in den
Lebenskampf schickt.
Die Heimat der Dichterin ist Tirol. Neben der von Jahrhunderten
her dort heimischen frischen Sangesfreudigkeit ist auch die Wehr gegen den
„Zwang der Kutte" dort zu Hause, die hier so mild und klar wie möglich
zum Ausdruck kommt in der Anrede an die beiden Mönche, den alten und den
jungen, „auf Kloster Gauenstein":
Dir ward der Friede, denn dn hast gelebt,
Weit hinter dir liegt Erdenleid und Wonne:
Von keinem Wunsch die milde Brust durchbebt,
Harrst du des Niedergangs der Lebenssonne. Du aber, Jüngling, in der Kutte Zwang,
Mit finstrer Brau' und herb geschlossnen Munde,
Der du am Kreuzbild kniest in heißem Drang,
Zu flüchten vor dem Sturm im Herzensgrunde — Du schüttle kühn von dir das härme Kleid,
Zu kräftiger That den schlaffen Arm zu stählen;
Nicht Ruh ists, die von Schmerz und Groll befreit,
Nur Arbeit ist Arznei für wunde Seelen.
Gelegentlich geht die Unterordnung dieser arbeitsfrohen Natur uuter die
Rieseumaschinerie unsrer Gesellschaft, wo sie sich „unmerkbar fast die kleinste
Schraube" zu sein bescheidet, ein wenig zu weit. Wir folgen ihr lieber dnrch
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