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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Aus den Tagebüchern Theodor von Bernhardis

Prinzessin von Preußen hat ihm ihre Abschrift geschickt und ihm empfohlen,
sie zu lesen.

Der Herzog spricht auch vou dem Prinzen Friedrich Karl, läßt sich er¬
zählen, wie und weshalb der sein Kommando verloren hat, und wundert sich
über die Geschichte.

Welche Gelegenheiten hat Friedrich Wilhelm IV. aus deu Händen ge¬
lassen! Darüber erfahre ich neues! Als im Jahre 1854 daran gearbeitet wurde
(unter Alfred Pourtalvs), Preußen im Verein mit Österreich und den West¬
mächten zum Krieg, wenigstens zu einer kriegerischen Demonstration gegen
Rußland zu bewegen, reiste der Herzog viel zwischen deu verschiednen Höfen
hin und her, um die Sache zu stände zu bringen. Der Plan war im allge¬
meinen fertig. Eine österreichische Armee von vier Armeekorps, in Galizien
ausgestellt, wollte der Kaiser Franz Josef in Person befehligen. Im Norden
sollten vier preußische Armeekorps unter dem Prinzen von Preußen auftreten.
In der Mitte zwischen beiden (also in Schlesien?) zwei deutsche Bundcskorps
unter den Befehlen eben des Herzogs von Koburg selbst. Griesheim entwarf
den Operationsplan für das preußische Heer. Der österreichische Feldzeugmeister
Heß sollte das Ganze leiten.

Der Herzog meint, es wäre gar nicht zum Kriege gekommen. Der Druck
wäre so gewaltig geworden, daß Nußland unbedingt nachgegeben hätte. (Das
ist die Frage.)

Der Preis, der für eine solche kriegerische Demonstration Preußens ge¬
boten wurde, war sehr hoch. England überließ das Geschäft, sür diesen Bund
zu werben und zu kaufen, deu Preis festzustellen u. s. w., durchaus und
sehr gern der französischen Regierung. Von dieser, mit Englands Zustimmung
beauftragt, kam der Herzog nach Berlin und bot für Preußens Beitritt zum
Bunde: man wolle die neue Erbfolgeordnnng in Dünemark und den Gescnnt-
stciat wieder aufheben, die weibliche Erbfolge in Dänemark, die männliche in
den Herzogtümern herstellen, die Trennung der Herzogtümer von Dänemark
herbeiführen, Schleswig und Holstein ganz mit Deutschland vereinigen. (Daß
Flensburg deutsche Bundesfestung wurde, Eckernförde Bundeshafeu, und daß
beide Orte preußische Besatzung erhielten, verstand sich darnach von selbst.)
Der König geriet in die äußerste Verlegenheit, besonders da die Königin nicht
zur Stelle war, und er sie nicht fragen konnte, was er zu thun habe. Der
Herzog erklärte: Das sei er beauftragt zu bieten; als guter deutscher Patriot
aber könne er dem König im Vertrauen sagen, Preußen könne noch mehr
fordern, und das werde eben auch bewilligt werden. Der König könne ge¬
radezu Schleswig und Holstein und ihre Einverleibung in den preußischen
Staat verlangen, sie werde zu Paris und London auch zugestanden. Der
Augustenburger lasse sich mit einem Teil der Domänen abfinden; das wisse
er (der Herzog). Wenn er nach Paris telegraphire: "Preußen verlangt


Aus den Tagebüchern Theodor von Bernhardis

Prinzessin von Preußen hat ihm ihre Abschrift geschickt und ihm empfohlen,
sie zu lesen.

Der Herzog spricht auch vou dem Prinzen Friedrich Karl, läßt sich er¬
zählen, wie und weshalb der sein Kommando verloren hat, und wundert sich
über die Geschichte.

Welche Gelegenheiten hat Friedrich Wilhelm IV. aus deu Händen ge¬
lassen! Darüber erfahre ich neues! Als im Jahre 1854 daran gearbeitet wurde
(unter Alfred Pourtalvs), Preußen im Verein mit Österreich und den West¬
mächten zum Krieg, wenigstens zu einer kriegerischen Demonstration gegen
Rußland zu bewegen, reiste der Herzog viel zwischen deu verschiednen Höfen
hin und her, um die Sache zu stände zu bringen. Der Plan war im allge¬
meinen fertig. Eine österreichische Armee von vier Armeekorps, in Galizien
ausgestellt, wollte der Kaiser Franz Josef in Person befehligen. Im Norden
sollten vier preußische Armeekorps unter dem Prinzen von Preußen auftreten.
In der Mitte zwischen beiden (also in Schlesien?) zwei deutsche Bundcskorps
unter den Befehlen eben des Herzogs von Koburg selbst. Griesheim entwarf
den Operationsplan für das preußische Heer. Der österreichische Feldzeugmeister
Heß sollte das Ganze leiten.

Der Herzog meint, es wäre gar nicht zum Kriege gekommen. Der Druck
wäre so gewaltig geworden, daß Nußland unbedingt nachgegeben hätte. (Das
ist die Frage.)

Der Preis, der für eine solche kriegerische Demonstration Preußens ge¬
boten wurde, war sehr hoch. England überließ das Geschäft, sür diesen Bund
zu werben und zu kaufen, deu Preis festzustellen u. s. w., durchaus und
sehr gern der französischen Regierung. Von dieser, mit Englands Zustimmung
beauftragt, kam der Herzog nach Berlin und bot für Preußens Beitritt zum
Bunde: man wolle die neue Erbfolgeordnnng in Dünemark und den Gescnnt-
stciat wieder aufheben, die weibliche Erbfolge in Dänemark, die männliche in
den Herzogtümern herstellen, die Trennung der Herzogtümer von Dänemark
herbeiführen, Schleswig und Holstein ganz mit Deutschland vereinigen. (Daß
Flensburg deutsche Bundesfestung wurde, Eckernförde Bundeshafeu, und daß
beide Orte preußische Besatzung erhielten, verstand sich darnach von selbst.)
Der König geriet in die äußerste Verlegenheit, besonders da die Königin nicht
zur Stelle war, und er sie nicht fragen konnte, was er zu thun habe. Der
Herzog erklärte: Das sei er beauftragt zu bieten; als guter deutscher Patriot
aber könne er dem König im Vertrauen sagen, Preußen könne noch mehr
fordern, und das werde eben auch bewilligt werden. Der König könne ge¬
radezu Schleswig und Holstein und ihre Einverleibung in den preußischen
Staat verlangen, sie werde zu Paris und London auch zugestanden. Der
Augustenburger lasse sich mit einem Teil der Domänen abfinden; das wisse
er (der Herzog). Wenn er nach Paris telegraphire: „Preußen verlangt


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[0515] Aus den Tagebüchern Theodor von Bernhardis Prinzessin von Preußen hat ihm ihre Abschrift geschickt und ihm empfohlen, sie zu lesen. Der Herzog spricht auch vou dem Prinzen Friedrich Karl, läßt sich er¬ zählen, wie und weshalb der sein Kommando verloren hat, und wundert sich über die Geschichte. Welche Gelegenheiten hat Friedrich Wilhelm IV. aus deu Händen ge¬ lassen! Darüber erfahre ich neues! Als im Jahre 1854 daran gearbeitet wurde (unter Alfred Pourtalvs), Preußen im Verein mit Österreich und den West¬ mächten zum Krieg, wenigstens zu einer kriegerischen Demonstration gegen Rußland zu bewegen, reiste der Herzog viel zwischen deu verschiednen Höfen hin und her, um die Sache zu stände zu bringen. Der Plan war im allge¬ meinen fertig. Eine österreichische Armee von vier Armeekorps, in Galizien ausgestellt, wollte der Kaiser Franz Josef in Person befehligen. Im Norden sollten vier preußische Armeekorps unter dem Prinzen von Preußen auftreten. In der Mitte zwischen beiden (also in Schlesien?) zwei deutsche Bundcskorps unter den Befehlen eben des Herzogs von Koburg selbst. Griesheim entwarf den Operationsplan für das preußische Heer. Der österreichische Feldzeugmeister Heß sollte das Ganze leiten. Der Herzog meint, es wäre gar nicht zum Kriege gekommen. Der Druck wäre so gewaltig geworden, daß Nußland unbedingt nachgegeben hätte. (Das ist die Frage.) Der Preis, der für eine solche kriegerische Demonstration Preußens ge¬ boten wurde, war sehr hoch. England überließ das Geschäft, sür diesen Bund zu werben und zu kaufen, deu Preis festzustellen u. s. w., durchaus und sehr gern der französischen Regierung. Von dieser, mit Englands Zustimmung beauftragt, kam der Herzog nach Berlin und bot für Preußens Beitritt zum Bunde: man wolle die neue Erbfolgeordnnng in Dünemark und den Gescnnt- stciat wieder aufheben, die weibliche Erbfolge in Dänemark, die männliche in den Herzogtümern herstellen, die Trennung der Herzogtümer von Dänemark herbeiführen, Schleswig und Holstein ganz mit Deutschland vereinigen. (Daß Flensburg deutsche Bundesfestung wurde, Eckernförde Bundeshafeu, und daß beide Orte preußische Besatzung erhielten, verstand sich darnach von selbst.) Der König geriet in die äußerste Verlegenheit, besonders da die Königin nicht zur Stelle war, und er sie nicht fragen konnte, was er zu thun habe. Der Herzog erklärte: Das sei er beauftragt zu bieten; als guter deutscher Patriot aber könne er dem König im Vertrauen sagen, Preußen könne noch mehr fordern, und das werde eben auch bewilligt werden. Der König könne ge¬ radezu Schleswig und Holstein und ihre Einverleibung in den preußischen Staat verlangen, sie werde zu Paris und London auch zugestanden. Der Augustenburger lasse sich mit einem Teil der Domänen abfinden; das wisse er (der Herzog). Wenn er nach Paris telegraphire: „Preußen verlangt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/515>, abgerufen am 23.07.2024.