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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Aus den Tagebüchern Theodor von Berichardis

fluß wachsen, wenn sich diese Kontingente als Teile der preußischen Armee be¬
trachten lernten. Man könnte dann weiter gehen, den brauchbaren Offizieren
der kleinen Fürsten Aussichten ans eine weitere Laufbahn in der preußischen
Armee eröffnen u. s. w. Das alles scheitert an den Kosten. Die Landstände
der kleinen Staaten wollen das Geld nicht hergeben zu den außerordentlichen
Ausgaben, die durch Teilnahme an den preußischen Manövern entstehen. Sie
wenden ein (was auch in gewissem Sinne ganz richtig ist): Die Militärmacht
der ganz kleinen Staaten habe doch ein für allemal keine Bedeutung; es sei
nicht der Mühe wert, mehr als das unumgänglich notwendige darauf zu ver¬
wenden. Was wäre es nun großes, wenn Preußen einfach die Verpflegung
der kleinen Kontingente übernähme? Die Ausgabe von zehn- bis zwölftausend
Thalern wäre für Preußen nicht bedeutend und würde sich mehr als bezahlt
machen.

Weiter führt G. Freytag als einzelnes an: Warum untersagt man in
Preußen die Zirkulation der Noten der Gothaer Bank? Diese Bank, die höchst
solide begründet ist und unter der Leitung von Mathy in der solidesten Weise
operirt, sieht sich dadurch in ihren Unternehmungen auf das betrübendste
gelähmt.

Ich lasse natürlich das allgemeine gelten; die kleinen Kontingente haben,
führe ich um, indessen doch sehr gewonnen, seitdem sie unter Kommando tüch¬
tiger preußischer Stabsoffiziere gestellt sind. Was die Bank betrifft, so war
es doch eine Notwendigkeit, mancherlei schlechte, unfundirte Papiere, mit denen
Preußen überschwemmt wurde, namentlich die hessischen Kassenscheine auszu¬
schließen. Und bei Namen konnte man sie doch nicht wohl nennen, zum Gegen¬
stand einer Ausnahmemaßregel konnte man sie nicht machen; so war das all¬
gemeine Verbot fremden Papiergeldes unvermeidlich.

Nun gut! wendet G. Freytag ein, so mochte man sie denn im allgemeinen
und ganzen verbieten; dann aber die Papiere einzelner solider Anstalten, nament¬
lich der Gothaer Bank, vermöge besondern Kontrakts ans ausdrücklich stipulirte
Bedingungen als Ausnahme wieder zulassen.

Ich erfahre, daß Usedom deu Herzog schon im Anfang des Sommers zu
Koburg besucht hat und dann mit dem Prinzen von Preußen in Baden und
Ostende gewesen ist.

Indem wir über Politik und die allgemeine Weltlage sprechen, sagt
G. Freytag in plötzlicher Erinnerung: "Halt! Haben Sie nicht einmal einen
Aufsatz über deu Kaiser Nikolaus und seine Regierung geschrieben, der dem
Prinzen von Preußen mitgeteilt worden ist, und der ihn so ergriffen hat, daß
^ verlangt hat. er solle nicht gedruckt werden?"

"Allerdings habe ich einen solchen Aufsatz geschrieben und dem Prinzen
mitgeteilt; der Aufsatz war von Hause aus nicht für den Druck, sondern eben
nur für den Prinzen bestimmt; übrigens hat der Prinz keineswegs den Druck


Grenzboten II 1896 W
Aus den Tagebüchern Theodor von Berichardis

fluß wachsen, wenn sich diese Kontingente als Teile der preußischen Armee be¬
trachten lernten. Man könnte dann weiter gehen, den brauchbaren Offizieren
der kleinen Fürsten Aussichten ans eine weitere Laufbahn in der preußischen
Armee eröffnen u. s. w. Das alles scheitert an den Kosten. Die Landstände
der kleinen Staaten wollen das Geld nicht hergeben zu den außerordentlichen
Ausgaben, die durch Teilnahme an den preußischen Manövern entstehen. Sie
wenden ein (was auch in gewissem Sinne ganz richtig ist): Die Militärmacht
der ganz kleinen Staaten habe doch ein für allemal keine Bedeutung; es sei
nicht der Mühe wert, mehr als das unumgänglich notwendige darauf zu ver¬
wenden. Was wäre es nun großes, wenn Preußen einfach die Verpflegung
der kleinen Kontingente übernähme? Die Ausgabe von zehn- bis zwölftausend
Thalern wäre für Preußen nicht bedeutend und würde sich mehr als bezahlt
machen.

Weiter führt G. Freytag als einzelnes an: Warum untersagt man in
Preußen die Zirkulation der Noten der Gothaer Bank? Diese Bank, die höchst
solide begründet ist und unter der Leitung von Mathy in der solidesten Weise
operirt, sieht sich dadurch in ihren Unternehmungen auf das betrübendste
gelähmt.

Ich lasse natürlich das allgemeine gelten; die kleinen Kontingente haben,
führe ich um, indessen doch sehr gewonnen, seitdem sie unter Kommando tüch¬
tiger preußischer Stabsoffiziere gestellt sind. Was die Bank betrifft, so war
es doch eine Notwendigkeit, mancherlei schlechte, unfundirte Papiere, mit denen
Preußen überschwemmt wurde, namentlich die hessischen Kassenscheine auszu¬
schließen. Und bei Namen konnte man sie doch nicht wohl nennen, zum Gegen¬
stand einer Ausnahmemaßregel konnte man sie nicht machen; so war das all¬
gemeine Verbot fremden Papiergeldes unvermeidlich.

Nun gut! wendet G. Freytag ein, so mochte man sie denn im allgemeinen
und ganzen verbieten; dann aber die Papiere einzelner solider Anstalten, nament¬
lich der Gothaer Bank, vermöge besondern Kontrakts ans ausdrücklich stipulirte
Bedingungen als Ausnahme wieder zulassen.

Ich erfahre, daß Usedom deu Herzog schon im Anfang des Sommers zu
Koburg besucht hat und dann mit dem Prinzen von Preußen in Baden und
Ostende gewesen ist.

Indem wir über Politik und die allgemeine Weltlage sprechen, sagt
G. Freytag in plötzlicher Erinnerung: „Halt! Haben Sie nicht einmal einen
Aufsatz über deu Kaiser Nikolaus und seine Regierung geschrieben, der dem
Prinzen von Preußen mitgeteilt worden ist, und der ihn so ergriffen hat, daß
^ verlangt hat. er solle nicht gedruckt werden?"

„Allerdings habe ich einen solchen Aufsatz geschrieben und dem Prinzen
mitgeteilt; der Aufsatz war von Hause aus nicht für den Druck, sondern eben
nur für den Prinzen bestimmt; übrigens hat der Prinz keineswegs den Druck


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[0506] Aus den Tagebüchern Theodor von Berichardis fluß wachsen, wenn sich diese Kontingente als Teile der preußischen Armee be¬ trachten lernten. Man könnte dann weiter gehen, den brauchbaren Offizieren der kleinen Fürsten Aussichten ans eine weitere Laufbahn in der preußischen Armee eröffnen u. s. w. Das alles scheitert an den Kosten. Die Landstände der kleinen Staaten wollen das Geld nicht hergeben zu den außerordentlichen Ausgaben, die durch Teilnahme an den preußischen Manövern entstehen. Sie wenden ein (was auch in gewissem Sinne ganz richtig ist): Die Militärmacht der ganz kleinen Staaten habe doch ein für allemal keine Bedeutung; es sei nicht der Mühe wert, mehr als das unumgänglich notwendige darauf zu ver¬ wenden. Was wäre es nun großes, wenn Preußen einfach die Verpflegung der kleinen Kontingente übernähme? Die Ausgabe von zehn- bis zwölftausend Thalern wäre für Preußen nicht bedeutend und würde sich mehr als bezahlt machen. Weiter führt G. Freytag als einzelnes an: Warum untersagt man in Preußen die Zirkulation der Noten der Gothaer Bank? Diese Bank, die höchst solide begründet ist und unter der Leitung von Mathy in der solidesten Weise operirt, sieht sich dadurch in ihren Unternehmungen auf das betrübendste gelähmt. Ich lasse natürlich das allgemeine gelten; die kleinen Kontingente haben, führe ich um, indessen doch sehr gewonnen, seitdem sie unter Kommando tüch¬ tiger preußischer Stabsoffiziere gestellt sind. Was die Bank betrifft, so war es doch eine Notwendigkeit, mancherlei schlechte, unfundirte Papiere, mit denen Preußen überschwemmt wurde, namentlich die hessischen Kassenscheine auszu¬ schließen. Und bei Namen konnte man sie doch nicht wohl nennen, zum Gegen¬ stand einer Ausnahmemaßregel konnte man sie nicht machen; so war das all¬ gemeine Verbot fremden Papiergeldes unvermeidlich. Nun gut! wendet G. Freytag ein, so mochte man sie denn im allgemeinen und ganzen verbieten; dann aber die Papiere einzelner solider Anstalten, nament¬ lich der Gothaer Bank, vermöge besondern Kontrakts ans ausdrücklich stipulirte Bedingungen als Ausnahme wieder zulassen. Ich erfahre, daß Usedom deu Herzog schon im Anfang des Sommers zu Koburg besucht hat und dann mit dem Prinzen von Preußen in Baden und Ostende gewesen ist. Indem wir über Politik und die allgemeine Weltlage sprechen, sagt G. Freytag in plötzlicher Erinnerung: „Halt! Haben Sie nicht einmal einen Aufsatz über deu Kaiser Nikolaus und seine Regierung geschrieben, der dem Prinzen von Preußen mitgeteilt worden ist, und der ihn so ergriffen hat, daß ^ verlangt hat. er solle nicht gedruckt werden?" „Allerdings habe ich einen solchen Aufsatz geschrieben und dem Prinzen mitgeteilt; der Aufsatz war von Hause aus nicht für den Druck, sondern eben nur für den Prinzen bestimmt; übrigens hat der Prinz keineswegs den Druck Grenzboten II 1896 W

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/506>, abgerufen am 26.08.2024.