Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.Zwei Bücher über Politik das zu energischer Denkthätigkeit gezwungen wird, kann leicht der Auszehrung Die internationale Lage betrachtet Funck von dem bekannten französischen Man sieht, die tüchtigen Geister aller 5wlturvvlker suchen das Heil in Zwei Bücher über Politik das zu energischer Denkthätigkeit gezwungen wird, kann leicht der Auszehrung Die internationale Lage betrachtet Funck von dem bekannten französischen Man sieht, die tüchtigen Geister aller 5wlturvvlker suchen das Heil in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0457" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214912"/> <fw type="header" place="top"> Zwei Bücher über Politik</fw><lb/> <p xml:id="ID_1789" prev="#ID_1788"> das zu energischer Denkthätigkeit gezwungen wird, kann leicht der Auszehrung<lb/> verfallen, wenn es diese kostspieligere Nahrung nicht bekommt. Ähnlich ver¬<lb/> hält es sich mit dem Unterricht auf der mittlern und auf der höchsten Stufe.<lb/> Er ist für die Ausnahme eingerichtet, nicht, wie er es sollte, für die Masse<lb/> der Schüler. Die Prüfungen sind eine Pest. Wenn man verlangt, daß der<lb/> eine Examinand alles das zusammen wisse, was seine sämtlichen Examinatoren<lb/> wissen, so ist das nicht mehr öffentliche Volksaufklärung, sondern öffentliche<lb/> Volksverdummung; der Schüler muß durch diese Geistestortur dumm werden.<lb/> Auf die Vorschläge des Verfassers zu einer anderweitigen Gestaltung des fran¬<lb/> zösischen Unterrichtswesens können wir nicht eingehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1790"> Die internationale Lage betrachtet Funck von dem bekannten französischen<lb/> Standpunkte aus: alle Schwierigkeiten entspringen aus der Annexion von<lb/> Elsaß-Lothringen; darüber noch Worte zu verlieren, wäre Nanmverschwenduug.<lb/> Nur eine Bemerkung, die nicht dem von jener fixen Idee beherrschten Ge¬<lb/> dankenkreise angehört, wollen wir anführen. „Die bevorstehende Überschwemmung<lb/> Europas durch die Russen wird nicht Wirkung einer ehrgeizigen Politik sein<lb/> — die russischen Staatsmänner denken gar nicht daran —, sondern eine Wirkung<lb/> des sozialen Zustandes Rußlands. Nachdem sich Europa durch seine natio¬<lb/> nalen Leidenschaften und seine blödsinnigen Kriege außer stand gesetzt hat,<lb/> dem großen Moskowiterreiche die zur Bildung eines Mittelstandes erforder¬<lb/> lichen geistigen und moralischen Hilfsmittel zuzuführen, wird die russische Be¬<lb/> völkerung mit Hilfe der materiellen Hilfsmittel, die ihm der Westen in der<lb/> Gestalt von Anleihen u. s. w. zu spenden fortführt, diesen dereinst überfluten.<lb/> An dem Tage, wo Rußland seine Nihilisten zu Statthaltern deutscher und<lb/> französischer Provinzen ernennen wird, wird es keine Nihilisten mehr haben.<lb/> Das wird das Ende seiner sozialen Frage — und auch der unsern sein."<lb/> (S. 317.)</p><lb/> <p xml:id="ID_1791"> Man sieht, die tüchtigen Geister aller 5wlturvvlker suchen das Heil in<lb/> derselben Richtung. Sollten ihre Ideen unfähig sein, die Massen zu ergreifen<lb/> und sich in ihnen zu verkörpern?</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0457]
Zwei Bücher über Politik
das zu energischer Denkthätigkeit gezwungen wird, kann leicht der Auszehrung
verfallen, wenn es diese kostspieligere Nahrung nicht bekommt. Ähnlich ver¬
hält es sich mit dem Unterricht auf der mittlern und auf der höchsten Stufe.
Er ist für die Ausnahme eingerichtet, nicht, wie er es sollte, für die Masse
der Schüler. Die Prüfungen sind eine Pest. Wenn man verlangt, daß der
eine Examinand alles das zusammen wisse, was seine sämtlichen Examinatoren
wissen, so ist das nicht mehr öffentliche Volksaufklärung, sondern öffentliche
Volksverdummung; der Schüler muß durch diese Geistestortur dumm werden.
Auf die Vorschläge des Verfassers zu einer anderweitigen Gestaltung des fran¬
zösischen Unterrichtswesens können wir nicht eingehen.
Die internationale Lage betrachtet Funck von dem bekannten französischen
Standpunkte aus: alle Schwierigkeiten entspringen aus der Annexion von
Elsaß-Lothringen; darüber noch Worte zu verlieren, wäre Nanmverschwenduug.
Nur eine Bemerkung, die nicht dem von jener fixen Idee beherrschten Ge¬
dankenkreise angehört, wollen wir anführen. „Die bevorstehende Überschwemmung
Europas durch die Russen wird nicht Wirkung einer ehrgeizigen Politik sein
— die russischen Staatsmänner denken gar nicht daran —, sondern eine Wirkung
des sozialen Zustandes Rußlands. Nachdem sich Europa durch seine natio¬
nalen Leidenschaften und seine blödsinnigen Kriege außer stand gesetzt hat,
dem großen Moskowiterreiche die zur Bildung eines Mittelstandes erforder¬
lichen geistigen und moralischen Hilfsmittel zuzuführen, wird die russische Be¬
völkerung mit Hilfe der materiellen Hilfsmittel, die ihm der Westen in der
Gestalt von Anleihen u. s. w. zu spenden fortführt, diesen dereinst überfluten.
An dem Tage, wo Rußland seine Nihilisten zu Statthaltern deutscher und
französischer Provinzen ernennen wird, wird es keine Nihilisten mehr haben.
Das wird das Ende seiner sozialen Frage — und auch der unsern sein."
(S. 317.)
Man sieht, die tüchtigen Geister aller 5wlturvvlker suchen das Heil in
derselben Richtung. Sollten ihre Ideen unfähig sein, die Massen zu ergreifen
und sich in ihnen zu verkörpern?
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