Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.Die Versammlung deutscher Historiker in München Schwierigkeit, daß der Theolog, der Jurist und der Mediziner bei den aus¬ Wenn an den Universitäten Gelegenheit gegeben wäre, für allgemeine Bil- Die Versammlung deutscher Historiker in München Schwierigkeit, daß der Theolog, der Jurist und der Mediziner bei den aus¬ Wenn an den Universitäten Gelegenheit gegeben wäre, für allgemeine Bil- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0406" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214861"/> <fw type="header" place="top"> Die Versammlung deutscher Historiker in München</fw><lb/> <p xml:id="ID_1588" prev="#ID_1587"> Schwierigkeit, daß der Theolog, der Jurist und der Mediziner bei den aus¬<lb/> gedehnten Spezialstudien heute nur wenig Zeit auf Gegenstände von nllgemeinerm<lb/> Interesse zu verwenden imstande ist, wird sich zwar schwer überwinden lassen;<lb/> ich zweifle aber doch nicht, daß es einzelnen Dozenten gelingt und gelingen<lb/> wird. Vielleicht werden sich jüngere Kollegen die Frage vorlegen, ob sich<lb/> nicht durch eine andre Art vou Vorlesungen der Prozentsatz der Studenten,<lb/> die auf den Universitäten noch geschichtliches Interesse haben, einigermaßen<lb/> heben ließe. Ich habe in dieser Beziehung einen Gedanken, den ich ebenfalls<lb/> dem nächsten Historikertage zur Erwägung geben möchte. Die jüngere Gene¬<lb/> ration von Fachkollegen würde nach meiner Meinung für historische Anregung<lb/> und Aufklärung an den Universitäten gut wirken können, wenn man ihnen ge¬<lb/> stattete, in Bezug auf dieses für die meisten der Fakultäten völlig freie Lieb-<lb/> haberstudinm etwas weniger strenge Formalitäten zu beobachten. Kleinere<lb/> Cyklen von historischen Vorlesungen über einzelne interessante Themata sind<lb/> an den englischen Universitäten ebenso wie am LollvgL as ?r!Z.no«z immer üblich<lb/> gewesen. In Deutschland hat sich bekanntlich die Einrichtung der Wander-<lb/> vorlesungen in ausgezeichneter Weise bewährt. Man liest mit Staunen, daß<lb/> ein Mann wie Meister W. H. Riehl in einer Reihe von Jahren an hundert¬<lb/> tausend Zuhörer gezählt hat, die er auf seinen Wanderfahrten für allerlei<lb/> geschichtliche Dinge aufs lebhafteste interessirte. Unsrer heutigen studirenden<lb/> Jugend wird nicht einmal dieser Genuß zu teil, sie steht abseits, während sich<lb/> in den kaufmännischen Vereinen alles dazu drängt, anregende Vorlesungen<lb/> zu hören.</p><lb/> <p xml:id="ID_1589" next="#ID_1590"> Wenn an den Universitäten Gelegenheit gegeben wäre, für allgemeine Bil-<lb/> dungszwecke insbesondre mit Rücksicht ans die öffentlichen und Staatsangelegen¬<lb/> heiten kleine Kurse von vier, sechs, zehn Lektionen zu halten, die natürlich un¬<lb/> entgeltlich sein müßten, so würde ohne Zweifel ein großer Zudrang zu der¬<lb/> gleichen entstehen. Namentlich die jungen Dozenten hätten hier Gelegenheit,<lb/> ihr Talent in freier Verwertung wissenschaftlich gewonnener Überzeugungen<lb/> zu beweisen. Es würde sich dann auch wieder mehr Sinn für veredelte<lb/> Formen des Vortrages einstellen, und der Umstand, daß sich Zuhörer aus<lb/> allen Berufskreisen zu diesen kleinen Kursen einfünden, würde eine freie Popu-<lb/> larisirung der historischen Wissenschaften von selbst ergeben. Es fehlt nicht an<lb/> Mustern für diese Form. Was könnte man sich reizenderes, nützlicheres, wirksameres<lb/> denken, als wenn Vorträge, wie sie Herr von Sybel vor Jahren in München<lb/> vor einen: gemischten Publikum über die Erhebung Enropas gegen Napoleon<lb/> gehalten hat, an einigen Winterabenden vor der studirenden Jugend einer Uni¬<lb/> versität wiederholt würden! Hunderte, die vermöge ihrer doch in der That<lb/> ernsten Berufsstudien heute nicht in der Lage sind, ein geschichtliches Privnt-<lb/> kvlleg, ja selbst ein in regelmüßiger Stnndenfolge dnrch ein ganzes Semester<lb/> sich hinschleppendes Publikum zu hören, würden aus dem kleinen historischen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0406]
Die Versammlung deutscher Historiker in München
Schwierigkeit, daß der Theolog, der Jurist und der Mediziner bei den aus¬
gedehnten Spezialstudien heute nur wenig Zeit auf Gegenstände von nllgemeinerm
Interesse zu verwenden imstande ist, wird sich zwar schwer überwinden lassen;
ich zweifle aber doch nicht, daß es einzelnen Dozenten gelingt und gelingen
wird. Vielleicht werden sich jüngere Kollegen die Frage vorlegen, ob sich
nicht durch eine andre Art vou Vorlesungen der Prozentsatz der Studenten,
die auf den Universitäten noch geschichtliches Interesse haben, einigermaßen
heben ließe. Ich habe in dieser Beziehung einen Gedanken, den ich ebenfalls
dem nächsten Historikertage zur Erwägung geben möchte. Die jüngere Gene¬
ration von Fachkollegen würde nach meiner Meinung für historische Anregung
und Aufklärung an den Universitäten gut wirken können, wenn man ihnen ge¬
stattete, in Bezug auf dieses für die meisten der Fakultäten völlig freie Lieb-
haberstudinm etwas weniger strenge Formalitäten zu beobachten. Kleinere
Cyklen von historischen Vorlesungen über einzelne interessante Themata sind
an den englischen Universitäten ebenso wie am LollvgL as ?r!Z.no«z immer üblich
gewesen. In Deutschland hat sich bekanntlich die Einrichtung der Wander-
vorlesungen in ausgezeichneter Weise bewährt. Man liest mit Staunen, daß
ein Mann wie Meister W. H. Riehl in einer Reihe von Jahren an hundert¬
tausend Zuhörer gezählt hat, die er auf seinen Wanderfahrten für allerlei
geschichtliche Dinge aufs lebhafteste interessirte. Unsrer heutigen studirenden
Jugend wird nicht einmal dieser Genuß zu teil, sie steht abseits, während sich
in den kaufmännischen Vereinen alles dazu drängt, anregende Vorlesungen
zu hören.
Wenn an den Universitäten Gelegenheit gegeben wäre, für allgemeine Bil-
dungszwecke insbesondre mit Rücksicht ans die öffentlichen und Staatsangelegen¬
heiten kleine Kurse von vier, sechs, zehn Lektionen zu halten, die natürlich un¬
entgeltlich sein müßten, so würde ohne Zweifel ein großer Zudrang zu der¬
gleichen entstehen. Namentlich die jungen Dozenten hätten hier Gelegenheit,
ihr Talent in freier Verwertung wissenschaftlich gewonnener Überzeugungen
zu beweisen. Es würde sich dann auch wieder mehr Sinn für veredelte
Formen des Vortrages einstellen, und der Umstand, daß sich Zuhörer aus
allen Berufskreisen zu diesen kleinen Kursen einfünden, würde eine freie Popu-
larisirung der historischen Wissenschaften von selbst ergeben. Es fehlt nicht an
Mustern für diese Form. Was könnte man sich reizenderes, nützlicheres, wirksameres
denken, als wenn Vorträge, wie sie Herr von Sybel vor Jahren in München
vor einen: gemischten Publikum über die Erhebung Enropas gegen Napoleon
gehalten hat, an einigen Winterabenden vor der studirenden Jugend einer Uni¬
versität wiederholt würden! Hunderte, die vermöge ihrer doch in der That
ernsten Berufsstudien heute nicht in der Lage sind, ein geschichtliches Privnt-
kvlleg, ja selbst ein in regelmüßiger Stnndenfolge dnrch ein ganzes Semester
sich hinschleppendes Publikum zu hören, würden aus dem kleinen historischen
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