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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Leila die Aatzenprinzessin

Niendezvous zu geben, ehe sie sich zu der großen musikalischen Soiree auf den
Boden des alten Hauses begaben. Anfangs fand Justus an der Gesellschaft
dieser nächtliche" Musikanten wenig Gefallen; als er aber in einer Lebens¬
beschreibung des Propheten von dessen Vorliebe für Katzen gelesen hatte,
wurde er versöhnlicher gestimmt und machte sogar Versuche, sich mit den ge¬
heimnisvollen Besuchern seines Reviers auf guten Fuß zu stellen. Ein
Sahuichen Milch und einige Zipfel aus dem Vorräte seiner Göttinger Würste
thaten das ihre, und so war er bald einer der angesehensten Leute, über den
mau in Katzenkreisen nur gutes zu miauen wußte, und nach einigen Wochen
kannte er seine vierbeinigen Freunde fast alle.

Um so mehr war er erstaunt, als sich eines Abends an seiner Thür
eine schneeweiße Angorakatze einstellte, die er zuvor nie gesehen hatte, und die
besonders scheu zu sein schien. Es war ein wunderschönes Tier, das sich
dnrch die Grazie seiner Bewegungen und seinen klugen Gesichtsausdruck vor
den übrigen auszeichnete, und dein ein rotes Seidenbündchen vortrefflich stand.
Sie war meist allein, schien die Gesellschaft der andern Katzen geflissentlich zu
meiden und floh, wenn Justus langsamen Schrittes die ausgetretnen Stufen
der steinernen Treppe heraufkam, mit Windeseile an ihm vorüber. Aber seine
Beharrlichkeit, die sich an den schwierigen Regeln der arabischen Grammatik
befestigt hatte, bezwang endlich auch den spröden Sinn der weißen Katze, und
schließlich folgte sie ihm auf Schritt und Tritt, wobei sie sich schnurrend und
mit kerzengerade erhobnen Schweif an ihn schmiegte. Mittags und abends,
wenn er von seinem Spaziergange zurückkehrte, erwartete sie ihn schon unten
an der Treppe, und diese Anhänglichkeit veranlaßte ihn eines Tages, dein
hübschen Tiere den Einlaß in seine Stuben zu gestatten. Die Katze schien
seine Absicht sofort zu erkennen, sie drückte sich an die Thür und schaute zu .
seiner Hand empor, die schon an der Klinke lag. Dann fuhr sie blitzschnell
hinein und strich mit fröhlichem Schnurren. an den Bücherregalen vorüber,
wobei sie die bunten Schildchen der Pergamentrücken mit verständigen Blicken
zu betrachten schien.

Es war in der Mittagsstunde eines schwülen Herbsttages während der
Messe, als Justus von einem kurzen Spaziergange nach Hause zurückkehrte.
Als er gerade durch das Grimmische Thor schritt, trat die Stadtwache unters
Gewehr. Er wandte sich um und gewahrte eine vornehme Karosse von vier
wohlgenährten Lipizanerhengsten gezogen. Auf dem Kutschbock zur Seite des
Rvsselenlers saß ein Mohr in reich betreßter Livree, und auf dem hintern
Schlage standen zwei Haiduken mit lang herabhängenden Schnnrrbürten in
pelzbesetzter Schnürröcken. Im Wagen saß ein bleicher Mann in jüngern
Jahren, der kurzgeschnittnes Haar und auf der Brust einen Ordensstern trug.
Er schien in die Lektüre eines kleinen Buches vertieft zu sein und nahm von
den Gaffern, die sich an den Wagen hinandrängten, nicht die geringste Notiz.


Leila die Aatzenprinzessin

Niendezvous zu geben, ehe sie sich zu der großen musikalischen Soiree auf den
Boden des alten Hauses begaben. Anfangs fand Justus an der Gesellschaft
dieser nächtliche» Musikanten wenig Gefallen; als er aber in einer Lebens¬
beschreibung des Propheten von dessen Vorliebe für Katzen gelesen hatte,
wurde er versöhnlicher gestimmt und machte sogar Versuche, sich mit den ge¬
heimnisvollen Besuchern seines Reviers auf guten Fuß zu stellen. Ein
Sahuichen Milch und einige Zipfel aus dem Vorräte seiner Göttinger Würste
thaten das ihre, und so war er bald einer der angesehensten Leute, über den
mau in Katzenkreisen nur gutes zu miauen wußte, und nach einigen Wochen
kannte er seine vierbeinigen Freunde fast alle.

Um so mehr war er erstaunt, als sich eines Abends an seiner Thür
eine schneeweiße Angorakatze einstellte, die er zuvor nie gesehen hatte, und die
besonders scheu zu sein schien. Es war ein wunderschönes Tier, das sich
dnrch die Grazie seiner Bewegungen und seinen klugen Gesichtsausdruck vor
den übrigen auszeichnete, und dein ein rotes Seidenbündchen vortrefflich stand.
Sie war meist allein, schien die Gesellschaft der andern Katzen geflissentlich zu
meiden und floh, wenn Justus langsamen Schrittes die ausgetretnen Stufen
der steinernen Treppe heraufkam, mit Windeseile an ihm vorüber. Aber seine
Beharrlichkeit, die sich an den schwierigen Regeln der arabischen Grammatik
befestigt hatte, bezwang endlich auch den spröden Sinn der weißen Katze, und
schließlich folgte sie ihm auf Schritt und Tritt, wobei sie sich schnurrend und
mit kerzengerade erhobnen Schweif an ihn schmiegte. Mittags und abends,
wenn er von seinem Spaziergange zurückkehrte, erwartete sie ihn schon unten
an der Treppe, und diese Anhänglichkeit veranlaßte ihn eines Tages, dein
hübschen Tiere den Einlaß in seine Stuben zu gestatten. Die Katze schien
seine Absicht sofort zu erkennen, sie drückte sich an die Thür und schaute zu .
seiner Hand empor, die schon an der Klinke lag. Dann fuhr sie blitzschnell
hinein und strich mit fröhlichem Schnurren. an den Bücherregalen vorüber,
wobei sie die bunten Schildchen der Pergamentrücken mit verständigen Blicken
zu betrachten schien.

Es war in der Mittagsstunde eines schwülen Herbsttages während der
Messe, als Justus von einem kurzen Spaziergange nach Hause zurückkehrte.
Als er gerade durch das Grimmische Thor schritt, trat die Stadtwache unters
Gewehr. Er wandte sich um und gewahrte eine vornehme Karosse von vier
wohlgenährten Lipizanerhengsten gezogen. Auf dem Kutschbock zur Seite des
Rvsselenlers saß ein Mohr in reich betreßter Livree, und auf dem hintern
Schlage standen zwei Haiduken mit lang herabhängenden Schnnrrbürten in
pelzbesetzter Schnürröcken. Im Wagen saß ein bleicher Mann in jüngern
Jahren, der kurzgeschnittnes Haar und auf der Brust einen Ordensstern trug.
Er schien in die Lektüre eines kleinen Buches vertieft zu sein und nahm von
den Gaffern, die sich an den Wagen hinandrängten, nicht die geringste Notiz.


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[0283] Leila die Aatzenprinzessin Niendezvous zu geben, ehe sie sich zu der großen musikalischen Soiree auf den Boden des alten Hauses begaben. Anfangs fand Justus an der Gesellschaft dieser nächtliche» Musikanten wenig Gefallen; als er aber in einer Lebens¬ beschreibung des Propheten von dessen Vorliebe für Katzen gelesen hatte, wurde er versöhnlicher gestimmt und machte sogar Versuche, sich mit den ge¬ heimnisvollen Besuchern seines Reviers auf guten Fuß zu stellen. Ein Sahuichen Milch und einige Zipfel aus dem Vorräte seiner Göttinger Würste thaten das ihre, und so war er bald einer der angesehensten Leute, über den mau in Katzenkreisen nur gutes zu miauen wußte, und nach einigen Wochen kannte er seine vierbeinigen Freunde fast alle. Um so mehr war er erstaunt, als sich eines Abends an seiner Thür eine schneeweiße Angorakatze einstellte, die er zuvor nie gesehen hatte, und die besonders scheu zu sein schien. Es war ein wunderschönes Tier, das sich dnrch die Grazie seiner Bewegungen und seinen klugen Gesichtsausdruck vor den übrigen auszeichnete, und dein ein rotes Seidenbündchen vortrefflich stand. Sie war meist allein, schien die Gesellschaft der andern Katzen geflissentlich zu meiden und floh, wenn Justus langsamen Schrittes die ausgetretnen Stufen der steinernen Treppe heraufkam, mit Windeseile an ihm vorüber. Aber seine Beharrlichkeit, die sich an den schwierigen Regeln der arabischen Grammatik befestigt hatte, bezwang endlich auch den spröden Sinn der weißen Katze, und schließlich folgte sie ihm auf Schritt und Tritt, wobei sie sich schnurrend und mit kerzengerade erhobnen Schweif an ihn schmiegte. Mittags und abends, wenn er von seinem Spaziergange zurückkehrte, erwartete sie ihn schon unten an der Treppe, und diese Anhänglichkeit veranlaßte ihn eines Tages, dein hübschen Tiere den Einlaß in seine Stuben zu gestatten. Die Katze schien seine Absicht sofort zu erkennen, sie drückte sich an die Thür und schaute zu . seiner Hand empor, die schon an der Klinke lag. Dann fuhr sie blitzschnell hinein und strich mit fröhlichem Schnurren. an den Bücherregalen vorüber, wobei sie die bunten Schildchen der Pergamentrücken mit verständigen Blicken zu betrachten schien. Es war in der Mittagsstunde eines schwülen Herbsttages während der Messe, als Justus von einem kurzen Spaziergange nach Hause zurückkehrte. Als er gerade durch das Grimmische Thor schritt, trat die Stadtwache unters Gewehr. Er wandte sich um und gewahrte eine vornehme Karosse von vier wohlgenährten Lipizanerhengsten gezogen. Auf dem Kutschbock zur Seite des Rvsselenlers saß ein Mohr in reich betreßter Livree, und auf dem hintern Schlage standen zwei Haiduken mit lang herabhängenden Schnnrrbürten in pelzbesetzter Schnürröcken. Im Wagen saß ein bleicher Mann in jüngern Jahren, der kurzgeschnittnes Haar und auf der Brust einen Ordensstern trug. Er schien in die Lektüre eines kleinen Buches vertieft zu sein und nahm von den Gaffern, die sich an den Wagen hinandrängten, nicht die geringste Notiz.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/283>, abgerufen am 23.07.2024.