Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Bilder aus dem besten

großen Schlachthäuser besuche" und der Firma Armour und Co. vorgestellt
werden, bemerkte Herr von Rasten.

Zu welchen fühlen sich nun im allgemeinen unsre Landsleute mehr hin¬
gezogen, fragte ich, zu den obern oder zu den untern? Oder bilden sie einen
vermittelnden Stand in der Gesellschaft? Nach dem, was Sie vorher im Hotel
äußerten, verkehren unsre Landsleute wohl weniger mit den "Spitzen" der Ge¬
sellschaft?

Wie Sie wissen, erwiderte er, giebt es in den Vereinigten Staaten keine
Gesellschaftsklassen und Ständennterschiede nach Art der im alten Europa, da
sich hier eben eine neue Welt ausbildet aus den Trümmern und Überschüssen
der alten. Nur die Geldaristokratie bildet hier einen bevorzugten Stand; diese
wechselt aber dank dem hiesigen lebhaften und gewagten Geschüftsspiel sehr
schnell. Kommt einer dnrch einen Glückszufall in' die Höhe, so leistet er sich
für eine Reihe von Monaten oder auch Jahren den Luxus einer Villa und
einer Equipage mit Dienerschaft, wobei er es nicht verschmäht, gelegentlich
auch selbst ein zu tutschiren oder mit dem Marktkorb unter dein Arm
vom Fisch- oder Geflügelmarkt heimzukehren, ja selbst im Winter den Schnee
höchst eigenhändig vor seiner Gartenthür beiseite zu schaufeln. Natürlich giebt
es auch hier wie i" andern größern amerikanischen Städten des Westens eine
fast aus allen Gattungen der Bevölkerung sich rekrutirende Geistesaristokratie,
die Sie am besten werden vertreten sehen, wenn ich Sie in den Bellamisten-
klub führe, der hier unter dem Namen der Meinen-it Union besteht und die
neue Ära Vcllamys herbeiführen möchte.

Der Überdruß an der übertriebnen Geldjagd, warf ich ein, mag denkende
Leute wohl zu solchen Zukunftsträumen verlocken; aber wie das mit dein
Praktischen amerikanischen Wesen zusammenzubringen ist, kann ich mir nicht
erklären.

Sie werden es an einem der nächsten Abende sehen: Bellamh selbst ist
ja Amerikaner, und er, der Vater dieser von Ihnen vielleicht utopistisch ge¬
nannten Idee, wird hier hoch verehrt und gefeiert. Sie finden sein Bild im
Schaufenster jedes Musik- oder Kunstladens. Die Gesellschaft der Bellamisten hält
monatlich einmal Sitzung in einem der prächtigsten Gesellschaftssäle. Ich werde
Sie einführen. Doch da kommen wir gerade an der Offizin eines Ihrer
deutschen Kollegen vorbei; wenn es Ihnen recht ist, mache ich Sie mit einander
bekannt, da er jetzt gerade seine Sprechstunden abhält, wie an dem Schilde
hier zu lesen ist. '

Mit Dank nahm ich das an. Und nachdem sich der Konsul von uns
nach kurzer Vorstellung verabschiedet hatte, saß ich in einem kleinen einfach
eingerichteten Sprechzimmer allein mit dein "Kollegen," Herrn or. Brand.




Bilder aus dem besten

großen Schlachthäuser besuche» und der Firma Armour und Co. vorgestellt
werden, bemerkte Herr von Rasten.

Zu welchen fühlen sich nun im allgemeinen unsre Landsleute mehr hin¬
gezogen, fragte ich, zu den obern oder zu den untern? Oder bilden sie einen
vermittelnden Stand in der Gesellschaft? Nach dem, was Sie vorher im Hotel
äußerten, verkehren unsre Landsleute wohl weniger mit den „Spitzen" der Ge¬
sellschaft?

Wie Sie wissen, erwiderte er, giebt es in den Vereinigten Staaten keine
Gesellschaftsklassen und Ständennterschiede nach Art der im alten Europa, da
sich hier eben eine neue Welt ausbildet aus den Trümmern und Überschüssen
der alten. Nur die Geldaristokratie bildet hier einen bevorzugten Stand; diese
wechselt aber dank dem hiesigen lebhaften und gewagten Geschüftsspiel sehr
schnell. Kommt einer dnrch einen Glückszufall in' die Höhe, so leistet er sich
für eine Reihe von Monaten oder auch Jahren den Luxus einer Villa und
einer Equipage mit Dienerschaft, wobei er es nicht verschmäht, gelegentlich
auch selbst ein zu tutschiren oder mit dem Marktkorb unter dein Arm
vom Fisch- oder Geflügelmarkt heimzukehren, ja selbst im Winter den Schnee
höchst eigenhändig vor seiner Gartenthür beiseite zu schaufeln. Natürlich giebt
es auch hier wie i» andern größern amerikanischen Städten des Westens eine
fast aus allen Gattungen der Bevölkerung sich rekrutirende Geistesaristokratie,
die Sie am besten werden vertreten sehen, wenn ich Sie in den Bellamisten-
klub führe, der hier unter dem Namen der Meinen-it Union besteht und die
neue Ära Vcllamys herbeiführen möchte.

Der Überdruß an der übertriebnen Geldjagd, warf ich ein, mag denkende
Leute wohl zu solchen Zukunftsträumen verlocken; aber wie das mit dein
Praktischen amerikanischen Wesen zusammenzubringen ist, kann ich mir nicht
erklären.

Sie werden es an einem der nächsten Abende sehen: Bellamh selbst ist
ja Amerikaner, und er, der Vater dieser von Ihnen vielleicht utopistisch ge¬
nannten Idee, wird hier hoch verehrt und gefeiert. Sie finden sein Bild im
Schaufenster jedes Musik- oder Kunstladens. Die Gesellschaft der Bellamisten hält
monatlich einmal Sitzung in einem der prächtigsten Gesellschaftssäle. Ich werde
Sie einführen. Doch da kommen wir gerade an der Offizin eines Ihrer
deutschen Kollegen vorbei; wenn es Ihnen recht ist, mache ich Sie mit einander
bekannt, da er jetzt gerade seine Sprechstunden abhält, wie an dem Schilde
hier zu lesen ist. '

Mit Dank nahm ich das an. Und nachdem sich der Konsul von uns
nach kurzer Vorstellung verabschiedet hatte, saß ich in einem kleinen einfach
eingerichteten Sprechzimmer allein mit dein „Kollegen," Herrn or. Brand.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0238" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214693"/>
          <fw type="header" place="top"> Bilder aus dem besten</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_931" prev="#ID_930"> großen Schlachthäuser besuche» und der Firma Armour und Co. vorgestellt<lb/>
werden, bemerkte Herr von Rasten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_932"> Zu welchen fühlen sich nun im allgemeinen unsre Landsleute mehr hin¬<lb/>
gezogen, fragte ich, zu den obern oder zu den untern? Oder bilden sie einen<lb/>
vermittelnden Stand in der Gesellschaft? Nach dem, was Sie vorher im Hotel<lb/>
äußerten, verkehren unsre Landsleute wohl weniger mit den &#x201E;Spitzen" der Ge¬<lb/>
sellschaft?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_933"> Wie Sie wissen, erwiderte er, giebt es in den Vereinigten Staaten keine<lb/>
Gesellschaftsklassen und Ständennterschiede nach Art der im alten Europa, da<lb/>
sich hier eben eine neue Welt ausbildet aus den Trümmern und Überschüssen<lb/>
der alten. Nur die Geldaristokratie bildet hier einen bevorzugten Stand; diese<lb/>
wechselt aber dank dem hiesigen lebhaften und gewagten Geschüftsspiel sehr<lb/>
schnell. Kommt einer dnrch einen Glückszufall in' die Höhe, so leistet er sich<lb/>
für eine Reihe von Monaten oder auch Jahren den Luxus einer Villa und<lb/>
einer Equipage mit Dienerschaft, wobei er es nicht verschmäht, gelegentlich<lb/>
auch selbst ein zu tutschiren oder mit dem Marktkorb unter dein Arm<lb/>
vom Fisch- oder Geflügelmarkt heimzukehren, ja selbst im Winter den Schnee<lb/>
höchst eigenhändig vor seiner Gartenthür beiseite zu schaufeln. Natürlich giebt<lb/>
es auch hier wie i» andern größern amerikanischen Städten des Westens eine<lb/>
fast aus allen Gattungen der Bevölkerung sich rekrutirende Geistesaristokratie,<lb/>
die Sie am besten werden vertreten sehen, wenn ich Sie in den Bellamisten-<lb/>
klub führe, der hier unter dem Namen der Meinen-it Union besteht und die<lb/>
neue Ära Vcllamys herbeiführen möchte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_934"> Der Überdruß an der übertriebnen Geldjagd, warf ich ein, mag denkende<lb/>
Leute wohl zu solchen Zukunftsträumen verlocken; aber wie das mit dein<lb/>
Praktischen amerikanischen Wesen zusammenzubringen ist, kann ich mir nicht<lb/>
erklären.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_935"> Sie werden es an einem der nächsten Abende sehen: Bellamh selbst ist<lb/>
ja Amerikaner, und er, der Vater dieser von Ihnen vielleicht utopistisch ge¬<lb/>
nannten Idee, wird hier hoch verehrt und gefeiert. Sie finden sein Bild im<lb/>
Schaufenster jedes Musik- oder Kunstladens. Die Gesellschaft der Bellamisten hält<lb/>
monatlich einmal Sitzung in einem der prächtigsten Gesellschaftssäle. Ich werde<lb/>
Sie einführen. Doch da kommen wir gerade an der Offizin eines Ihrer<lb/>
deutschen Kollegen vorbei; wenn es Ihnen recht ist, mache ich Sie mit einander<lb/>
bekannt, da er jetzt gerade seine Sprechstunden abhält, wie an dem Schilde<lb/>
hier zu lesen ist. '</p><lb/>
          <p xml:id="ID_936"> Mit Dank nahm ich das an. Und nachdem sich der Konsul von uns<lb/>
nach kurzer Vorstellung verabschiedet hatte, saß ich in einem kleinen einfach<lb/>
eingerichteten Sprechzimmer allein mit dein &#x201E;Kollegen," Herrn or. Brand.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0238] Bilder aus dem besten großen Schlachthäuser besuche» und der Firma Armour und Co. vorgestellt werden, bemerkte Herr von Rasten. Zu welchen fühlen sich nun im allgemeinen unsre Landsleute mehr hin¬ gezogen, fragte ich, zu den obern oder zu den untern? Oder bilden sie einen vermittelnden Stand in der Gesellschaft? Nach dem, was Sie vorher im Hotel äußerten, verkehren unsre Landsleute wohl weniger mit den „Spitzen" der Ge¬ sellschaft? Wie Sie wissen, erwiderte er, giebt es in den Vereinigten Staaten keine Gesellschaftsklassen und Ständennterschiede nach Art der im alten Europa, da sich hier eben eine neue Welt ausbildet aus den Trümmern und Überschüssen der alten. Nur die Geldaristokratie bildet hier einen bevorzugten Stand; diese wechselt aber dank dem hiesigen lebhaften und gewagten Geschüftsspiel sehr schnell. Kommt einer dnrch einen Glückszufall in' die Höhe, so leistet er sich für eine Reihe von Monaten oder auch Jahren den Luxus einer Villa und einer Equipage mit Dienerschaft, wobei er es nicht verschmäht, gelegentlich auch selbst ein zu tutschiren oder mit dem Marktkorb unter dein Arm vom Fisch- oder Geflügelmarkt heimzukehren, ja selbst im Winter den Schnee höchst eigenhändig vor seiner Gartenthür beiseite zu schaufeln. Natürlich giebt es auch hier wie i» andern größern amerikanischen Städten des Westens eine fast aus allen Gattungen der Bevölkerung sich rekrutirende Geistesaristokratie, die Sie am besten werden vertreten sehen, wenn ich Sie in den Bellamisten- klub führe, der hier unter dem Namen der Meinen-it Union besteht und die neue Ära Vcllamys herbeiführen möchte. Der Überdruß an der übertriebnen Geldjagd, warf ich ein, mag denkende Leute wohl zu solchen Zukunftsträumen verlocken; aber wie das mit dein Praktischen amerikanischen Wesen zusammenzubringen ist, kann ich mir nicht erklären. Sie werden es an einem der nächsten Abende sehen: Bellamh selbst ist ja Amerikaner, und er, der Vater dieser von Ihnen vielleicht utopistisch ge¬ nannten Idee, wird hier hoch verehrt und gefeiert. Sie finden sein Bild im Schaufenster jedes Musik- oder Kunstladens. Die Gesellschaft der Bellamisten hält monatlich einmal Sitzung in einem der prächtigsten Gesellschaftssäle. Ich werde Sie einführen. Doch da kommen wir gerade an der Offizin eines Ihrer deutschen Kollegen vorbei; wenn es Ihnen recht ist, mache ich Sie mit einander bekannt, da er jetzt gerade seine Sprechstunden abhält, wie an dem Schilde hier zu lesen ist. ' Mit Dank nahm ich das an. Und nachdem sich der Konsul von uns nach kurzer Vorstellung verabschiedet hatte, saß ich in einem kleinen einfach eingerichteten Sprechzimmer allein mit dein „Kollegen," Herrn or. Brand.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/238
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/238>, abgerufen am 24.07.2024.