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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Zur Iesuitenstage

ciuxlicium Aut in Airum vorwutiuni. Die andre Frage ist folgende. In
den Aktenstücken bei Döllinger-Nensch liest man, wie ein ?. La Qmntinye, der
einer strengern Richtung huldigte, seine Ordensbrüder wegen ihrer laxen Moral
beim Ordeusgeneral, und als der ihm nicht Recht gab, beim Papste verklagt
hat. Gegen den frühern Provinziell bringt er u. a. solgeude Beschwerde vor.
Dieser habe einmal einem bekehrten Kalvinisten -- die Geschichte spielt im süd¬
lichen Frankreich -- die Generalbeichte abgenommen und dann erzählt, er habe
durch alle Kreuz- und Querfragen, die sich auf sein ganzes Leben bis zur Kind¬
heit zurück erstreckten, nicht einmal eine Materie für die Absolution gewonnen,
d.h. also auch nicht die kleinste Sünde herausbekommen; so heilig habe dieser
Kalvinist gelebt. Daß der Mann, schreibt Qmntinye entrüstet, dem Irrglauben
gehuldigt, so viele Jahre "auf dem Lehrstühle der Pestilenz gesessen," so viele
verderbliche Irrtümer verbreitet, die Kirchengebote so oft übertreten habe, das
alles rechnete der?. Provinziell für nichts, denn, meinte er, in alle dem habe
jener ja bonn. na<z gehandelt. Das sei aber, urteilt Qmntinye, entschieden
falsch; einem wissenschaftlich gebildeten Manne, der in Frankreich, also mitten
unter Katholiken lebe, dem könne es unmöglich schwer fallen, seine Irrtümer
einzusehen und zu erkennen, daß die katholische Kirche die allein wahre sei.

Die Jesuiten sollen den dreißigjährigen Krieg verschuldet haben. Daß
sie aus allen Kräften die Gegenreformation betrieben haben, wird niemand
leugnen, und ob oder wie weit sie zum Bruche des Religiousfriedens und zur
Ausrottung des Protestantismus durch Waffengewalt gehetzt haben, lassen wir
dahingestellt sein; aber der große Krieg würde unserm Vaterlande auch dann
nicht erspart geblieben sein, wenn es keinen einzigen Jesuiten, ja keinen ein¬
igen Katholiken mehr beherbergt hätte. Denn der Plan der verbündeten
Holländer, Franzosen und Türken, die spanisch-Habsburgische Weltmacht zu
zertrümmern, stand unerschütterlich fest, und nicht minder der Plan der ehr¬
geizigen und ruhelosen Pfälzer, diese Zertrümmerung zur Machterweiterung zu
benutzen und daher zu befördern. Die lutherischen Kurfürsten haben es den
"Herren Korrespondirendcn," wie die Mitglieder der Union genannt wurden,
vorausgesagt, daß sie durch den Angriff ans die Habsburgische Monarchie diese
zu einem Verzweiflungskampf aufstacheln und einen Weltkrieg entzünden würden,
der die Verwüstung Deutschlands zur Folge haben müßte, und diese Voraus¬
sagung ist eben eingetroffen. Die konfessionellen Vorwände kamen ja den
"Herren Korrespondirenden" sehr gelegen, aber hätten sie gefehlt, so würde
wan andre gefunden haben. Nicht einmal der Schwedeneinfall wäre uns er¬
spart geblieben, denn, schreibt Droysen, der stramme Protestant und Verehrer
seines Helden, in seiner Geschichte Gustav Adolfs: "Es muß ausdrücklich hervor¬
gehoben werden, daß Gustav Adolf bei seinen Verhandlungen mit seinem Reichsrat
und den Ständen die Rettung der Evangelischen in Deutschland auch nicht ein-
wnl als Grund sür den zu unternehmenden Krieg angiebt. Er würde den


Zur Iesuitenstage

ciuxlicium Aut in Airum vorwutiuni. Die andre Frage ist folgende. In
den Aktenstücken bei Döllinger-Nensch liest man, wie ein ?. La Qmntinye, der
einer strengern Richtung huldigte, seine Ordensbrüder wegen ihrer laxen Moral
beim Ordeusgeneral, und als der ihm nicht Recht gab, beim Papste verklagt
hat. Gegen den frühern Provinziell bringt er u. a. solgeude Beschwerde vor.
Dieser habe einmal einem bekehrten Kalvinisten — die Geschichte spielt im süd¬
lichen Frankreich — die Generalbeichte abgenommen und dann erzählt, er habe
durch alle Kreuz- und Querfragen, die sich auf sein ganzes Leben bis zur Kind¬
heit zurück erstreckten, nicht einmal eine Materie für die Absolution gewonnen,
d.h. also auch nicht die kleinste Sünde herausbekommen; so heilig habe dieser
Kalvinist gelebt. Daß der Mann, schreibt Qmntinye entrüstet, dem Irrglauben
gehuldigt, so viele Jahre „auf dem Lehrstühle der Pestilenz gesessen," so viele
verderbliche Irrtümer verbreitet, die Kirchengebote so oft übertreten habe, das
alles rechnete der?. Provinziell für nichts, denn, meinte er, in alle dem habe
jener ja bonn. na<z gehandelt. Das sei aber, urteilt Qmntinye, entschieden
falsch; einem wissenschaftlich gebildeten Manne, der in Frankreich, also mitten
unter Katholiken lebe, dem könne es unmöglich schwer fallen, seine Irrtümer
einzusehen und zu erkennen, daß die katholische Kirche die allein wahre sei.

Die Jesuiten sollen den dreißigjährigen Krieg verschuldet haben. Daß
sie aus allen Kräften die Gegenreformation betrieben haben, wird niemand
leugnen, und ob oder wie weit sie zum Bruche des Religiousfriedens und zur
Ausrottung des Protestantismus durch Waffengewalt gehetzt haben, lassen wir
dahingestellt sein; aber der große Krieg würde unserm Vaterlande auch dann
nicht erspart geblieben sein, wenn es keinen einzigen Jesuiten, ja keinen ein¬
igen Katholiken mehr beherbergt hätte. Denn der Plan der verbündeten
Holländer, Franzosen und Türken, die spanisch-Habsburgische Weltmacht zu
zertrümmern, stand unerschütterlich fest, und nicht minder der Plan der ehr¬
geizigen und ruhelosen Pfälzer, diese Zertrümmerung zur Machterweiterung zu
benutzen und daher zu befördern. Die lutherischen Kurfürsten haben es den
"Herren Korrespondirendcn," wie die Mitglieder der Union genannt wurden,
vorausgesagt, daß sie durch den Angriff ans die Habsburgische Monarchie diese
zu einem Verzweiflungskampf aufstacheln und einen Weltkrieg entzünden würden,
der die Verwüstung Deutschlands zur Folge haben müßte, und diese Voraus¬
sagung ist eben eingetroffen. Die konfessionellen Vorwände kamen ja den
"Herren Korrespondirenden" sehr gelegen, aber hätten sie gefehlt, so würde
wan andre gefunden haben. Nicht einmal der Schwedeneinfall wäre uns er¬
spart geblieben, denn, schreibt Droysen, der stramme Protestant und Verehrer
seines Helden, in seiner Geschichte Gustav Adolfs: „Es muß ausdrücklich hervor¬
gehoben werden, daß Gustav Adolf bei seinen Verhandlungen mit seinem Reichsrat
und den Ständen die Rettung der Evangelischen in Deutschland auch nicht ein-
wnl als Grund sür den zu unternehmenden Krieg angiebt. Er würde den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/208>, abgerufen am 25.08.2024.