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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Zur Zosuitenfrage

Müßte: Man verweigert uns die volle Glaubensfreiheit und Gleichberechtigung!
Nicht bloß England und Amerika, sondern auch die Türkei und China sind
liberaler und duldsamer als das deutsche Reich! Nicht einmal so viel Freiheit,
wie die Sozialdemokraten und Anarchisten genießen, wird uusern allverehrten
Patres zugestanden! Und schwante nicht mit der Agitation für Aufhebung
des Jesuiteugesetzes wieder eines der wenigen Bänder, die die in allen Fugen
krachende Zentrumspartei noch zusammenhalten? Was fürchtet man eigentlich
von ein paar hundert Jesuiten?

Die Jesuiten, sagen die Altkatholiken, haben uus den Syllabus, die un¬
befleckte Empfängnis und die Unfehlbarkeit beschert. Ja. was geht denn das
"us Protestanten an? Oder vielmehr: sind wir den schwarzen Vätern dafür
nicht großen Dank schuldig? Vieles in den Gebräuchen, den Einrichtungen
und dem Leben der katholischen Kirche ist uns sehr sympathisch; aber wenn
uns je einmal die Lust anwandeln sollte, zu konvertiren, so würden die Dog¬
men von der unbefleckten Empfängnis Marias und von der Unfehlbarkett des
Papstes allein schon hinreichen, uns von dieser Thorheit abzuschrecken, nicht
durch ihre Gefährlichkeit, sondern durch ihre Abgeschmacktheit. Je schroffer
eine Konfession ihre Besonderheiten hervorkehrt, desto mehr verliert das, was
sie auch den Angehörigen andrer Konfessionen achtungswürdig und angenehm
macht, seine Anziehungskraft. . ^ ^

Die Jesuiten, sagt man ferner, sind gefährliche Ränkeschmiede. Aber,
>-">ß man denn in Berlin oder Dresden sitzen, um gegen das deutsche ^eich
"der gegen die sächsische Helligkeit Ränke zu schmieden? Und nisten sich nicht
"ach dem Glauben der Jesuitophobeu überall in der Welt Jesuiten in kurzen
Rocken, ja solche in Unterröcken ein. die durch kein Jesuitengesetz gefaßt werden
können? sind wir denn sicher, ob nicht schon alle Kammerherren, Hofdamen
nud Kammerdiener im königlichen Schlosse dem Jesuitenorden angehören
^ Juden sind, würde Ahlwardt sagen --. ob nicht die Herren Beyschlag
u"d Weber selbst teuflischer Jesuitenarglist schon zum Opfer gefallen sind und,
von "..sichtbaren Fädchen geleitet, die Aufhebung des Jesuitengesetzes nur zu
dem Zweck hintertreibe... um den Jesuiten ihren Hetzstofs zu wahren und dem
Zerfall des Zentrums vorzubeugen? Hat doch vor einigen Monaten ein
mittelparteiliches Blatt ganz ernsthaft die Mutmaßung ausgesprochen, das
Zentrum werde die Militärvorlage bewilligen - aus purer Bosheit, um die
preußische Regierung beim katholischen Volke noch mehr verhaßt zu machen;
Märe es nicht eine ganz ähnliche Taktik, wenn die Jesuiten ihre eigne Zu¬
lassung hintertrieben?

Wenn die Jesuiten kommen, sagt man ferner, so ists um deu konfessionellen
Friede" geschehen. Wo steckt denn dieser Friede, der liebliche Knabe, um den
es' geschehen sei., soll? Man ziehe ihn heraus aus seinem Versteck und zeige
ihn uns, daß wir uns an seinem Anblick erlaben, denn beinahe seit vierhundert


Zur Zosuitenfrage

Müßte: Man verweigert uns die volle Glaubensfreiheit und Gleichberechtigung!
Nicht bloß England und Amerika, sondern auch die Türkei und China sind
liberaler und duldsamer als das deutsche Reich! Nicht einmal so viel Freiheit,
wie die Sozialdemokraten und Anarchisten genießen, wird uusern allverehrten
Patres zugestanden! Und schwante nicht mit der Agitation für Aufhebung
des Jesuiteugesetzes wieder eines der wenigen Bänder, die die in allen Fugen
krachende Zentrumspartei noch zusammenhalten? Was fürchtet man eigentlich
von ein paar hundert Jesuiten?

Die Jesuiten, sagen die Altkatholiken, haben uus den Syllabus, die un¬
befleckte Empfängnis und die Unfehlbarkeit beschert. Ja. was geht denn das
"us Protestanten an? Oder vielmehr: sind wir den schwarzen Vätern dafür
nicht großen Dank schuldig? Vieles in den Gebräuchen, den Einrichtungen
und dem Leben der katholischen Kirche ist uns sehr sympathisch; aber wenn
uns je einmal die Lust anwandeln sollte, zu konvertiren, so würden die Dog¬
men von der unbefleckten Empfängnis Marias und von der Unfehlbarkett des
Papstes allein schon hinreichen, uns von dieser Thorheit abzuschrecken, nicht
durch ihre Gefährlichkeit, sondern durch ihre Abgeschmacktheit. Je schroffer
eine Konfession ihre Besonderheiten hervorkehrt, desto mehr verliert das, was
sie auch den Angehörigen andrer Konfessionen achtungswürdig und angenehm
macht, seine Anziehungskraft. . ^ ^

Die Jesuiten, sagt man ferner, sind gefährliche Ränkeschmiede. Aber,
>-">ß man denn in Berlin oder Dresden sitzen, um gegen das deutsche ^eich
»der gegen die sächsische Helligkeit Ränke zu schmieden? Und nisten sich nicht
"ach dem Glauben der Jesuitophobeu überall in der Welt Jesuiten in kurzen
Rocken, ja solche in Unterröcken ein. die durch kein Jesuitengesetz gefaßt werden
können? sind wir denn sicher, ob nicht schon alle Kammerherren, Hofdamen
nud Kammerdiener im königlichen Schlosse dem Jesuitenorden angehören
^ Juden sind, würde Ahlwardt sagen —. ob nicht die Herren Beyschlag
u»d Weber selbst teuflischer Jesuitenarglist schon zum Opfer gefallen sind und,
von »..sichtbaren Fädchen geleitet, die Aufhebung des Jesuitengesetzes nur zu
dem Zweck hintertreibe... um den Jesuiten ihren Hetzstofs zu wahren und dem
Zerfall des Zentrums vorzubeugen? Hat doch vor einigen Monaten ein
mittelparteiliches Blatt ganz ernsthaft die Mutmaßung ausgesprochen, das
Zentrum werde die Militärvorlage bewilligen - aus purer Bosheit, um die
preußische Regierung beim katholischen Volke noch mehr verhaßt zu machen;
Märe es nicht eine ganz ähnliche Taktik, wenn die Jesuiten ihre eigne Zu¬
lassung hintertrieben?

Wenn die Jesuiten kommen, sagt man ferner, so ists um deu konfessionellen
Friede» geschehen. Wo steckt denn dieser Friede, der liebliche Knabe, um den
es' geschehen sei., soll? Man ziehe ihn heraus aus seinem Versteck und zeige
ihn uns, daß wir uns an seinem Anblick erlaben, denn beinahe seit vierhundert


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[0204] Zur Zosuitenfrage Müßte: Man verweigert uns die volle Glaubensfreiheit und Gleichberechtigung! Nicht bloß England und Amerika, sondern auch die Türkei und China sind liberaler und duldsamer als das deutsche Reich! Nicht einmal so viel Freiheit, wie die Sozialdemokraten und Anarchisten genießen, wird uusern allverehrten Patres zugestanden! Und schwante nicht mit der Agitation für Aufhebung des Jesuiteugesetzes wieder eines der wenigen Bänder, die die in allen Fugen krachende Zentrumspartei noch zusammenhalten? Was fürchtet man eigentlich von ein paar hundert Jesuiten? Die Jesuiten, sagen die Altkatholiken, haben uus den Syllabus, die un¬ befleckte Empfängnis und die Unfehlbarkeit beschert. Ja. was geht denn das "us Protestanten an? Oder vielmehr: sind wir den schwarzen Vätern dafür nicht großen Dank schuldig? Vieles in den Gebräuchen, den Einrichtungen und dem Leben der katholischen Kirche ist uns sehr sympathisch; aber wenn uns je einmal die Lust anwandeln sollte, zu konvertiren, so würden die Dog¬ men von der unbefleckten Empfängnis Marias und von der Unfehlbarkett des Papstes allein schon hinreichen, uns von dieser Thorheit abzuschrecken, nicht durch ihre Gefährlichkeit, sondern durch ihre Abgeschmacktheit. Je schroffer eine Konfession ihre Besonderheiten hervorkehrt, desto mehr verliert das, was sie auch den Angehörigen andrer Konfessionen achtungswürdig und angenehm macht, seine Anziehungskraft. . ^ ^ Die Jesuiten, sagt man ferner, sind gefährliche Ränkeschmiede. Aber, >-">ß man denn in Berlin oder Dresden sitzen, um gegen das deutsche ^eich »der gegen die sächsische Helligkeit Ränke zu schmieden? Und nisten sich nicht "ach dem Glauben der Jesuitophobeu überall in der Welt Jesuiten in kurzen Rocken, ja solche in Unterröcken ein. die durch kein Jesuitengesetz gefaßt werden können? sind wir denn sicher, ob nicht schon alle Kammerherren, Hofdamen nud Kammerdiener im königlichen Schlosse dem Jesuitenorden angehören ^ Juden sind, würde Ahlwardt sagen —. ob nicht die Herren Beyschlag u»d Weber selbst teuflischer Jesuitenarglist schon zum Opfer gefallen sind und, von »..sichtbaren Fädchen geleitet, die Aufhebung des Jesuitengesetzes nur zu dem Zweck hintertreibe... um den Jesuiten ihren Hetzstofs zu wahren und dem Zerfall des Zentrums vorzubeugen? Hat doch vor einigen Monaten ein mittelparteiliches Blatt ganz ernsthaft die Mutmaßung ausgesprochen, das Zentrum werde die Militärvorlage bewilligen - aus purer Bosheit, um die preußische Regierung beim katholischen Volke noch mehr verhaßt zu machen; Märe es nicht eine ganz ähnliche Taktik, wenn die Jesuiten ihre eigne Zu¬ lassung hintertrieben? Wenn die Jesuiten kommen, sagt man ferner, so ists um deu konfessionellen Friede» geschehen. Wo steckt denn dieser Friede, der liebliche Knabe, um den es' geschehen sei., soll? Man ziehe ihn heraus aus seinem Versteck und zeige ihn uns, daß wir uns an seinem Anblick erlaben, denn beinahe seit vierhundert

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/204>, abgerufen am 26.08.2024.