Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.Rückblicke und Ausblicke auf die soziale Frage wollte. Traurig ist es nur, wenn Männer in dieser furchtbar ernsten Sache Der Bebelsche Vorschlag zur Versöhnung von Kapital und Arbeit kann Wir denken uns die Sache in folgender Weise. Wenn ein Plantagen¬ Wie kann nun diese Ungerechtigkeit und der offne Abgrund, der uns Wir wissen nur einen Weg dazu: wenn der zukünftige Unternehmer ge¬ Rückblicke und Ausblicke auf die soziale Frage wollte. Traurig ist es nur, wenn Männer in dieser furchtbar ernsten Sache Der Bebelsche Vorschlag zur Versöhnung von Kapital und Arbeit kann Wir denken uns die Sache in folgender Weise. Wenn ein Plantagen¬ Wie kann nun diese Ungerechtigkeit und der offne Abgrund, der uns Wir wissen nur einen Weg dazu: wenn der zukünftige Unternehmer ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0170" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214626"/> <fw type="header" place="top"> Rückblicke und Ausblicke auf die soziale Frage</fw><lb/> <p xml:id="ID_664" prev="#ID_663"> wollte. Traurig ist es nur, wenn Männer in dieser furchtbar ernsten Sache<lb/> eine Heuchelei treiben, die nur die Grünsten der Grünen täuschen kann. Giebt<lb/> es denn gar keine Verantwortung für solchen Schwindel?</p><lb/> <p xml:id="ID_665"> Der Bebelsche Vorschlag zur Versöhnung von Kapital und Arbeit kann<lb/> also auf sich beruhen. Wir schlagen den entgegengesetzten Weg zur Lösung<lb/> vor: wenn wir die Kapitalisten nicht zu Arbeitern herunterdrücken können, so<lb/> wollen wir deu Versuch machen, die Arbeiter zu Kapitalisten zu erheben!<lb/> Mancher wird hierzu bedenklich den Kopf schütteln. Wir bitten aber, erst zu<lb/> höre» und dann zu schütteln.</p><lb/> <p xml:id="ID_666"> Wir denken uns die Sache in folgender Weise. Wenn ein Plantagen¬<lb/> besitzer der nordamerikanischen Südstaaten vor 1L63 eine Zuckerplantage mit<lb/> hundert Schwarzen errichten wollte, so erforderte der Ankauf seiner Arbeiter<lb/> ein Anlagekapital von 100009 Dollars. Wenn dagegen ein Bewohner der<lb/> Nordstaaten eine votwn-nM mit hundert freien Arbeitern errichtete, so ersparte<lb/> er dieses Aulagekapital, denn es wurde ihm von der bürgerlichen Gesellschaft<lb/> unentgeltlich zur Verfügung gestellt. In dieser Lage befindet sich heute jeder<lb/> industrielle Unternehmer. Die Gesellschaft liefert ihm sein gesamtes Arbeits-<lb/> kapitnl unentgeltlich und fordert dafür weder Zinsen noch Abuutzungskosten,<lb/> nimmt es sogar, wenn es verbraucht ist, umsonst zurück und trägt dafür noch<lb/> die spätern Unterhaltungskosten. Nun fragen wir: Ist das vom volkswirtschaft¬<lb/> lichen Standpunkte berechtigt? ist es vom menschlichen Standpunkte zu verant¬<lb/> worten? Wir müssen beide Fragen entschieden verneinen. Die zweite, weil die<lb/> materielle Lage des freien Arbeiters dadurch unter den Standard des frühern<lb/> schwarzen Arbeiters herabgedrückt wird, die erste, weil wir es den Klassen der<lb/> Bevölkerung gegenüber, die nicht Unternehmer sind, für ungerecht halten, wenn<lb/> das Arbeitskapital, das sie selbst auf ihre Kosten aufgezogen und angesammelt<lb/> haben, der kleinen Klasse der Unternehmer unentgeltlich zu vorzeitiger Abnutzung<lb/> überlassen wird. Eine solche Bevorzugung einer kleinen Gesellschaftsklasse ans<lb/> Kosten aller übrigen, wie sie mit der jetzigen Gesellschaftsordnung verbunden<lb/> ist, kann unmöglich Dauer haben, wie der brennende Konflikt zwischen Kapital<lb/> und Arbeit, aus dem die Sozialdemokratie hervorgegangen ist. zur Genüge<lb/> beweist.</p><lb/> <p xml:id="ID_667"> Wie kann nun diese Ungerechtigkeit und der offne Abgrund, der uns<lb/> daraus entgegengähnt, beseitigt werden?</p><lb/> <p xml:id="ID_668" next="#ID_669"> Wir wissen nur einen Weg dazu: wenn der zukünftige Unternehmer ge¬<lb/> setzlich verpflichtet wird, das durch seine Arbeiterschaft dargestellte Arbeitskapital<lb/> als mitbeteiligtes Aktienkapital aufzunehmen und an dem Reingewinn des Be¬<lb/> triebes in demselben Prozentsatz wie sein Anlagekapital teilnehmen zu lasse».<lb/> Wir wollen das an einem Beispiel erläutern. Der Betrieb der vielgenannten<lb/> Firma Gebrüder Stumm zu Saarbrücken hat dem Vernehmen nach 20000 Ar¬<lb/> beiter. Wir nehmen die in einem zwanzigjährigen Arbeiter angesammelte ge-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0170]
Rückblicke und Ausblicke auf die soziale Frage
wollte. Traurig ist es nur, wenn Männer in dieser furchtbar ernsten Sache
eine Heuchelei treiben, die nur die Grünsten der Grünen täuschen kann. Giebt
es denn gar keine Verantwortung für solchen Schwindel?
Der Bebelsche Vorschlag zur Versöhnung von Kapital und Arbeit kann
also auf sich beruhen. Wir schlagen den entgegengesetzten Weg zur Lösung
vor: wenn wir die Kapitalisten nicht zu Arbeitern herunterdrücken können, so
wollen wir deu Versuch machen, die Arbeiter zu Kapitalisten zu erheben!
Mancher wird hierzu bedenklich den Kopf schütteln. Wir bitten aber, erst zu
höre» und dann zu schütteln.
Wir denken uns die Sache in folgender Weise. Wenn ein Plantagen¬
besitzer der nordamerikanischen Südstaaten vor 1L63 eine Zuckerplantage mit
hundert Schwarzen errichten wollte, so erforderte der Ankauf seiner Arbeiter
ein Anlagekapital von 100009 Dollars. Wenn dagegen ein Bewohner der
Nordstaaten eine votwn-nM mit hundert freien Arbeitern errichtete, so ersparte
er dieses Aulagekapital, denn es wurde ihm von der bürgerlichen Gesellschaft
unentgeltlich zur Verfügung gestellt. In dieser Lage befindet sich heute jeder
industrielle Unternehmer. Die Gesellschaft liefert ihm sein gesamtes Arbeits-
kapitnl unentgeltlich und fordert dafür weder Zinsen noch Abuutzungskosten,
nimmt es sogar, wenn es verbraucht ist, umsonst zurück und trägt dafür noch
die spätern Unterhaltungskosten. Nun fragen wir: Ist das vom volkswirtschaft¬
lichen Standpunkte berechtigt? ist es vom menschlichen Standpunkte zu verant¬
worten? Wir müssen beide Fragen entschieden verneinen. Die zweite, weil die
materielle Lage des freien Arbeiters dadurch unter den Standard des frühern
schwarzen Arbeiters herabgedrückt wird, die erste, weil wir es den Klassen der
Bevölkerung gegenüber, die nicht Unternehmer sind, für ungerecht halten, wenn
das Arbeitskapital, das sie selbst auf ihre Kosten aufgezogen und angesammelt
haben, der kleinen Klasse der Unternehmer unentgeltlich zu vorzeitiger Abnutzung
überlassen wird. Eine solche Bevorzugung einer kleinen Gesellschaftsklasse ans
Kosten aller übrigen, wie sie mit der jetzigen Gesellschaftsordnung verbunden
ist, kann unmöglich Dauer haben, wie der brennende Konflikt zwischen Kapital
und Arbeit, aus dem die Sozialdemokratie hervorgegangen ist. zur Genüge
beweist.
Wie kann nun diese Ungerechtigkeit und der offne Abgrund, der uns
daraus entgegengähnt, beseitigt werden?
Wir wissen nur einen Weg dazu: wenn der zukünftige Unternehmer ge¬
setzlich verpflichtet wird, das durch seine Arbeiterschaft dargestellte Arbeitskapital
als mitbeteiligtes Aktienkapital aufzunehmen und an dem Reingewinn des Be¬
triebes in demselben Prozentsatz wie sein Anlagekapital teilnehmen zu lasse».
Wir wollen das an einem Beispiel erläutern. Der Betrieb der vielgenannten
Firma Gebrüder Stumm zu Saarbrücken hat dem Vernehmen nach 20000 Ar¬
beiter. Wir nehmen die in einem zwanzigjährigen Arbeiter angesammelte ge-
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