Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.![]() Rückblicke und Ausblicke auf die soziale Frage ortgcfechte haben den bekannten Vorzug, daß die Gefallnen nach Wohl noch nie aber hat jemand einen ausgiebigern Gebrauch vou dem Greuzboteli II 1893
![]() Rückblicke und Ausblicke auf die soziale Frage ortgcfechte haben den bekannten Vorzug, daß die Gefallnen nach Wohl noch nie aber hat jemand einen ausgiebigern Gebrauch vou dem Greuzboteli II 1893
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0107" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214563"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341857_214455/figures/grenzboten_341857_214455_214563_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Rückblicke und Ausblicke auf die soziale Frage</head><lb/> <p xml:id="ID_405"> ortgcfechte haben den bekannten Vorzug, daß die Gefallnen nach<lb/> kurzer Zeit wieder lebendig werden. Man kann sich da ruhig<lb/> hundertmal totschlagen lasse» und doch ziemlich sicher sein, daß<lb/> man nach wenigen Stunden der nötigen Zungenerholung ganz<lb/> munter wieder ans dem Platze ist, Zuweilen scheint der Tod<lb/> auf den Erschlagnen sogar eine belebende Wirkung auszuüben, dem? man hat<lb/> Falle beobachtet, daß Männer, nachdem sie mehrfach mausetot geschlagen worden<lb/> waren, den Kampf bald darauf mit gestärkter Luugeukraft und vergrößerter<lb/> Dampfspannung im Gehirn wieder aufnahmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_406"> Wohl noch nie aber hat jemand einen ausgiebigern Gebrauch vou dem<lb/> Vergnügen, sich totschlagen zu lassen, gemacht, als Herr Vebel wahrend der<lb/> fünftägigen Redeschlacht im Reichstag über den sozialdemokratischen Zukunfts¬<lb/> staat. Es war nicht der gewöhnliche einfache Totschlag, dem sich Herr Bebel<lb/> unterwarf, sondern der komplizirte und aualifizirte Mord in jeder möglichen<lb/> Form, von der langsamen Kreuzigung bis zur plötzlichen Vernichtung auf elek¬<lb/> trischem Wege. Aber Schaden hats ihm nicht gethan, er befindet sich schon<lb/> längst wieder ganz wohl, fühlt sich nebenbei sehr geehrt und gehoben, daß es<lb/> der deutsche Reichstag fünf Tage lang fertig gebracht hat, ihn ernst zu nehmen,<lb/> und daß ihm so viele berühmte Männer die Ehre erwiesen haben, bei seiner<lb/> Hinrichtung mitzuwirken. Denn mich diesen Ehrenbezeigungen wird nie¬<lb/> mand mehr auf die Behauptung zurückkommen können, daß Herr Bebel ein<lb/> Mann sei, der entweder ob seiner Tollheit ins Narrenhaus oder ob seiner<lb/> Schwindeleien ins Zuchthaus gehöre. Sich gnädig gegen seine Feinde ver¬<lb/> beugend, die ihm zu seinem neuesten Erfolg verholfen haben, hat er als Trium-<lb/> phator die Arena verlassen nud verkündet nun seinen Kunden, daß er sie in<lb/> Zukunft um so besser „halbiren" werde.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Greuzboteli II 1893</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0107]
[Abbildung]
Rückblicke und Ausblicke auf die soziale Frage
ortgcfechte haben den bekannten Vorzug, daß die Gefallnen nach
kurzer Zeit wieder lebendig werden. Man kann sich da ruhig
hundertmal totschlagen lasse» und doch ziemlich sicher sein, daß
man nach wenigen Stunden der nötigen Zungenerholung ganz
munter wieder ans dem Platze ist, Zuweilen scheint der Tod
auf den Erschlagnen sogar eine belebende Wirkung auszuüben, dem? man hat
Falle beobachtet, daß Männer, nachdem sie mehrfach mausetot geschlagen worden
waren, den Kampf bald darauf mit gestärkter Luugeukraft und vergrößerter
Dampfspannung im Gehirn wieder aufnahmen.
Wohl noch nie aber hat jemand einen ausgiebigern Gebrauch vou dem
Vergnügen, sich totschlagen zu lassen, gemacht, als Herr Vebel wahrend der
fünftägigen Redeschlacht im Reichstag über den sozialdemokratischen Zukunfts¬
staat. Es war nicht der gewöhnliche einfache Totschlag, dem sich Herr Bebel
unterwarf, sondern der komplizirte und aualifizirte Mord in jeder möglichen
Form, von der langsamen Kreuzigung bis zur plötzlichen Vernichtung auf elek¬
trischem Wege. Aber Schaden hats ihm nicht gethan, er befindet sich schon
längst wieder ganz wohl, fühlt sich nebenbei sehr geehrt und gehoben, daß es
der deutsche Reichstag fünf Tage lang fertig gebracht hat, ihn ernst zu nehmen,
und daß ihm so viele berühmte Männer die Ehre erwiesen haben, bei seiner
Hinrichtung mitzuwirken. Denn mich diesen Ehrenbezeigungen wird nie¬
mand mehr auf die Behauptung zurückkommen können, daß Herr Bebel ein
Mann sei, der entweder ob seiner Tollheit ins Narrenhaus oder ob seiner
Schwindeleien ins Zuchthaus gehöre. Sich gnädig gegen seine Feinde ver¬
beugend, die ihm zu seinem neuesten Erfolg verholfen haben, hat er als Trium-
phator die Arena verlassen nud verkündet nun seinen Kunden, daß er sie in
Zukunft um so besser „halbiren" werde.
Greuzboteli II 1893
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