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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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von I, Georg Fischer und das beschreibende Gedicht ,,Wildsee" von Robert
Haas hervor. Unter den Spruchgedichten von Ludwig Fulda, Adolf Pichler
und Max Kalbeck finden sich ein paar recht hübsche und beherzigenswerte.
Der Zuruf an die Origineller trifft auch auf einige Beiträge zum "Musen¬
almanach" selbst zu:


Ihr möchtet immer eigne Wege gehn
Und doch bemerkt sein von dem großen Haufen;
Drum sieht man bei gepflasterten Chausseen
Euch nebenher im Straßengraben laufen!

Neben den Alten (heutzutage schimpfen die Jüngsten jeden so, der sein vier¬
zigstes Jahr erreicht hat und i" seiner besten Kraft steht!) hat der Heraus¬
geber aber auch einige neue Namen im Musenalmanach, die wahrscheinlich
jüngern Männern angehören. Außer Haarhaus und Hango, deren Beitrüge
schon im vorigen Jahr ins Gewicht fielen, haben wir diesmal noch Gedichte
von Max Kiesewetter, Albert Matthäi, Oswald Schmidt, deren Namen uns
seither unbekannt waren.

Dagegen fehlen zwei Dichter, die wir zu den besten rechnen müssen, die
seit einem Jahrzehnt ans dein deutschen Parnaß neu erschienen sind. Aber
dafür haben sie sich mit selbständigen Gaben eingestellt. Der eine von ihnen,
Hans Hoffmann, hat sich als Erzähler schon vor der Sammlung seiner ly¬
rischen Gedichte Ruf und Geltung erworben, den andern, Karl Busse, begrüßen
wir überhaupt zum erstenmal, womit nicht gesagt sein soll, daß er sich nicht
längst versucht und bewährt haben könnte. Denn es bleibt der Fluch der
Überproduktion, der leidigen Buchmachern nud Versklempnerei der Gegenwart,
daß anch die wenigen, denen es Ernst und innerstes Bedürfnis ist, das Wert¬
volle und Bielverheißende der poetischen Litteratur der Gegenwart kennen zu
lernen, gelegentlich Gutes übersehen können. Hans Hoffmanns lhrische
Sammlung führt den Titel Vom Lebenswege (Leipzig, A. G. Liebeskind),
und das Pindarifche Motto "Werde, der du bist" und ist ein so lebendiges,
echtes Stück guter Poesie, als nur je eins auf den Büchermarkt gebracht worden
ist. Ein liebenswürdiges, kräftiges und für jeden Sonnenstrahl des Glücks
empfängliches Naturell, eine tapfre Seele, die den Wechsel und Schmerz des
Lebens mit Liebe, mit Selbstbescheidung und mit Humor zu bestehen weiß,
eine in Leid und Lust durch und durch gesunde Empfindung, raschwallendes
^ünstlerblut und die unverwüstliche Laune, die sich zuletzt mit allem vertragen
kann, selbst mit allen Eseln -- die feierlichen Esel nnsgenommen --, dies alles
spricht zu uus aus den Liedern, Bildern und Sprüchen Hoffmanns. Die
Sammlung dürfte schwer zu plündern sein, man muß den Dichter nach Rom
und Capri und von da nach Hinterpommern begleiten, muß seinen Jugend¬
rausch und seinen Schulmeisterkatzenjammer, seine Wiedererholung, sein Braut-
und HauSglück, manche fröhliche Ausfahrt und manche beschauliche Heimkehr


von I, Georg Fischer und das beschreibende Gedicht ,,Wildsee" von Robert
Haas hervor. Unter den Spruchgedichten von Ludwig Fulda, Adolf Pichler
und Max Kalbeck finden sich ein paar recht hübsche und beherzigenswerte.
Der Zuruf an die Origineller trifft auch auf einige Beiträge zum „Musen¬
almanach" selbst zu:


Ihr möchtet immer eigne Wege gehn
Und doch bemerkt sein von dem großen Haufen;
Drum sieht man bei gepflasterten Chausseen
Euch nebenher im Straßengraben laufen!

Neben den Alten (heutzutage schimpfen die Jüngsten jeden so, der sein vier¬
zigstes Jahr erreicht hat und i» seiner besten Kraft steht!) hat der Heraus¬
geber aber auch einige neue Namen im Musenalmanach, die wahrscheinlich
jüngern Männern angehören. Außer Haarhaus und Hango, deren Beitrüge
schon im vorigen Jahr ins Gewicht fielen, haben wir diesmal noch Gedichte
von Max Kiesewetter, Albert Matthäi, Oswald Schmidt, deren Namen uns
seither unbekannt waren.

Dagegen fehlen zwei Dichter, die wir zu den besten rechnen müssen, die
seit einem Jahrzehnt ans dein deutschen Parnaß neu erschienen sind. Aber
dafür haben sie sich mit selbständigen Gaben eingestellt. Der eine von ihnen,
Hans Hoffmann, hat sich als Erzähler schon vor der Sammlung seiner ly¬
rischen Gedichte Ruf und Geltung erworben, den andern, Karl Busse, begrüßen
wir überhaupt zum erstenmal, womit nicht gesagt sein soll, daß er sich nicht
längst versucht und bewährt haben könnte. Denn es bleibt der Fluch der
Überproduktion, der leidigen Buchmachern nud Versklempnerei der Gegenwart,
daß anch die wenigen, denen es Ernst und innerstes Bedürfnis ist, das Wert¬
volle und Bielverheißende der poetischen Litteratur der Gegenwart kennen zu
lernen, gelegentlich Gutes übersehen können. Hans Hoffmanns lhrische
Sammlung führt den Titel Vom Lebenswege (Leipzig, A. G. Liebeskind),
und das Pindarifche Motto „Werde, der du bist" und ist ein so lebendiges,
echtes Stück guter Poesie, als nur je eins auf den Büchermarkt gebracht worden
ist. Ein liebenswürdiges, kräftiges und für jeden Sonnenstrahl des Glücks
empfängliches Naturell, eine tapfre Seele, die den Wechsel und Schmerz des
Lebens mit Liebe, mit Selbstbescheidung und mit Humor zu bestehen weiß,
eine in Leid und Lust durch und durch gesunde Empfindung, raschwallendes
^ünstlerblut und die unverwüstliche Laune, die sich zuletzt mit allem vertragen
kann, selbst mit allen Eseln — die feierlichen Esel nnsgenommen —, dies alles
spricht zu uus aus den Liedern, Bildern und Sprüchen Hoffmanns. Die
Sammlung dürfte schwer zu plündern sein, man muß den Dichter nach Rom
und Capri und von da nach Hinterpommern begleiten, muß seinen Jugend¬
rausch und seinen Schulmeisterkatzenjammer, seine Wiedererholung, sein Braut-
und HauSglück, manche fröhliche Ausfahrt und manche beschauliche Heimkehr


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/94>, abgerufen am 01.09.2024.