Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.Leopold von Gerlach Quintessenz der badisch-wnrttembergisch-darmstädtischen Kauuuer, also recht Um so freudiger begrüßte er den Waffenstillstand von Malmö, den der Strömungen unsrer Zeit, von denen eine die Wiederherstellung der Hörigkeit zum Ziele hat,
während die andre dem Kommunismus zustrebt, giebt dann eine Übersicht dessen, was von Staat und Kirche, von Privaten und Vereinen und vom Fortschritt der Technik zur Milderung der Not und zur Abschwächung oder Versöhnung der sozialen Gegensätze bisher geschehen ist oder geschehen könnte, um dann als das einzige Mittel, das uns aus dem furchtbaren Dilemma erlösen kann, wie die Leser nach dein bisher Veröffentlichten wohl schon geahnt haben werden, den Reuerwerb von Grund und Boden zu bezeichnen, Zuletzt entwickelt er die Aufgaben, die unsrer auswär¬ tigen Politik aus dieser Sachlage erwachsen, und die Reformen, die einerseits bis zu dieser endgiltigen Lösung die sozialen libet zu mildern, andrerseits das Werk der Lösung krönen sollen, Leopold von Gerlach Quintessenz der badisch-wnrttembergisch-darmstädtischen Kauuuer, also recht Um so freudiger begrüßte er den Waffenstillstand von Malmö, den der Strömungen unsrer Zeit, von denen eine die Wiederherstellung der Hörigkeit zum Ziele hat,
während die andre dem Kommunismus zustrebt, giebt dann eine Übersicht dessen, was von Staat und Kirche, von Privaten und Vereinen und vom Fortschritt der Technik zur Milderung der Not und zur Abschwächung oder Versöhnung der sozialen Gegensätze bisher geschehen ist oder geschehen könnte, um dann als das einzige Mittel, das uns aus dem furchtbaren Dilemma erlösen kann, wie die Leser nach dein bisher Veröffentlichten wohl schon geahnt haben werden, den Reuerwerb von Grund und Boden zu bezeichnen, Zuletzt entwickelt er die Aufgaben, die unsrer auswär¬ tigen Politik aus dieser Sachlage erwachsen, und die Reformen, die einerseits bis zu dieser endgiltigen Lösung die sozialen libet zu mildern, andrerseits das Werk der Lösung krönen sollen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0632" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214424"/> <fw type="header" place="top"> Leopold von Gerlach</fw><lb/> <p xml:id="ID_2268" prev="#ID_2267"> Quintessenz der badisch-wnrttembergisch-darmstädtischen Kauuuer, also recht<lb/> eigentlich der alten Rheinbnndsländer"; er spricht von dein „unsinnigen Treiben<lb/> der Fünfziger" und den „kindischen Verfassuugsentwnrfeu der siebzehn Ver¬<lb/> trauensmänner"; der deutsche Erbkaiser (Dahlmauns) ist ihm „eine neue Bla¬<lb/> mage," die Reichsverfassung „der vomblo der Absurdität." Ob er den Ent¬<lb/> wurf wohl jemals gelesen hat? Es war derselbe Entwurf, den Prinz Wilhelm<lb/> von Preußen damals „eine großartige Erscheinung unsrer Zeit" nannte und<lb/> als Kaiser nachmals in seinen Grundzügen verwirklichte. Die Nationalversamm¬<lb/> lung in der Paulskirche, vielleicht die glänzendste Vertretung, die je ein Volt<lb/> gehabt hat, nennt Gerlach mit Borliebe die „Frankfurter Schwätzer"; der<lb/> „kühne Griff" des „edeln" Gagern, der die Wahl des Reichsverwesers (2!t. Juni)<lb/> entschied, ist ihm nicht etwa ein Mißgriff, was er war, sondern „eine elende<lb/> Überlistnug der gutgesinnten Partei." Nach seinem unzweifelhaft schlechten<lb/> Rate sollte sich sein König jeder Initiative in der Sache dieser Reichsverfassung<lb/> enthalten, „jeden Konflikt mit den Frankfurtern vermeiden, aber sie sich vom<lb/> Leibe halten mit ihren Souveränitätsgelüsteu."</p><lb/> <p xml:id="ID_2269" next="#ID_2270"> Um so freudiger begrüßte er den Waffenstillstand von Malmö, den der<lb/> König am 2. September 1848 bestätigte. „Das ist endlich einmal eine Rea¬<lb/> lität," ruft er aus. Denn er sieht in ihm „die eigentliche Wendung" im<lb/> Gange der Regierung Friedrich Wilhelms; „hier trat er der Paulskirche, der<lb/> Singakademie jder preußischen Nationalversammlung^ und seineu Ministern<lb/> gegenüber zum erstenmale wieder als König ans." Seitdem ging in der That<lb/> die Partei Gerlachs aus der Verteidigung zum Angriff über, die Camarilla<lb/> organisirte sich fester. Als wegen des blutigen Zusammenstoßes in Breslau<lb/> die Mehrheit der Nationalversammlung anch das bisher rein monarchische<lb/> Wesen der Armee bedrohte, riet Gerlach bereits am 9. September dem König,<lb/> den Grafen Brandenburg, den in Schlesien kommandirenden General, ins<lb/> Ministerium zu berufen. Damals noch ohne Erfolg. Vielmehr vertraute der<lb/> König die Leitung des Ministeriums zunächst dem General von Pfuel an, er¬<lb/> nannte aber gleichzeitig den General von Wrangel zum Oberbefehlshaber aller<lb/> Truppen zwischen Elbe und Oder („in den Marken"). Es war das in den<lb/> Augen Gerlachs „der erste praktische Restanrationsversnch." Da sich nun das</p><lb/> <note xml:id="FID_50" prev="#FID_49" place="foot"> Strömungen unsrer Zeit, von denen eine die Wiederherstellung der Hörigkeit zum Ziele hat,<lb/> während die andre dem Kommunismus zustrebt, giebt dann eine Übersicht dessen, was von Staat<lb/> und Kirche, von Privaten und Vereinen und vom Fortschritt der Technik zur Milderung der Not<lb/> und zur Abschwächung oder Versöhnung der sozialen Gegensätze bisher geschehen ist oder geschehen<lb/> könnte, um dann als das einzige Mittel, das uns aus dem furchtbaren Dilemma erlösen kann,<lb/> wie die Leser nach dein bisher Veröffentlichten wohl schon geahnt haben werden, den Reuerwerb<lb/> von Grund und Boden zu bezeichnen, Zuletzt entwickelt er die Aufgaben, die unsrer auswär¬<lb/> tigen Politik aus dieser Sachlage erwachsen, und die Reformen, die einerseits bis zu dieser<lb/> endgiltigen Lösung die sozialen libet zu mildern, andrerseits das Werk der Lösung krönen sollen,</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0632]
Leopold von Gerlach
Quintessenz der badisch-wnrttembergisch-darmstädtischen Kauuuer, also recht
eigentlich der alten Rheinbnndsländer"; er spricht von dein „unsinnigen Treiben
der Fünfziger" und den „kindischen Verfassuugsentwnrfeu der siebzehn Ver¬
trauensmänner"; der deutsche Erbkaiser (Dahlmauns) ist ihm „eine neue Bla¬
mage," die Reichsverfassung „der vomblo der Absurdität." Ob er den Ent¬
wurf wohl jemals gelesen hat? Es war derselbe Entwurf, den Prinz Wilhelm
von Preußen damals „eine großartige Erscheinung unsrer Zeit" nannte und
als Kaiser nachmals in seinen Grundzügen verwirklichte. Die Nationalversamm¬
lung in der Paulskirche, vielleicht die glänzendste Vertretung, die je ein Volt
gehabt hat, nennt Gerlach mit Borliebe die „Frankfurter Schwätzer"; der
„kühne Griff" des „edeln" Gagern, der die Wahl des Reichsverwesers (2!t. Juni)
entschied, ist ihm nicht etwa ein Mißgriff, was er war, sondern „eine elende
Überlistnug der gutgesinnten Partei." Nach seinem unzweifelhaft schlechten
Rate sollte sich sein König jeder Initiative in der Sache dieser Reichsverfassung
enthalten, „jeden Konflikt mit den Frankfurtern vermeiden, aber sie sich vom
Leibe halten mit ihren Souveränitätsgelüsteu."
Um so freudiger begrüßte er den Waffenstillstand von Malmö, den der
König am 2. September 1848 bestätigte. „Das ist endlich einmal eine Rea¬
lität," ruft er aus. Denn er sieht in ihm „die eigentliche Wendung" im
Gange der Regierung Friedrich Wilhelms; „hier trat er der Paulskirche, der
Singakademie jder preußischen Nationalversammlung^ und seineu Ministern
gegenüber zum erstenmale wieder als König ans." Seitdem ging in der That
die Partei Gerlachs aus der Verteidigung zum Angriff über, die Camarilla
organisirte sich fester. Als wegen des blutigen Zusammenstoßes in Breslau
die Mehrheit der Nationalversammlung anch das bisher rein monarchische
Wesen der Armee bedrohte, riet Gerlach bereits am 9. September dem König,
den Grafen Brandenburg, den in Schlesien kommandirenden General, ins
Ministerium zu berufen. Damals noch ohne Erfolg. Vielmehr vertraute der
König die Leitung des Ministeriums zunächst dem General von Pfuel an, er¬
nannte aber gleichzeitig den General von Wrangel zum Oberbefehlshaber aller
Truppen zwischen Elbe und Oder („in den Marken"). Es war das in den
Augen Gerlachs „der erste praktische Restanrationsversnch." Da sich nun das
Strömungen unsrer Zeit, von denen eine die Wiederherstellung der Hörigkeit zum Ziele hat,
während die andre dem Kommunismus zustrebt, giebt dann eine Übersicht dessen, was von Staat
und Kirche, von Privaten und Vereinen und vom Fortschritt der Technik zur Milderung der Not
und zur Abschwächung oder Versöhnung der sozialen Gegensätze bisher geschehen ist oder geschehen
könnte, um dann als das einzige Mittel, das uns aus dem furchtbaren Dilemma erlösen kann,
wie die Leser nach dein bisher Veröffentlichten wohl schon geahnt haben werden, den Reuerwerb
von Grund und Boden zu bezeichnen, Zuletzt entwickelt er die Aufgaben, die unsrer auswär¬
tigen Politik aus dieser Sachlage erwachsen, und die Reformen, die einerseits bis zu dieser
endgiltigen Lösung die sozialen libet zu mildern, andrerseits das Werk der Lösung krönen sollen,
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