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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Taiengedcinken über die Steuerreform in Preußen

Prozent. Er kann dem mühelosem Erwerb aus Zinsen unbedenklich fünf Pro¬
zent auflegen. Dann bekommt er ohne Zweifel so viel Geld ein, daß er die
Einkommen bis MOO Mark von aller direkten Steuer befreien und den Ge¬
meinden überlassen kann. Dann ist denen geholfen.

Und was für kurze, klare Steuerlisten erhält der Staat dann! Sie ent¬
halten nur leistungsfähige Leute, deren Einkommen aus Gehalt, Pension, Ge¬
werbe und Grundbesitz der Landrat vortrefflich übersehen und einschätzen kann.

Wenn aber die ungeheuern Zinsrenten aus den persönlichen Stenerlisten
verschwinden, regelt sich das Wahlrecht nach dem Dreillasfensystem von selbst.
Der jetzt von der Regierung unternommene Versuch, die Wahlfrage zu lösen ^
befriedigt niemand und rettet die Dreiklasfenwcihl nicht.

In die Kvmmunalsteuerlisteu würden alle reinen Rentner mit einer festen,
für den Ort festgesetzten Summe einzutragen sein. Sie zahlten dadurch gleiche
Gemeindesteuern, was bei gleichem Rechte an den Gemeindceinrichtungen nur
billig ist.

Die Besteuerung der Rente an der Quelle würde die kleinen Ziusempfänger
natürlich antreffen. Die Härte ist aber nur scheinbar, da der Staat sie von
feder andern direkten Steuer befreit hat. Nur Wohlthätigkeitsanstalten müßten
berücksichtigt werden. Sie müßten die Steuer ans obrigkeitliches Attest zurück¬
erhalten.

Das sind Grundzüge, auf denen Dauerndes aufgebaut werden konnte.
Die Finanzmänner des neuen Kurses mögen es versuchen. Wir glauben, sie
würden damit bestimmt so viel Steuern einbekommen, daß nicht nnr das Staats¬
defizit verschwände, sondern auch noch ein Sümmchen zur Schuldentilgung
übrig bliebe. Und das ist etwas, was Preußen mit seinen sechs Milliarden
Schulden not thut. Jede Schuldentilgung vermindert die Ungleichheit der
Güterverteilung, und jede Schuldenvermehrung verschärft die Verschiebung
zu Ungunsten der Besitzlosen und zum schließlichen Nutzen der Sozinl-
demokratie.

Ich bin am Schlüsse. Ich habe unnütze Arbeit geschrieben, ich weiß es.
Diese Anschauungen passen in kein Programm unsrer Parteien, und in das
Programm der lieben Börse erst recht nicht. Aber vielleicht blüht ihnen eine
Zukunft. Das möchte ich ein klein wenig hoffen.




Taiengedcinken über die Steuerreform in Preußen

Prozent. Er kann dem mühelosem Erwerb aus Zinsen unbedenklich fünf Pro¬
zent auflegen. Dann bekommt er ohne Zweifel so viel Geld ein, daß er die
Einkommen bis MOO Mark von aller direkten Steuer befreien und den Ge¬
meinden überlassen kann. Dann ist denen geholfen.

Und was für kurze, klare Steuerlisten erhält der Staat dann! Sie ent¬
halten nur leistungsfähige Leute, deren Einkommen aus Gehalt, Pension, Ge¬
werbe und Grundbesitz der Landrat vortrefflich übersehen und einschätzen kann.

Wenn aber die ungeheuern Zinsrenten aus den persönlichen Stenerlisten
verschwinden, regelt sich das Wahlrecht nach dem Dreillasfensystem von selbst.
Der jetzt von der Regierung unternommene Versuch, die Wahlfrage zu lösen ^
befriedigt niemand und rettet die Dreiklasfenwcihl nicht.

In die Kvmmunalsteuerlisteu würden alle reinen Rentner mit einer festen,
für den Ort festgesetzten Summe einzutragen sein. Sie zahlten dadurch gleiche
Gemeindesteuern, was bei gleichem Rechte an den Gemeindceinrichtungen nur
billig ist.

Die Besteuerung der Rente an der Quelle würde die kleinen Ziusempfänger
natürlich antreffen. Die Härte ist aber nur scheinbar, da der Staat sie von
feder andern direkten Steuer befreit hat. Nur Wohlthätigkeitsanstalten müßten
berücksichtigt werden. Sie müßten die Steuer ans obrigkeitliches Attest zurück¬
erhalten.

Das sind Grundzüge, auf denen Dauerndes aufgebaut werden konnte.
Die Finanzmänner des neuen Kurses mögen es versuchen. Wir glauben, sie
würden damit bestimmt so viel Steuern einbekommen, daß nicht nnr das Staats¬
defizit verschwände, sondern auch noch ein Sümmchen zur Schuldentilgung
übrig bliebe. Und das ist etwas, was Preußen mit seinen sechs Milliarden
Schulden not thut. Jede Schuldentilgung vermindert die Ungleichheit der
Güterverteilung, und jede Schuldenvermehrung verschärft die Verschiebung
zu Ungunsten der Besitzlosen und zum schließlichen Nutzen der Sozinl-
demokratie.

Ich bin am Schlüsse. Ich habe unnütze Arbeit geschrieben, ich weiß es.
Diese Anschauungen passen in kein Programm unsrer Parteien, und in das
Programm der lieben Börse erst recht nicht. Aber vielleicht blüht ihnen eine
Zukunft. Das möchte ich ein klein wenig hoffen.




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[0618] Taiengedcinken über die Steuerreform in Preußen Prozent. Er kann dem mühelosem Erwerb aus Zinsen unbedenklich fünf Pro¬ zent auflegen. Dann bekommt er ohne Zweifel so viel Geld ein, daß er die Einkommen bis MOO Mark von aller direkten Steuer befreien und den Ge¬ meinden überlassen kann. Dann ist denen geholfen. Und was für kurze, klare Steuerlisten erhält der Staat dann! Sie ent¬ halten nur leistungsfähige Leute, deren Einkommen aus Gehalt, Pension, Ge¬ werbe und Grundbesitz der Landrat vortrefflich übersehen und einschätzen kann. Wenn aber die ungeheuern Zinsrenten aus den persönlichen Stenerlisten verschwinden, regelt sich das Wahlrecht nach dem Dreillasfensystem von selbst. Der jetzt von der Regierung unternommene Versuch, die Wahlfrage zu lösen ^ befriedigt niemand und rettet die Dreiklasfenwcihl nicht. In die Kvmmunalsteuerlisteu würden alle reinen Rentner mit einer festen, für den Ort festgesetzten Summe einzutragen sein. Sie zahlten dadurch gleiche Gemeindesteuern, was bei gleichem Rechte an den Gemeindceinrichtungen nur billig ist. Die Besteuerung der Rente an der Quelle würde die kleinen Ziusempfänger natürlich antreffen. Die Härte ist aber nur scheinbar, da der Staat sie von feder andern direkten Steuer befreit hat. Nur Wohlthätigkeitsanstalten müßten berücksichtigt werden. Sie müßten die Steuer ans obrigkeitliches Attest zurück¬ erhalten. Das sind Grundzüge, auf denen Dauerndes aufgebaut werden konnte. Die Finanzmänner des neuen Kurses mögen es versuchen. Wir glauben, sie würden damit bestimmt so viel Steuern einbekommen, daß nicht nnr das Staats¬ defizit verschwände, sondern auch noch ein Sümmchen zur Schuldentilgung übrig bliebe. Und das ist etwas, was Preußen mit seinen sechs Milliarden Schulden not thut. Jede Schuldentilgung vermindert die Ungleichheit der Güterverteilung, und jede Schuldenvermehrung verschärft die Verschiebung zu Ungunsten der Besitzlosen und zum schließlichen Nutzen der Sozinl- demokratie. Ich bin am Schlüsse. Ich habe unnütze Arbeit geschrieben, ich weiß es. Diese Anschauungen passen in kein Programm unsrer Parteien, und in das Programm der lieben Börse erst recht nicht. Aber vielleicht blüht ihnen eine Zukunft. Das möchte ich ein klein wenig hoffen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/618>, abgerufen am 01.09.2024.