deren Gedächtnis den Namen Eichrvdts nicht bewahrt. Und es scheint, als ob man in dieser Blütezeit der Spezialität einem Dichter, der die "Winter- frenden" und das"Kartvffellied" Biedermaiers, die,.Elegie um Griechenland" des Buchbinders Trenherz und die "Große deutsche Litteraturballade" gesungen hat, kein eignes Gefühl und keinen ernsten Ausdruck desselben zugetraut hätte. Keine oder fast keine unsrer Anthologien hat einige der eigentlich lhrischen Gedichte des lebensfroher Badners in größere Kreise getragen, und doch braucht man den "Lyra" übcrschriebnen Band nur aufzuschlagen, nur sofort zu sehen, daß es an innige" und frischen Gedichten, die eine höchst liebenswürdige Natur offenbaren, nicht fehlt. Eichrodt ist eine so durchaus klare, männlich tapfere Natur, daß er den Zug seiner eignen Seele zum Träumerisch-Elegischen unter¬ drückt und besiegt, nur haben sogar den Eindruck, als ob er mit dem Humor und der schalkhaften Trivialität seiner Spottgedichte gelegentlich gegen sich selbst ebensowohl wie gegen das falsche Pathos andrer Dichter angekämpft habe. Das hindert freilich nicht, daß eine Reihe seiner schönsten Gedichte doch den träumerisch elegischen Klang hat, der forttönen wird, so lange es eine deutsche Lhrik giebt. "Abendstern," "Weiher," "Still ists im weiten Wald¬ revier," ein paar von den Liedern am Bodensee, mich eine und die andre der Balladen könnten Eichrodts Namen bewahre", wie heute Dichternamen bewahrt werden. Besser" Gewinn werden die wenigen davontragen, die sich entschließe!?, sich in die "Gesammelten Dichtungen," die ernsten wie die heitern, hineinzu- lesen. Der Dichter hat keine große gestaltende Kraft, keine zwingende Phan¬ tasie gehabt, aber die warme, leicht flüssige, poetische Stimmung, die das Leben zu begleiten versteht. Und so hat er jeder Situation, seinen Wanderfahrten, seiner Liebe, seinen Freundschaften, allen Eindrücken einen echt poetischen Nach¬ hall geben können. Einmal ist dieser Nachhall stark und künstlerisch rein, ein andermal leise und ungewiß zitternd, immer aber empfindet man, daß es ge- lebte und nur in seltnen, unerfreulichen Fällen gemachte Gedichte sind, die Eichrodt giebt. Das Blättern in diesen Gedichten befreundet uns mit einem liebenswürdigen, durch und durch gefunden Menschen, der sich von der "Er¬ folglosigkeit" keine gute Stunde hat verderben lassen. Freilich soll man leinen vor dem Ende glücklich preisen, das helle Jauchzen, mit dem der vaterländisch gesinnte und vaterländisch stolze Dichter den Hymnus "Zum Einzug in Stra߬ burg" und das "Lied ans Vismarck" gesungen und Deutschland zugerufen hat:
Luß leuchten deine VMevkrvnc Von nun auf ewig unverhüllt!
hat verstummen müssen, und selbst im "Kehraus" hat Eichrodt, der so gern froh war und andre froh machte, seine spätern Empfindungen nicht satirisch offenbaren mögen. Doch selbst wenn er es gethan hätte, würde das keinen etwas an dem Gesamtbilde des oberrheinischen, wein- und sangfrohen Dichters
Grcuzbvien I 1893 74
deren Gedächtnis den Namen Eichrvdts nicht bewahrt. Und es scheint, als ob man in dieser Blütezeit der Spezialität einem Dichter, der die „Winter- frenden" und das„Kartvffellied" Biedermaiers, die,.Elegie um Griechenland" des Buchbinders Trenherz und die „Große deutsche Litteraturballade" gesungen hat, kein eignes Gefühl und keinen ernsten Ausdruck desselben zugetraut hätte. Keine oder fast keine unsrer Anthologien hat einige der eigentlich lhrischen Gedichte des lebensfroher Badners in größere Kreise getragen, und doch braucht man den „Lyra" übcrschriebnen Band nur aufzuschlagen, nur sofort zu sehen, daß es an innige» und frischen Gedichten, die eine höchst liebenswürdige Natur offenbaren, nicht fehlt. Eichrodt ist eine so durchaus klare, männlich tapfere Natur, daß er den Zug seiner eignen Seele zum Träumerisch-Elegischen unter¬ drückt und besiegt, nur haben sogar den Eindruck, als ob er mit dem Humor und der schalkhaften Trivialität seiner Spottgedichte gelegentlich gegen sich selbst ebensowohl wie gegen das falsche Pathos andrer Dichter angekämpft habe. Das hindert freilich nicht, daß eine Reihe seiner schönsten Gedichte doch den träumerisch elegischen Klang hat, der forttönen wird, so lange es eine deutsche Lhrik giebt. „Abendstern," „Weiher," „Still ists im weiten Wald¬ revier," ein paar von den Liedern am Bodensee, mich eine und die andre der Balladen könnten Eichrodts Namen bewahre», wie heute Dichternamen bewahrt werden. Besser» Gewinn werden die wenigen davontragen, die sich entschließe!?, sich in die „Gesammelten Dichtungen," die ernsten wie die heitern, hineinzu- lesen. Der Dichter hat keine große gestaltende Kraft, keine zwingende Phan¬ tasie gehabt, aber die warme, leicht flüssige, poetische Stimmung, die das Leben zu begleiten versteht. Und so hat er jeder Situation, seinen Wanderfahrten, seiner Liebe, seinen Freundschaften, allen Eindrücken einen echt poetischen Nach¬ hall geben können. Einmal ist dieser Nachhall stark und künstlerisch rein, ein andermal leise und ungewiß zitternd, immer aber empfindet man, daß es ge- lebte und nur in seltnen, unerfreulichen Fällen gemachte Gedichte sind, die Eichrodt giebt. Das Blättern in diesen Gedichten befreundet uns mit einem liebenswürdigen, durch und durch gefunden Menschen, der sich von der „Er¬ folglosigkeit" keine gute Stunde hat verderben lassen. Freilich soll man leinen vor dem Ende glücklich preisen, das helle Jauchzen, mit dem der vaterländisch gesinnte und vaterländisch stolze Dichter den Hymnus „Zum Einzug in Stra߬ burg" und das „Lied ans Vismarck" gesungen und Deutschland zugerufen hat:
Luß leuchten deine VMevkrvnc Von nun auf ewig unverhüllt!
hat verstummen müssen, und selbst im „Kehraus" hat Eichrodt, der so gern froh war und andre froh machte, seine spätern Empfindungen nicht satirisch offenbaren mögen. Doch selbst wenn er es gethan hätte, würde das keinen etwas an dem Gesamtbilde des oberrheinischen, wein- und sangfrohen Dichters
Grcuzbvien I 1893 74
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[0595]
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ob man in dieser Blütezeit der Spezialität einem Dichter, der die „Winter-
frenden" und das„Kartvffellied" Biedermaiers, die,.Elegie um Griechenland"
des Buchbinders Trenherz und die „Große deutsche Litteraturballade" gesungen
hat, kein eignes Gefühl und keinen ernsten Ausdruck desselben zugetraut hätte.
Keine oder fast keine unsrer Anthologien hat einige der eigentlich lhrischen
Gedichte des lebensfroher Badners in größere Kreise getragen, und doch braucht
man den „Lyra" übcrschriebnen Band nur aufzuschlagen, nur sofort zu sehen,
daß es an innige» und frischen Gedichten, die eine höchst liebenswürdige Natur
offenbaren, nicht fehlt. Eichrodt ist eine so durchaus klare, männlich tapfere
Natur, daß er den Zug seiner eignen Seele zum Träumerisch-Elegischen unter¬
drückt und besiegt, nur haben sogar den Eindruck, als ob er mit dem Humor
und der schalkhaften Trivialität seiner Spottgedichte gelegentlich gegen sich
selbst ebensowohl wie gegen das falsche Pathos andrer Dichter angekämpft
habe. Das hindert freilich nicht, daß eine Reihe seiner schönsten Gedichte
doch den träumerisch elegischen Klang hat, der forttönen wird, so lange es
eine deutsche Lhrik giebt. „Abendstern," „Weiher," „Still ists im weiten Wald¬
revier," ein paar von den Liedern am Bodensee, mich eine und die andre der
Balladen könnten Eichrodts Namen bewahre», wie heute Dichternamen bewahrt
werden. Besser» Gewinn werden die wenigen davontragen, die sich entschließe!?,
sich in die „Gesammelten Dichtungen," die ernsten wie die heitern, hineinzu-
lesen. Der Dichter hat keine große gestaltende Kraft, keine zwingende Phan¬
tasie gehabt, aber die warme, leicht flüssige, poetische Stimmung, die das Leben
zu begleiten versteht. Und so hat er jeder Situation, seinen Wanderfahrten,
seiner Liebe, seinen Freundschaften, allen Eindrücken einen echt poetischen Nach¬
hall geben können. Einmal ist dieser Nachhall stark und künstlerisch rein, ein
andermal leise und ungewiß zitternd, immer aber empfindet man, daß es ge-
lebte und nur in seltnen, unerfreulichen Fällen gemachte Gedichte sind, die
Eichrodt giebt. Das Blättern in diesen Gedichten befreundet uns mit einem
liebenswürdigen, durch und durch gefunden Menschen, der sich von der „Er¬
folglosigkeit" keine gute Stunde hat verderben lassen. Freilich soll man leinen
vor dem Ende glücklich preisen, das helle Jauchzen, mit dem der vaterländisch
gesinnte und vaterländisch stolze Dichter den Hymnus „Zum Einzug in Stra߬
burg" und das „Lied ans Vismarck" gesungen und Deutschland zugerufen hat:
Luß leuchten deine VMevkrvnc
Von nun auf ewig unverhüllt!
hat verstummen müssen, und selbst im „Kehraus" hat Eichrodt, der so gern
froh war und andre froh machte, seine spätern Empfindungen nicht satirisch
offenbaren mögen. Doch selbst wenn er es gethan hätte, würde das keinen
etwas an dem Gesamtbilde des oberrheinischen, wein- und sangfrohen Dichters
Grcuzbvien I 1893 74
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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/595>, abgerufen am 25.02.2025.
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