Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches unsrer Erde und auf keinem andern Planeten, auch nicht auf dem Mars. Er Maßgebliches und Unmaßgebliches unsrer Erde und auf keinem andern Planeten, auch nicht auf dem Mars. Er <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0557" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214349"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_2017" prev="#ID_2016" next="#ID_2018"> unsrer Erde und auf keinem andern Planeten, auch nicht auf dem Mars. Er<lb/> schließt auf Seite 308 mit dem Satze: „Erhaben über die Vergänglichkeit der Erde<lb/> und der Sonne, wie des Firmaments, das nächtlich über unserm Haupte seine<lb/> Kreise zieht, bleibt die menschliche Seele, der wir eine ewige Dauer zumessen<lb/> können, denn, wie Paracelsus sagt, Gott ist in ihr." — Noch einen Schritt weiter<lb/> geht Dr. Dudon-Haller, Privatdozent und Arzt am Bürgerspital in Bern. Sein<lb/> akademischer Vortrag: Schöpfung und Entwicklung nach Bibel und Natur-<lb/> wissenschaft (Basel, R. Reich, 1892) enthält eine Rechtfertigung der mosaischen<lb/> Schöpfungsgeschichte und eine kurze, klare, schlagende Widerlegung des Darwinis¬<lb/> mus. — Der Titel: Grundlegung einer Kosmobiologie von F. Ritter von<lb/> Feldegg (Wien, A. Hölder, 1891) täuscht einigermaßen, da die Schrift weit<lb/> mehr erkenntnistheoretischen als kosmobiologischen Inhalts ist und sich vorzugs¬<lb/> weise mit dem Wesen von Zeit und Raum beschäftigt. Aber sie gehört hierher,<lb/> weil der Verfasser zu dem Ergebnis kommt, daß Natur und Geist zwei verschiedne,<lb/> ,.inkommensurable" Ordnungen seien, die sich jedoch in dem menschlichen Jchgefühi<lb/> „kreuzen," und daß der „biologische Weltprozeß" auf eine höhere Entwicklungs¬<lb/> form, auf eine „unsre eigne Art weit übersteigende rein geistige Wesenheit" hin¬<lb/> weise. Es ist erfreulich, zu sehen, wie diese alten Wahrheiten nun auch in<lb/> algebraischen Gleichungen und mit Asymptoten bewiesen werden, die uus noch<lb/> mehr inipvuiren würden, wenn sie nicht öfter (Seite 71 dreimal) Assymp-<lb/> toten gedruckt wären. Das schöne Wort ,, Apodictizitnt" empfehlen wir zur<lb/> Verwendung in Neichsgerichtsentscheidungen. Man sieht übrigens, Karl du Pret<lb/> hat nicht so ganz Unrecht mit seinem von Feldegg zitirteu Scherz: die alten Weiber<lb/> behielten am Ende immer Recht, die Gelehrten immer Unrecht. — Zum Nationalis¬<lb/> mus des vorigen Jahrhunderts steuert C. Umdrehen sein mit Schätzen modernster<lb/> Errungenschaften beladnes Schifflein zurück in dem Buche: Die Entwicklung der<lb/> Menschen im Lichte christlich-rationaler Weltanschauung, zweite verän¬<lb/> derte und erweiterte Auslage (Hamburg, Verlagsanstalt A.-G., 1892). Es ist etwas<lb/> viel, was er ans 222 Seiten bietet, nämlich Natur- und Geschichtsphilosophie,<lb/> Theologie und Sozinlwissenschaft, aber es ist alles lesbar, und die sozialpolitischen<lb/> und volkswirtschaftlichen Brocken verraten eine gesunde Grundansicht. In der<lb/> Philosophie und Theologie haut und sticht er nach rechts und nach links gegen<lb/> Klerikalismus und Materialismus und stellt mit löblicher Entschiedenheit sein<lb/> Glaubensbekenntnis auf. Es besteht in dem einen Dogma: „Ich glaube, daß<lb/> Christus der Gesandte des lebendigen Gottes ist." Wie weit wir jedoch trotz aller<lb/> Mühe unsrer Vermittlungstheologen und -Philosophen von der erstrebten Einigung<lb/> der Geister entfernt bleiben, wird uns mich bei diesen Schriften wieder klar. —<lb/> Wahrend Umdrehen die Dogmen von Erbsünde und Erlösung und von den Wir¬<lb/> kungen der Taufe ganz entschieden verwirft, sucht G. I. Bock, den spüre»<lb/> des tiefsinnigen Drummond folgend, in einer geistvollen Broschüre, die einer kleinen,<lb/> aber desto andächtigem Gemeinde zur Erbauung dienen wird, diese drei Dogmen<lb/> als Lebensgesetze der Geisterwelt, die in den Naturgesetze» ihre genaue Analogie<lb/> fänden, zu erweisen (Naturwissenschaft und Bibel. Nur ein Gesetz in Natur<lb/> und Schrift. Naturwisseuschnftlich-theologische Studie »ach Drummond. Leipzig,<lb/> A Deichert, 1892). — Ohne Beziehung auf die höchsten und letzten Fragen ge¬<lb/> schrieben ist das Büchelchen: Thales erwacht! Eine Erklärung des Wesens der<lb/> Naturkräfte vou I. A. Stiihely (Leipzig, Otto Wigand. 1892). Der Verfasser<lb/> vertritt — ob mit neuen Gründen, vermögen wir nicht zu beurteilen — die auch<lb/> abgesehen von Thales nicht neue Hhpothese, daß alle Wärme, alle Bewegung, alles</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0557]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
unsrer Erde und auf keinem andern Planeten, auch nicht auf dem Mars. Er
schließt auf Seite 308 mit dem Satze: „Erhaben über die Vergänglichkeit der Erde
und der Sonne, wie des Firmaments, das nächtlich über unserm Haupte seine
Kreise zieht, bleibt die menschliche Seele, der wir eine ewige Dauer zumessen
können, denn, wie Paracelsus sagt, Gott ist in ihr." — Noch einen Schritt weiter
geht Dr. Dudon-Haller, Privatdozent und Arzt am Bürgerspital in Bern. Sein
akademischer Vortrag: Schöpfung und Entwicklung nach Bibel und Natur-
wissenschaft (Basel, R. Reich, 1892) enthält eine Rechtfertigung der mosaischen
Schöpfungsgeschichte und eine kurze, klare, schlagende Widerlegung des Darwinis¬
mus. — Der Titel: Grundlegung einer Kosmobiologie von F. Ritter von
Feldegg (Wien, A. Hölder, 1891) täuscht einigermaßen, da die Schrift weit
mehr erkenntnistheoretischen als kosmobiologischen Inhalts ist und sich vorzugs¬
weise mit dem Wesen von Zeit und Raum beschäftigt. Aber sie gehört hierher,
weil der Verfasser zu dem Ergebnis kommt, daß Natur und Geist zwei verschiedne,
,.inkommensurable" Ordnungen seien, die sich jedoch in dem menschlichen Jchgefühi
„kreuzen," und daß der „biologische Weltprozeß" auf eine höhere Entwicklungs¬
form, auf eine „unsre eigne Art weit übersteigende rein geistige Wesenheit" hin¬
weise. Es ist erfreulich, zu sehen, wie diese alten Wahrheiten nun auch in
algebraischen Gleichungen und mit Asymptoten bewiesen werden, die uus noch
mehr inipvuiren würden, wenn sie nicht öfter (Seite 71 dreimal) Assymp-
toten gedruckt wären. Das schöne Wort ,, Apodictizitnt" empfehlen wir zur
Verwendung in Neichsgerichtsentscheidungen. Man sieht übrigens, Karl du Pret
hat nicht so ganz Unrecht mit seinem von Feldegg zitirteu Scherz: die alten Weiber
behielten am Ende immer Recht, die Gelehrten immer Unrecht. — Zum Nationalis¬
mus des vorigen Jahrhunderts steuert C. Umdrehen sein mit Schätzen modernster
Errungenschaften beladnes Schifflein zurück in dem Buche: Die Entwicklung der
Menschen im Lichte christlich-rationaler Weltanschauung, zweite verän¬
derte und erweiterte Auslage (Hamburg, Verlagsanstalt A.-G., 1892). Es ist etwas
viel, was er ans 222 Seiten bietet, nämlich Natur- und Geschichtsphilosophie,
Theologie und Sozinlwissenschaft, aber es ist alles lesbar, und die sozialpolitischen
und volkswirtschaftlichen Brocken verraten eine gesunde Grundansicht. In der
Philosophie und Theologie haut und sticht er nach rechts und nach links gegen
Klerikalismus und Materialismus und stellt mit löblicher Entschiedenheit sein
Glaubensbekenntnis auf. Es besteht in dem einen Dogma: „Ich glaube, daß
Christus der Gesandte des lebendigen Gottes ist." Wie weit wir jedoch trotz aller
Mühe unsrer Vermittlungstheologen und -Philosophen von der erstrebten Einigung
der Geister entfernt bleiben, wird uns mich bei diesen Schriften wieder klar. —
Wahrend Umdrehen die Dogmen von Erbsünde und Erlösung und von den Wir¬
kungen der Taufe ganz entschieden verwirft, sucht G. I. Bock, den spüre»
des tiefsinnigen Drummond folgend, in einer geistvollen Broschüre, die einer kleinen,
aber desto andächtigem Gemeinde zur Erbauung dienen wird, diese drei Dogmen
als Lebensgesetze der Geisterwelt, die in den Naturgesetze» ihre genaue Analogie
fänden, zu erweisen (Naturwissenschaft und Bibel. Nur ein Gesetz in Natur
und Schrift. Naturwisseuschnftlich-theologische Studie »ach Drummond. Leipzig,
A Deichert, 1892). — Ohne Beziehung auf die höchsten und letzten Fragen ge¬
schrieben ist das Büchelchen: Thales erwacht! Eine Erklärung des Wesens der
Naturkräfte vou I. A. Stiihely (Leipzig, Otto Wigand. 1892). Der Verfasser
vertritt — ob mit neuen Gründen, vermögen wir nicht zu beurteilen — die auch
abgesehen von Thales nicht neue Hhpothese, daß alle Wärme, alle Bewegung, alles
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