Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.Streif- und Lederzüge aus vergangnen Tagen Größen? Held z. B. war allbekannt als Gründer der "Lokomotive," des ersten Streif- und Lederzüge aus vergangnen Tagen Größen? Held z. B. war allbekannt als Gründer der „Lokomotive," des ersten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0500" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214292"/> <fw type="header" place="top"> Streif- und Lederzüge aus vergangnen Tagen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1701" prev="#ID_1700" next="#ID_1702"> Größen? Held z. B. war allbekannt als Gründer der „Lokomotive," des ersten<lb/> der kleinen Wochenblätter zu zehn Neugroschen das Vierteljahr. In neuerer<lb/> Zeit hatte er sich bei der Partei verdächtig gemacht und sollte zum Kongreß<lb/> nicht zugelassen werden. Da erschien er mit einer Leibgarde von Maschinen¬<lb/> bauern und forderte mit schmetternder Stimme, gewohnt, das souveräne Volk<lb/> uuter freiem Himmel zu apostrophireu, männiglich zum Zuugenkampf auf Tod<lb/> und Leben heraus. sein Freund und Mitverfasser einer Jllustrirten Welt¬<lb/> geschichte, Otto von Corviu-Wierzbieki, fehlte nicht. Er war unbehelligt trotz<lb/> seiner Teilnahme an Herweghs berüchtigten Freischarenznge, trat etwas thea¬<lb/> tralisch aus, hat sich aber daun in Baden und in Nordamerika als ein tüchtiger<lb/> Mann bewährt. Da war der „kleine D'Ester," neben Waldeck Führer der<lb/> „entschiednen Linken" in der preußischen Nationalversammlung. Er nahm<lb/> die Wahl zum Präsidenten der demokratischen Partei an, seinen Vorbehalt<lb/> jedoch, sich der Sache widmen zu wollen, soweit es seine Pflichten als Ab¬<lb/> geordneter gestatten wüten, nahm ein Teil der Anwesenden mit Murren auf:<lb/> was hatte denn die Nationalversammlung zu bedeuten neben diesem souveränen<lb/> Konvent? Die beiderseitigen Interessen sind übrigens nicht in Konflikt ge¬<lb/> raten. D'Ester erfreute sich des Rufs ganz besondrer Gefährlichkeit, und noch<lb/> als er sich nach der Erhebung in Süddeutschland in die Schweiz gerettet<lb/> hatte, erfuhr er den ausdauernden Haß seiner politischen Feinde. Er wollte<lb/> sich wieder dem ärztlichen Berufe widmen, den er vorher ausgeübt hatte, und<lb/> kam bei der preußische» Regierung um Abschriften der ihm verloren gcgaugnen<lb/> Zeugnisse über seine Staatsprüfungen ein, erhielt jedoch den Bescheid, die<lb/> Regierung fühle sich nicht veranlaßt, einem flüchtigen Hochverräter die Mittel<lb/> zum Erwerb zu liefern. Dennoch war er bald in den Alpen, wie früher an<lb/> der Mosel, als geschickter Arzt von aufopfernder Pflichttreue beliebt und ge¬<lb/> ehrt. Neben dem kleinen D'Ester stand der lange Saß, „Flottensaß," weil er<lb/> schon 1842 seine Stimme für die Gründung einer deutscheu Flotte erhoben<lb/> hatte, damals eine Stimme in der Wüste. Da war ferner Arnold Rüge, der<lb/> seinen Sitz in Frankfurt aufgegeben hatte, um in Berlin die „Reform" zu<lb/> redigiren, sein Mitredakteur Oppenheim, ein ungewöhnlich häßlicher Mann,<lb/> der mit heftigen Worten den Kongreß zu einer „That" aufforderte, nämlich<lb/> zur Annahme der Menschenrechte von 1793 vn, blos. Da war der Schneider<lb/> Weitling, einer der ersten Propheten des Kommunismus, aber schou halb<lb/> vergessen und nur noch durch seine große Schirmmütze zwischen all den Kala¬<lb/> bresern auffallend, der Prosektvr Virchow, bereits mit vielem Selbstbewußtsein<lb/> um sich blickend — doch, wie gesagt, wer zählt die Völker, nennt die Namen!<lb/> Die eigentlichen Führer der Straßenbewegung freilich mußte man mit Aus-<lb/> nahme Helds auch auf der Straße oder unter den Zelten im Tiergarten<lb/> suchen, den ehrwürdigen Vater Karbe, seines Zeichens Konditor, Herrn „Linden¬<lb/> müller" mit dem weißen Cylinderhute, einen ehemaligen Kaufmann Müller,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0500]
Streif- und Lederzüge aus vergangnen Tagen
Größen? Held z. B. war allbekannt als Gründer der „Lokomotive," des ersten
der kleinen Wochenblätter zu zehn Neugroschen das Vierteljahr. In neuerer
Zeit hatte er sich bei der Partei verdächtig gemacht und sollte zum Kongreß
nicht zugelassen werden. Da erschien er mit einer Leibgarde von Maschinen¬
bauern und forderte mit schmetternder Stimme, gewohnt, das souveräne Volk
uuter freiem Himmel zu apostrophireu, männiglich zum Zuugenkampf auf Tod
und Leben heraus. sein Freund und Mitverfasser einer Jllustrirten Welt¬
geschichte, Otto von Corviu-Wierzbieki, fehlte nicht. Er war unbehelligt trotz
seiner Teilnahme an Herweghs berüchtigten Freischarenznge, trat etwas thea¬
tralisch aus, hat sich aber daun in Baden und in Nordamerika als ein tüchtiger
Mann bewährt. Da war der „kleine D'Ester," neben Waldeck Führer der
„entschiednen Linken" in der preußischen Nationalversammlung. Er nahm
die Wahl zum Präsidenten der demokratischen Partei an, seinen Vorbehalt
jedoch, sich der Sache widmen zu wollen, soweit es seine Pflichten als Ab¬
geordneter gestatten wüten, nahm ein Teil der Anwesenden mit Murren auf:
was hatte denn die Nationalversammlung zu bedeuten neben diesem souveränen
Konvent? Die beiderseitigen Interessen sind übrigens nicht in Konflikt ge¬
raten. D'Ester erfreute sich des Rufs ganz besondrer Gefährlichkeit, und noch
als er sich nach der Erhebung in Süddeutschland in die Schweiz gerettet
hatte, erfuhr er den ausdauernden Haß seiner politischen Feinde. Er wollte
sich wieder dem ärztlichen Berufe widmen, den er vorher ausgeübt hatte, und
kam bei der preußische» Regierung um Abschriften der ihm verloren gcgaugnen
Zeugnisse über seine Staatsprüfungen ein, erhielt jedoch den Bescheid, die
Regierung fühle sich nicht veranlaßt, einem flüchtigen Hochverräter die Mittel
zum Erwerb zu liefern. Dennoch war er bald in den Alpen, wie früher an
der Mosel, als geschickter Arzt von aufopfernder Pflichttreue beliebt und ge¬
ehrt. Neben dem kleinen D'Ester stand der lange Saß, „Flottensaß," weil er
schon 1842 seine Stimme für die Gründung einer deutscheu Flotte erhoben
hatte, damals eine Stimme in der Wüste. Da war ferner Arnold Rüge, der
seinen Sitz in Frankfurt aufgegeben hatte, um in Berlin die „Reform" zu
redigiren, sein Mitredakteur Oppenheim, ein ungewöhnlich häßlicher Mann,
der mit heftigen Worten den Kongreß zu einer „That" aufforderte, nämlich
zur Annahme der Menschenrechte von 1793 vn, blos. Da war der Schneider
Weitling, einer der ersten Propheten des Kommunismus, aber schou halb
vergessen und nur noch durch seine große Schirmmütze zwischen all den Kala¬
bresern auffallend, der Prosektvr Virchow, bereits mit vielem Selbstbewußtsein
um sich blickend — doch, wie gesagt, wer zählt die Völker, nennt die Namen!
Die eigentlichen Führer der Straßenbewegung freilich mußte man mit Aus-
nahme Helds auch auf der Straße oder unter den Zelten im Tiergarten
suchen, den ehrwürdigen Vater Karbe, seines Zeichens Konditor, Herrn „Linden¬
müller" mit dem weißen Cylinderhute, einen ehemaligen Kaufmann Müller,
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