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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Lindahls Stammbuch

sie zu den Mobilien des Mannes zahlte. Seine übrigen Seltenheiten habe
ich vergessen; aber der liberale Sinn des Mannes machte mir viel Ver¬
gnügen. Er kannte unser Vaterland und unsre deutsche Litteratur besser, als
mancher deutscher Professor." Lindahl erreichte kein hohes Alter, er starb am
29. Januar 1813 und hinterließ einen Teil seiner Bücherschätze der schwe¬
dischen Akademie zu Stockholm, einen andern der lateinischen Stadtschule von
Norrköping.

Ein besondres Prachtstück seiner Hinterlassenschaft war nun das erwähnte
Stammbuch oder "Gedenkbuch um Freunde" (Uinnss Lot !rkVg.nner, tilliöri^
Herr ^oll. Mol. IiiiuliM i Uol'rKöxwg'), worin sich, wie in wenigen Stamm¬
büchern der Zeit, eine wahre Galerie hervorragender Menschen aus Schweden,
Dänemark, Deutschland und Frankreich eingetragen hatte. So lange Lindahls
Witwe lebte, blieb dieses kostbare Andenken in ihrem Besitz, nach ihrem Tode
kam es durch Erbschaft an ihren Neffen Almqnist, der unter König Karl
Johann dem Vierzehnten Direktor des schwedischen Gefängniswesens, übrigens
ein Halbbruder jenes merkwürdigen Schriftstellers und Dichters Karl Jonas
Ludwig Almquist war, der nach reicher und bedeutsamer Wirksamkeit, 1851
plötzlich des Giftmordes angeklagt, aus Schweden flüchtete und unter fremden
Namen in Amerika und Deutschland lebte und in Bremen starb. Nach dem
späten Tode des Besitzers erwarb ein Stockholmer Kunsthändler, Bnkowski,
das Stammbuch, lind von diesem kaufte es 1892 der schwedische Dichter und
Oberbibliothekar der schwedischen Reichsbibliothek Graf Karl Snvilsky, der als
Bibliophile und Sammler zur Kulturgeschichte seines Vaterlandes an den denk¬
würdigen Blättern ebenso lebhaften Anteil nahm wie als Dichter, und dessen
Großvater, Graf G. Snoilsky, eines der dichterischen Talente der Zeit Gustavs
des Dritten, mit einer schwedischen Übertragung des Horazischen ^.urssini ouis-
"Ms mLcliooritÄtöni öilißit in dein Stammbuche eingezeichnet steht. Der Mit¬
teilung des jetzigen Besitzers verdanke ich die Kenntnis einer Anzahl der wich¬
tigsten Blatter und Eintragungen des Stammbnchs, namentlich derer, die Liu¬
dahl auf seiner Reise des Jahres 1798 in Deutschland und Frankreich ge
sammelt hat.

Ans der Reihe früherer Einzeichnuugen können uns nur einige aus dem
Jahre 1783 interessiren. Moses Mendelssohn spendet mit seiner Silhouette
"Berlin, den 14ten September 1783" die Zeilen:


Bestimmung deS Menschen.
Nach Wahrheit forschen, Schönes lieben, Gutes wollen, das Beste thun,
Zum geneigten Andenken
Moses Mendelssohn.

Auch der Mathematiker und Astronom Johann Bernoulli, der damalige
Herausgeber des Berliner "Archivs zur neuern Geschichte, Geographie, Natur-


Lindahls Stammbuch

sie zu den Mobilien des Mannes zahlte. Seine übrigen Seltenheiten habe
ich vergessen; aber der liberale Sinn des Mannes machte mir viel Ver¬
gnügen. Er kannte unser Vaterland und unsre deutsche Litteratur besser, als
mancher deutscher Professor." Lindahl erreichte kein hohes Alter, er starb am
29. Januar 1813 und hinterließ einen Teil seiner Bücherschätze der schwe¬
dischen Akademie zu Stockholm, einen andern der lateinischen Stadtschule von
Norrköping.

Ein besondres Prachtstück seiner Hinterlassenschaft war nun das erwähnte
Stammbuch oder „Gedenkbuch um Freunde" (Uinnss Lot !rkVg.nner, tilliöri^
Herr ^oll. Mol. IiiiuliM i Uol'rKöxwg'), worin sich, wie in wenigen Stamm¬
büchern der Zeit, eine wahre Galerie hervorragender Menschen aus Schweden,
Dänemark, Deutschland und Frankreich eingetragen hatte. So lange Lindahls
Witwe lebte, blieb dieses kostbare Andenken in ihrem Besitz, nach ihrem Tode
kam es durch Erbschaft an ihren Neffen Almqnist, der unter König Karl
Johann dem Vierzehnten Direktor des schwedischen Gefängniswesens, übrigens
ein Halbbruder jenes merkwürdigen Schriftstellers und Dichters Karl Jonas
Ludwig Almquist war, der nach reicher und bedeutsamer Wirksamkeit, 1851
plötzlich des Giftmordes angeklagt, aus Schweden flüchtete und unter fremden
Namen in Amerika und Deutschland lebte und in Bremen starb. Nach dem
späten Tode des Besitzers erwarb ein Stockholmer Kunsthändler, Bnkowski,
das Stammbuch, lind von diesem kaufte es 1892 der schwedische Dichter und
Oberbibliothekar der schwedischen Reichsbibliothek Graf Karl Snvilsky, der als
Bibliophile und Sammler zur Kulturgeschichte seines Vaterlandes an den denk¬
würdigen Blättern ebenso lebhaften Anteil nahm wie als Dichter, und dessen
Großvater, Graf G. Snoilsky, eines der dichterischen Talente der Zeit Gustavs
des Dritten, mit einer schwedischen Übertragung des Horazischen ^.urssini ouis-
«Ms mLcliooritÄtöni öilißit in dein Stammbuche eingezeichnet steht. Der Mit¬
teilung des jetzigen Besitzers verdanke ich die Kenntnis einer Anzahl der wich¬
tigsten Blatter und Eintragungen des Stammbnchs, namentlich derer, die Liu¬
dahl auf seiner Reise des Jahres 1798 in Deutschland und Frankreich ge
sammelt hat.

Ans der Reihe früherer Einzeichnuugen können uns nur einige aus dem
Jahre 1783 interessiren. Moses Mendelssohn spendet mit seiner Silhouette
„Berlin, den 14ten September 1783" die Zeilen:


Bestimmung deS Menschen.
Nach Wahrheit forschen, Schönes lieben, Gutes wollen, das Beste thun,
Zum geneigten Andenken
Moses Mendelssohn.

Auch der Mathematiker und Astronom Johann Bernoulli, der damalige
Herausgeber des Berliner „Archivs zur neuern Geschichte, Geographie, Natur-


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[0047] Lindahls Stammbuch sie zu den Mobilien des Mannes zahlte. Seine übrigen Seltenheiten habe ich vergessen; aber der liberale Sinn des Mannes machte mir viel Ver¬ gnügen. Er kannte unser Vaterland und unsre deutsche Litteratur besser, als mancher deutscher Professor." Lindahl erreichte kein hohes Alter, er starb am 29. Januar 1813 und hinterließ einen Teil seiner Bücherschätze der schwe¬ dischen Akademie zu Stockholm, einen andern der lateinischen Stadtschule von Norrköping. Ein besondres Prachtstück seiner Hinterlassenschaft war nun das erwähnte Stammbuch oder „Gedenkbuch um Freunde" (Uinnss Lot !rkVg.nner, tilliöri^ Herr ^oll. Mol. IiiiuliM i Uol'rKöxwg'), worin sich, wie in wenigen Stamm¬ büchern der Zeit, eine wahre Galerie hervorragender Menschen aus Schweden, Dänemark, Deutschland und Frankreich eingetragen hatte. So lange Lindahls Witwe lebte, blieb dieses kostbare Andenken in ihrem Besitz, nach ihrem Tode kam es durch Erbschaft an ihren Neffen Almqnist, der unter König Karl Johann dem Vierzehnten Direktor des schwedischen Gefängniswesens, übrigens ein Halbbruder jenes merkwürdigen Schriftstellers und Dichters Karl Jonas Ludwig Almquist war, der nach reicher und bedeutsamer Wirksamkeit, 1851 plötzlich des Giftmordes angeklagt, aus Schweden flüchtete und unter fremden Namen in Amerika und Deutschland lebte und in Bremen starb. Nach dem späten Tode des Besitzers erwarb ein Stockholmer Kunsthändler, Bnkowski, das Stammbuch, lind von diesem kaufte es 1892 der schwedische Dichter und Oberbibliothekar der schwedischen Reichsbibliothek Graf Karl Snvilsky, der als Bibliophile und Sammler zur Kulturgeschichte seines Vaterlandes an den denk¬ würdigen Blättern ebenso lebhaften Anteil nahm wie als Dichter, und dessen Großvater, Graf G. Snoilsky, eines der dichterischen Talente der Zeit Gustavs des Dritten, mit einer schwedischen Übertragung des Horazischen ^.urssini ouis- «Ms mLcliooritÄtöni öilißit in dein Stammbuche eingezeichnet steht. Der Mit¬ teilung des jetzigen Besitzers verdanke ich die Kenntnis einer Anzahl der wich¬ tigsten Blatter und Eintragungen des Stammbnchs, namentlich derer, die Liu¬ dahl auf seiner Reise des Jahres 1798 in Deutschland und Frankreich ge sammelt hat. Ans der Reihe früherer Einzeichnuugen können uns nur einige aus dem Jahre 1783 interessiren. Moses Mendelssohn spendet mit seiner Silhouette „Berlin, den 14ten September 1783" die Zeilen: Bestimmung deS Menschen. Nach Wahrheit forschen, Schönes lieben, Gutes wollen, das Beste thun, Zum geneigten Andenken Moses Mendelssohn. Auch der Mathematiker und Astronom Johann Bernoulli, der damalige Herausgeber des Berliner „Archivs zur neuern Geschichte, Geographie, Natur-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/47>, abgerufen am 06.10.2024.