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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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U)le Ludwig pietsch Schriftsteller wurde

Am 7. fuhr ich nach Vvttan, einer Besitzung des Grafen Dann, eines Urenkels
des Cnnetator. Der Graf war mit Hohenlohe zur Jagd gefahren; wir besahen uns
aber das ganze Schloß und namentlich eine herrliche Waffensammlung. Das Schloß,
mitten im Walde an der Thaha gelegen, ist burgartig gebaut, hat auch noch einen
ganz alten Teil, der Zriny gehört hat, und liegt einer Ruine, dem Zornsteiu gegen¬
über; ich habe selten so etwas großartig romantisches gesehen.

Hoffentlich werden die zwanzig Millionen bald bezahlt, und wir gehen uach
Preußen. Wir haben es alle herzlich satt. Der Krieg heißt übrigens der sieben¬
tägige.. Es wird dunkel, ich sehe die Linien kaum mehr und schließe, mit der Bitte,
daß du, lieber Ohm, mir bald einmal schreibst.

Meine Pferde find wohl, die Lordstnte halt sich stets am besten.




Wie Ludwig jDietsch Schriftsteller wurde
Adolf Rosenberg von

er Mann, der im Herbst vorigen Jahres die Freunde seiner Person
und seiner schriftstellerischen Thätigkeit mit der Schilderung eines
Ausschnitts ans seinem viel und seltsam verschlungnen Lebcns-
vfade erfreut, viele sogar überrascht und erst zu inniger Teil¬
nahme an seinem Wesen und zu dessen völligem Verständnis
erweckt hat,*) ist mehr als eine litterarische Ortsbcrühmtheit. Er selbst würde
in seiner immer alles Lob und alles "Gethue" ablehnenden Bescheidenheit, die
nie etwas Gemachtes oder Gewolltes an sich hat, sondern, wenn ich ihn recht
verstehe, das Erzeugnis einer allmählich des Widerspruchs müde gewordnen
Resignation ist, sagen, daß er über "alles Verdienst und Würdigkeit" hinaus
diese ziemlich vereinzelte Stellung unter seinen journalistischen Mitstreitern und
Zeitgenossen erlangt habe. Wer, wie der Schreiber dieser Zeilen, bisweilen
Gelegenheit gehabt hat, Ludwig Pietsch in der Ausübung seines journalistischen
Berufs im Auslande zu begegnen, wird die Beobachtung gemacht haben, daß
kein zweiter deutscher Journalist überall -- in Paris, in London, in Italien,
in Petersburg, in Bukarest n. s. w. -- so bekannt ist, so herzlich von ein¬
gewanderten Deutschen wie von Einheimischen begrüßt und aufgenommen wird,
wie Ludwig Pietsch. Diesen für einen Journalisten unschätzbaren Vorzug ver¬
dankt er aber nicht etwa einer Koketterie mit einer in den Wolken thronenden
Jnternationalitüt oder gar einer Verleugnung seines Volkstums. Es ist sogar



*) Wie ich Schriftsteller geworden bin. Erinnerungen aus den fünfziger Jahren
von Ludwig Pietsch. Berlin, F. Fontane u. Co.
U)le Ludwig pietsch Schriftsteller wurde

Am 7. fuhr ich nach Vvttan, einer Besitzung des Grafen Dann, eines Urenkels
des Cnnetator. Der Graf war mit Hohenlohe zur Jagd gefahren; wir besahen uns
aber das ganze Schloß und namentlich eine herrliche Waffensammlung. Das Schloß,
mitten im Walde an der Thaha gelegen, ist burgartig gebaut, hat auch noch einen
ganz alten Teil, der Zriny gehört hat, und liegt einer Ruine, dem Zornsteiu gegen¬
über; ich habe selten so etwas großartig romantisches gesehen.

Hoffentlich werden die zwanzig Millionen bald bezahlt, und wir gehen uach
Preußen. Wir haben es alle herzlich satt. Der Krieg heißt übrigens der sieben¬
tägige.. Es wird dunkel, ich sehe die Linien kaum mehr und schließe, mit der Bitte,
daß du, lieber Ohm, mir bald einmal schreibst.

Meine Pferde find wohl, die Lordstnte halt sich stets am besten.




Wie Ludwig jDietsch Schriftsteller wurde
Adolf Rosenberg von

er Mann, der im Herbst vorigen Jahres die Freunde seiner Person
und seiner schriftstellerischen Thätigkeit mit der Schilderung eines
Ausschnitts ans seinem viel und seltsam verschlungnen Lebcns-
vfade erfreut, viele sogar überrascht und erst zu inniger Teil¬
nahme an seinem Wesen und zu dessen völligem Verständnis
erweckt hat,*) ist mehr als eine litterarische Ortsbcrühmtheit. Er selbst würde
in seiner immer alles Lob und alles „Gethue" ablehnenden Bescheidenheit, die
nie etwas Gemachtes oder Gewolltes an sich hat, sondern, wenn ich ihn recht
verstehe, das Erzeugnis einer allmählich des Widerspruchs müde gewordnen
Resignation ist, sagen, daß er über „alles Verdienst und Würdigkeit" hinaus
diese ziemlich vereinzelte Stellung unter seinen journalistischen Mitstreitern und
Zeitgenossen erlangt habe. Wer, wie der Schreiber dieser Zeilen, bisweilen
Gelegenheit gehabt hat, Ludwig Pietsch in der Ausübung seines journalistischen
Berufs im Auslande zu begegnen, wird die Beobachtung gemacht haben, daß
kein zweiter deutscher Journalist überall — in Paris, in London, in Italien,
in Petersburg, in Bukarest n. s. w. — so bekannt ist, so herzlich von ein¬
gewanderten Deutschen wie von Einheimischen begrüßt und aufgenommen wird,
wie Ludwig Pietsch. Diesen für einen Journalisten unschätzbaren Vorzug ver¬
dankt er aber nicht etwa einer Koketterie mit einer in den Wolken thronenden
Jnternationalitüt oder gar einer Verleugnung seines Volkstums. Es ist sogar



*) Wie ich Schriftsteller geworden bin. Erinnerungen aus den fünfziger Jahren
von Ludwig Pietsch. Berlin, F. Fontane u. Co.
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[0440] U)le Ludwig pietsch Schriftsteller wurde Am 7. fuhr ich nach Vvttan, einer Besitzung des Grafen Dann, eines Urenkels des Cnnetator. Der Graf war mit Hohenlohe zur Jagd gefahren; wir besahen uns aber das ganze Schloß und namentlich eine herrliche Waffensammlung. Das Schloß, mitten im Walde an der Thaha gelegen, ist burgartig gebaut, hat auch noch einen ganz alten Teil, der Zriny gehört hat, und liegt einer Ruine, dem Zornsteiu gegen¬ über; ich habe selten so etwas großartig romantisches gesehen. Hoffentlich werden die zwanzig Millionen bald bezahlt, und wir gehen uach Preußen. Wir haben es alle herzlich satt. Der Krieg heißt übrigens der sieben¬ tägige.. Es wird dunkel, ich sehe die Linien kaum mehr und schließe, mit der Bitte, daß du, lieber Ohm, mir bald einmal schreibst. Meine Pferde find wohl, die Lordstnte halt sich stets am besten. Wie Ludwig jDietsch Schriftsteller wurde Adolf Rosenberg von er Mann, der im Herbst vorigen Jahres die Freunde seiner Person und seiner schriftstellerischen Thätigkeit mit der Schilderung eines Ausschnitts ans seinem viel und seltsam verschlungnen Lebcns- vfade erfreut, viele sogar überrascht und erst zu inniger Teil¬ nahme an seinem Wesen und zu dessen völligem Verständnis erweckt hat,*) ist mehr als eine litterarische Ortsbcrühmtheit. Er selbst würde in seiner immer alles Lob und alles „Gethue" ablehnenden Bescheidenheit, die nie etwas Gemachtes oder Gewolltes an sich hat, sondern, wenn ich ihn recht verstehe, das Erzeugnis einer allmählich des Widerspruchs müde gewordnen Resignation ist, sagen, daß er über „alles Verdienst und Würdigkeit" hinaus diese ziemlich vereinzelte Stellung unter seinen journalistischen Mitstreitern und Zeitgenossen erlangt habe. Wer, wie der Schreiber dieser Zeilen, bisweilen Gelegenheit gehabt hat, Ludwig Pietsch in der Ausübung seines journalistischen Berufs im Auslande zu begegnen, wird die Beobachtung gemacht haben, daß kein zweiter deutscher Journalist überall — in Paris, in London, in Italien, in Petersburg, in Bukarest n. s. w. — so bekannt ist, so herzlich von ein¬ gewanderten Deutschen wie von Einheimischen begrüßt und aufgenommen wird, wie Ludwig Pietsch. Diesen für einen Journalisten unschätzbaren Vorzug ver¬ dankt er aber nicht etwa einer Koketterie mit einer in den Wolken thronenden Jnternationalitüt oder gar einer Verleugnung seines Volkstums. Es ist sogar *) Wie ich Schriftsteller geworden bin. Erinnerungen aus den fünfziger Jahren von Ludwig Pietsch. Berlin, F. Fontane u. Co.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/440>, abgerufen am 26.11.2024.