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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Soldat und Schulmeister

ßischc Lehrerzeitung. Diese weist auf die Kabinetsordre von 1779 hin, der zufolge
solche Invaliden, "die lesen, rechnen und schreiben konnten," als Schulmeister
auf dein Lande angestellt werden sollten, und erzählt, daß 1844 Friedrich
Wilhelm der Vierte durch Kabinetsordre vom 16. Mai dem Unteroffizier
Krohn Urlaub erteilt habe, damit es ihm möglich sei, in einem Seminar zu
hospitiren; auch seien die Behörden ermächtigt, andre Unteroffiziere, "die zwölf
Jahre dienen und wenn sie für das Schnlamt Neigung und Fähigkeit zeigen,"
zu diesem Zwecke zu beurlauben. In einem der ernsten Sache durchaus un¬
angemessenen Tone sagt die genannte Zeitung dann wörtlich: "Diese Unter¬
offiziersschulmeister hatten in der That große Vorzüge: erstens war keine
Gefahr vorhanden, daß sie den Kindern überflüssige reglementswidrige Bildung
beibringen würden; zweitens brauchte Geheimrat Elters (die rechte Hand des
Ministers) nicht zu fürchten, daß sie die "destruktiven Elemente der Presse"
vermehren würden, wie die "seminarisch gebildeten Schulmeister mit Ur. 1";
drittens waren sie in ihren Gehaltsansprüchen bescheiden; und endlich waren
diese Leute gewöhnt, nur den einen Ausdruck zu haben: "Zu Befehl!" Mit
dieser Maßregel schien also endlich die Schulfrage glänzend gelöst zu sein!"
Wie traurig, daß so etwas in einer Zeitung stehen kann, die sich Preußische
Lehrerzeitung nennt! Welch grenzenloser Dünkel spricht hier aus jedem Worte!
Wäre das der Geist des gesamten preußischen Volksschullehrerstandes, es sähe
wahrlich traurig aus um die Zukunft unsers Vaterlandes; wir wären sicher
viel eher auf dem Wege nach einem neuen Jena als nach Ehrentagen wie
Königgrütz oder Sedan! Männern, die so denken wie die Herausgeber der
genannten Zeitung, muß ohne weiteres die Fähigkeit abgesprochen werden,
vaterländische Geschichtsstoffe vor Schülern der Volksschule zu behandeln.

Mag jener Vorschlag des Militärwochenblattes zuerst vielleicht befremd¬
lich angemutet haben, Ausführungen wie die der erwähnten Lehrerzeitung können
nur dazu veranlassen, daß nunmehr in ernsteste Erwägung gezogen wird, ob
nicht doch vielleicht der Unteroffiziersstand geeignetes Material abgiebt, den
Vvlksschullehrcrstaud gründlich umzugestalten.

Es verrät eine vollständige Verkennung unsers Unteroffiziersstandes, wenn
behauptet wird, in ihm seien keine Elemente vorhanden, die zum Bolksschul-
lehrer tauglich wären. Wer selbst Soldat gewesen ist und das Glück gehabt
hat, unter einem Feldwebel zu dienen, der es verstand, seine vielen Pflichten
gehörig zu erfüllen, wird nicht ohne hohe Achtung von diesen Männern
sprechen. Die Zeiten sind längst vorüber, wo der leichten Dienst hatte, der am
häufigsten bei der Frau Feldwebel mit einer großen Wurst "antanzte," wie
doch -- zur Ehre der Volksschullehrer wollen wir es annehmen -- die Zeiten
ebenfalls vorüber sind, wo der Junge am besten abschnitt, der die gleiche
Rolle der Frau des Lehrers gegenüber spielte.

Daß unsre Unteroffiziere zum größten Teil die sittliche Tüchtigkeit haben.


Soldat und Schulmeister

ßischc Lehrerzeitung. Diese weist auf die Kabinetsordre von 1779 hin, der zufolge
solche Invaliden, „die lesen, rechnen und schreiben konnten," als Schulmeister
auf dein Lande angestellt werden sollten, und erzählt, daß 1844 Friedrich
Wilhelm der Vierte durch Kabinetsordre vom 16. Mai dem Unteroffizier
Krohn Urlaub erteilt habe, damit es ihm möglich sei, in einem Seminar zu
hospitiren; auch seien die Behörden ermächtigt, andre Unteroffiziere, „die zwölf
Jahre dienen und wenn sie für das Schnlamt Neigung und Fähigkeit zeigen,"
zu diesem Zwecke zu beurlauben. In einem der ernsten Sache durchaus un¬
angemessenen Tone sagt die genannte Zeitung dann wörtlich: „Diese Unter¬
offiziersschulmeister hatten in der That große Vorzüge: erstens war keine
Gefahr vorhanden, daß sie den Kindern überflüssige reglementswidrige Bildung
beibringen würden; zweitens brauchte Geheimrat Elters (die rechte Hand des
Ministers) nicht zu fürchten, daß sie die »destruktiven Elemente der Presse«
vermehren würden, wie die »seminarisch gebildeten Schulmeister mit Ur. 1«;
drittens waren sie in ihren Gehaltsansprüchen bescheiden; und endlich waren
diese Leute gewöhnt, nur den einen Ausdruck zu haben: »Zu Befehl!« Mit
dieser Maßregel schien also endlich die Schulfrage glänzend gelöst zu sein!"
Wie traurig, daß so etwas in einer Zeitung stehen kann, die sich Preußische
Lehrerzeitung nennt! Welch grenzenloser Dünkel spricht hier aus jedem Worte!
Wäre das der Geist des gesamten preußischen Volksschullehrerstandes, es sähe
wahrlich traurig aus um die Zukunft unsers Vaterlandes; wir wären sicher
viel eher auf dem Wege nach einem neuen Jena als nach Ehrentagen wie
Königgrütz oder Sedan! Männern, die so denken wie die Herausgeber der
genannten Zeitung, muß ohne weiteres die Fähigkeit abgesprochen werden,
vaterländische Geschichtsstoffe vor Schülern der Volksschule zu behandeln.

Mag jener Vorschlag des Militärwochenblattes zuerst vielleicht befremd¬
lich angemutet haben, Ausführungen wie die der erwähnten Lehrerzeitung können
nur dazu veranlassen, daß nunmehr in ernsteste Erwägung gezogen wird, ob
nicht doch vielleicht der Unteroffiziersstand geeignetes Material abgiebt, den
Vvlksschullehrcrstaud gründlich umzugestalten.

Es verrät eine vollständige Verkennung unsers Unteroffiziersstandes, wenn
behauptet wird, in ihm seien keine Elemente vorhanden, die zum Bolksschul-
lehrer tauglich wären. Wer selbst Soldat gewesen ist und das Glück gehabt
hat, unter einem Feldwebel zu dienen, der es verstand, seine vielen Pflichten
gehörig zu erfüllen, wird nicht ohne hohe Achtung von diesen Männern
sprechen. Die Zeiten sind längst vorüber, wo der leichten Dienst hatte, der am
häufigsten bei der Frau Feldwebel mit einer großen Wurst „antanzte," wie
doch — zur Ehre der Volksschullehrer wollen wir es annehmen — die Zeiten
ebenfalls vorüber sind, wo der Junge am besten abschnitt, der die gleiche
Rolle der Frau des Lehrers gegenüber spielte.

Daß unsre Unteroffiziere zum größten Teil die sittliche Tüchtigkeit haben.


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[0425] Soldat und Schulmeister ßischc Lehrerzeitung. Diese weist auf die Kabinetsordre von 1779 hin, der zufolge solche Invaliden, „die lesen, rechnen und schreiben konnten," als Schulmeister auf dein Lande angestellt werden sollten, und erzählt, daß 1844 Friedrich Wilhelm der Vierte durch Kabinetsordre vom 16. Mai dem Unteroffizier Krohn Urlaub erteilt habe, damit es ihm möglich sei, in einem Seminar zu hospitiren; auch seien die Behörden ermächtigt, andre Unteroffiziere, „die zwölf Jahre dienen und wenn sie für das Schnlamt Neigung und Fähigkeit zeigen," zu diesem Zwecke zu beurlauben. In einem der ernsten Sache durchaus un¬ angemessenen Tone sagt die genannte Zeitung dann wörtlich: „Diese Unter¬ offiziersschulmeister hatten in der That große Vorzüge: erstens war keine Gefahr vorhanden, daß sie den Kindern überflüssige reglementswidrige Bildung beibringen würden; zweitens brauchte Geheimrat Elters (die rechte Hand des Ministers) nicht zu fürchten, daß sie die »destruktiven Elemente der Presse« vermehren würden, wie die »seminarisch gebildeten Schulmeister mit Ur. 1«; drittens waren sie in ihren Gehaltsansprüchen bescheiden; und endlich waren diese Leute gewöhnt, nur den einen Ausdruck zu haben: »Zu Befehl!« Mit dieser Maßregel schien also endlich die Schulfrage glänzend gelöst zu sein!" Wie traurig, daß so etwas in einer Zeitung stehen kann, die sich Preußische Lehrerzeitung nennt! Welch grenzenloser Dünkel spricht hier aus jedem Worte! Wäre das der Geist des gesamten preußischen Volksschullehrerstandes, es sähe wahrlich traurig aus um die Zukunft unsers Vaterlandes; wir wären sicher viel eher auf dem Wege nach einem neuen Jena als nach Ehrentagen wie Königgrütz oder Sedan! Männern, die so denken wie die Herausgeber der genannten Zeitung, muß ohne weiteres die Fähigkeit abgesprochen werden, vaterländische Geschichtsstoffe vor Schülern der Volksschule zu behandeln. Mag jener Vorschlag des Militärwochenblattes zuerst vielleicht befremd¬ lich angemutet haben, Ausführungen wie die der erwähnten Lehrerzeitung können nur dazu veranlassen, daß nunmehr in ernsteste Erwägung gezogen wird, ob nicht doch vielleicht der Unteroffiziersstand geeignetes Material abgiebt, den Vvlksschullehrcrstaud gründlich umzugestalten. Es verrät eine vollständige Verkennung unsers Unteroffiziersstandes, wenn behauptet wird, in ihm seien keine Elemente vorhanden, die zum Bolksschul- lehrer tauglich wären. Wer selbst Soldat gewesen ist und das Glück gehabt hat, unter einem Feldwebel zu dienen, der es verstand, seine vielen Pflichten gehörig zu erfüllen, wird nicht ohne hohe Achtung von diesen Männern sprechen. Die Zeiten sind längst vorüber, wo der leichten Dienst hatte, der am häufigsten bei der Frau Feldwebel mit einer großen Wurst „antanzte," wie doch — zur Ehre der Volksschullehrer wollen wir es annehmen — die Zeiten ebenfalls vorüber sind, wo der Junge am besten abschnitt, der die gleiche Rolle der Frau des Lehrers gegenüber spielte. Daß unsre Unteroffiziere zum größten Teil die sittliche Tüchtigkeit haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/425>, abgerufen am 25.11.2024.