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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Nun heraus mit euerm Zukunftsstaat! Obwohl, wie Bebel richtig bemerkt, keiner
der "staatserhaltenden" Herren, wenn er darum gefragt würde, anzugeben ver¬
möchte, wie unser jetziger Staat uach zehn, ja nach fünf Jahren aussehen wird.
Nur daß er anders aussehen wird als heute, steht ziemlich fest. Denn daß Europa
die Spannung seiner Kriegsbereitschaft, die durch jede weitere Vermehrung des
Militärs erhöht wird, noch zehn Jahre zu ertragen vermöchte, glaubt doch kein
Mensch, und wie sich nach der Revision der Landkarte, die der große Krieg zur
Folge haben wird, die innern Angelegenheiten der Staaten gestalten werden, das
kann niemand voraussehen. Aber die Herren mußten zu dieser Verlegenheits¬
auskunft greifen, weil sie ihre Gründe haben, die Debatte über Sein und Nichtsein
unsers Volks um jeden Preis zu vermeiden. Und wie denn Heuchelei, Lüge und
Feigheit die Hauptcharakterzüge des modernen öffentlichen Lebens sind, so traten
sie auch in jeder Einzelheit der großen Sozialistendebatte hervor.

So z. B. waren die Redner aller Parteien einmütig im Preise der Spar¬
samkeit und erhoben wiederum die alte Anklage gegen die Sozialdemokratie, daß
sie diese wichtigste und Grundtugend den Arbeitern verleite. Die volkswirtschaft¬
liche Bedeutung des Sparens, das unter Umständen eine individuelle Tugend, als
allgemeine Gewohnheit aber der Tod der Industrie und in keinem Falle die Quelle
des Volksvermögens ist, haben wir so oft, so ausführlich und so deutlich aus¬
einandergesetzt, daß es eine Beleidigung für die Grenzbotenleser wäre, wenn wir
die alte Litanei noch einmal ableiern wollten. Daher heute nur eine kurze Be¬
merkung. Es giebt unter allen Landwirten, Kaufleuten und Großindustriellen
Deutschlands kaum einen, der nicht bei dem Gedanken, das Volk könnte der Ein-
lndnng zur Sparsamkeit folgen, bis ins Mark der Knochen erbebte. Wenn sich
der gemeine Mann das Bier- und Schnnpstrinken und das Tnbakrauchen abge¬
wöhnt, so bedeutet das nicht allein den Bankerott unsrer Reichsfinanzen, sondern
auch den Ruin der Landwirtschaft, nicht der alten gesunden Landwirtschaft, fondern
der vou deu Agrariern unter Beihilfe des Staates und Schutzzöllen und Steuer¬
vergünstigungen großgezoguen modernen. Wenn die Burschen, Mädchen und Frauen
aus dem Volke auf Putz und Flitterkram verzichtete" und statt jährlich drei bis
vier Saisonanzüge anzuschaffen sich mit Kleidern aus derber Hausleinwand und
derbem Tuch ausstatteten, die viele Jahre lang halten, so müßten ein paar tausend
Finnen ihre Fabriken und Geschäfte schließen, und die Zahl der Arbeitslosen würde
Plötzlich zu so ungeheurer Größe anschwellen, daß keine Regierung und kein Par¬
lament die Arbeitslosigkeit zu leugnen vermöchte. Wir haben seiner Zeit dargelegt,
wie das Sparen an schädlichem und überflüssigem Luxus nur dann durchgeführt
werden könnte, wenn zugleich Zug um Zug die Ausgaben der kleinen Leute auf
notwendige und nützliche Dinge stiegen, sodaß die Produktion nicht ins Stocken
geriete, sondern nur aus schädlichen in nützliche Industrien übergeleitet würde.
Allein um dies ermöglichen zu können, müßten alle Arbeitslöhne verdoppelt und
verdreifacht werden; denn reine Luft, Licht und Sonnenschein, ein behagliches Heim
samt Garten, kräftige Nahrung aus Fleisch, gutem Brot, Milch und Eiern sind
heutzutage bei uns viel teurer als Kueipendunst, Tabaksgualm, Fusel und Flitter¬
staat. Ja man würde den Arbeitern, wenn sie den Umbildungsprozeß in die Hand
nehmen wollten, gar nicht gestatten, ihn einzuleiten. Vor einiger Zeit machte folgende
Anekdote die Runde durch die Zeitungen. Konsistorialrat Wiehern besucht einen
schlesischen Großgrundbesitzer. Dieser zeigt ihm seine prächtigen Ställe. Wie sie
zu den Arbeiterwohnungen kommen, sagt er: "Hier kann ich Sie nicht hinauf¬
führen, die Arbeiter wohnen bedeutend schlechter als meine Schweine." Und auf


Grenzboten I 1893 61
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Nun heraus mit euerm Zukunftsstaat! Obwohl, wie Bebel richtig bemerkt, keiner
der „staatserhaltenden" Herren, wenn er darum gefragt würde, anzugeben ver¬
möchte, wie unser jetziger Staat uach zehn, ja nach fünf Jahren aussehen wird.
Nur daß er anders aussehen wird als heute, steht ziemlich fest. Denn daß Europa
die Spannung seiner Kriegsbereitschaft, die durch jede weitere Vermehrung des
Militärs erhöht wird, noch zehn Jahre zu ertragen vermöchte, glaubt doch kein
Mensch, und wie sich nach der Revision der Landkarte, die der große Krieg zur
Folge haben wird, die innern Angelegenheiten der Staaten gestalten werden, das
kann niemand voraussehen. Aber die Herren mußten zu dieser Verlegenheits¬
auskunft greifen, weil sie ihre Gründe haben, die Debatte über Sein und Nichtsein
unsers Volks um jeden Preis zu vermeiden. Und wie denn Heuchelei, Lüge und
Feigheit die Hauptcharakterzüge des modernen öffentlichen Lebens sind, so traten
sie auch in jeder Einzelheit der großen Sozialistendebatte hervor.

So z. B. waren die Redner aller Parteien einmütig im Preise der Spar¬
samkeit und erhoben wiederum die alte Anklage gegen die Sozialdemokratie, daß
sie diese wichtigste und Grundtugend den Arbeitern verleite. Die volkswirtschaft¬
liche Bedeutung des Sparens, das unter Umständen eine individuelle Tugend, als
allgemeine Gewohnheit aber der Tod der Industrie und in keinem Falle die Quelle
des Volksvermögens ist, haben wir so oft, so ausführlich und so deutlich aus¬
einandergesetzt, daß es eine Beleidigung für die Grenzbotenleser wäre, wenn wir
die alte Litanei noch einmal ableiern wollten. Daher heute nur eine kurze Be¬
merkung. Es giebt unter allen Landwirten, Kaufleuten und Großindustriellen
Deutschlands kaum einen, der nicht bei dem Gedanken, das Volk könnte der Ein-
lndnng zur Sparsamkeit folgen, bis ins Mark der Knochen erbebte. Wenn sich
der gemeine Mann das Bier- und Schnnpstrinken und das Tnbakrauchen abge¬
wöhnt, so bedeutet das nicht allein den Bankerott unsrer Reichsfinanzen, sondern
auch den Ruin der Landwirtschaft, nicht der alten gesunden Landwirtschaft, fondern
der vou deu Agrariern unter Beihilfe des Staates und Schutzzöllen und Steuer¬
vergünstigungen großgezoguen modernen. Wenn die Burschen, Mädchen und Frauen
aus dem Volke auf Putz und Flitterkram verzichtete» und statt jährlich drei bis
vier Saisonanzüge anzuschaffen sich mit Kleidern aus derber Hausleinwand und
derbem Tuch ausstatteten, die viele Jahre lang halten, so müßten ein paar tausend
Finnen ihre Fabriken und Geschäfte schließen, und die Zahl der Arbeitslosen würde
Plötzlich zu so ungeheurer Größe anschwellen, daß keine Regierung und kein Par¬
lament die Arbeitslosigkeit zu leugnen vermöchte. Wir haben seiner Zeit dargelegt,
wie das Sparen an schädlichem und überflüssigem Luxus nur dann durchgeführt
werden könnte, wenn zugleich Zug um Zug die Ausgaben der kleinen Leute auf
notwendige und nützliche Dinge stiegen, sodaß die Produktion nicht ins Stocken
geriete, sondern nur aus schädlichen in nützliche Industrien übergeleitet würde.
Allein um dies ermöglichen zu können, müßten alle Arbeitslöhne verdoppelt und
verdreifacht werden; denn reine Luft, Licht und Sonnenschein, ein behagliches Heim
samt Garten, kräftige Nahrung aus Fleisch, gutem Brot, Milch und Eiern sind
heutzutage bei uns viel teurer als Kueipendunst, Tabaksgualm, Fusel und Flitter¬
staat. Ja man würde den Arbeitern, wenn sie den Umbildungsprozeß in die Hand
nehmen wollten, gar nicht gestatten, ihn einzuleiten. Vor einiger Zeit machte folgende
Anekdote die Runde durch die Zeitungen. Konsistorialrat Wiehern besucht einen
schlesischen Großgrundbesitzer. Dieser zeigt ihm seine prächtigen Ställe. Wie sie
zu den Arbeiterwohnungen kommen, sagt er: „Hier kann ich Sie nicht hinauf¬
führen, die Arbeiter wohnen bedeutend schlechter als meine Schweine." Und auf


Grenzboten I 1893 61
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[0411] Maßgebliches und Unmaßgebliches Nun heraus mit euerm Zukunftsstaat! Obwohl, wie Bebel richtig bemerkt, keiner der „staatserhaltenden" Herren, wenn er darum gefragt würde, anzugeben ver¬ möchte, wie unser jetziger Staat uach zehn, ja nach fünf Jahren aussehen wird. Nur daß er anders aussehen wird als heute, steht ziemlich fest. Denn daß Europa die Spannung seiner Kriegsbereitschaft, die durch jede weitere Vermehrung des Militärs erhöht wird, noch zehn Jahre zu ertragen vermöchte, glaubt doch kein Mensch, und wie sich nach der Revision der Landkarte, die der große Krieg zur Folge haben wird, die innern Angelegenheiten der Staaten gestalten werden, das kann niemand voraussehen. Aber die Herren mußten zu dieser Verlegenheits¬ auskunft greifen, weil sie ihre Gründe haben, die Debatte über Sein und Nichtsein unsers Volks um jeden Preis zu vermeiden. Und wie denn Heuchelei, Lüge und Feigheit die Hauptcharakterzüge des modernen öffentlichen Lebens sind, so traten sie auch in jeder Einzelheit der großen Sozialistendebatte hervor. So z. B. waren die Redner aller Parteien einmütig im Preise der Spar¬ samkeit und erhoben wiederum die alte Anklage gegen die Sozialdemokratie, daß sie diese wichtigste und Grundtugend den Arbeitern verleite. Die volkswirtschaft¬ liche Bedeutung des Sparens, das unter Umständen eine individuelle Tugend, als allgemeine Gewohnheit aber der Tod der Industrie und in keinem Falle die Quelle des Volksvermögens ist, haben wir so oft, so ausführlich und so deutlich aus¬ einandergesetzt, daß es eine Beleidigung für die Grenzbotenleser wäre, wenn wir die alte Litanei noch einmal ableiern wollten. Daher heute nur eine kurze Be¬ merkung. Es giebt unter allen Landwirten, Kaufleuten und Großindustriellen Deutschlands kaum einen, der nicht bei dem Gedanken, das Volk könnte der Ein- lndnng zur Sparsamkeit folgen, bis ins Mark der Knochen erbebte. Wenn sich der gemeine Mann das Bier- und Schnnpstrinken und das Tnbakrauchen abge¬ wöhnt, so bedeutet das nicht allein den Bankerott unsrer Reichsfinanzen, sondern auch den Ruin der Landwirtschaft, nicht der alten gesunden Landwirtschaft, fondern der vou deu Agrariern unter Beihilfe des Staates und Schutzzöllen und Steuer¬ vergünstigungen großgezoguen modernen. Wenn die Burschen, Mädchen und Frauen aus dem Volke auf Putz und Flitterkram verzichtete» und statt jährlich drei bis vier Saisonanzüge anzuschaffen sich mit Kleidern aus derber Hausleinwand und derbem Tuch ausstatteten, die viele Jahre lang halten, so müßten ein paar tausend Finnen ihre Fabriken und Geschäfte schließen, und die Zahl der Arbeitslosen würde Plötzlich zu so ungeheurer Größe anschwellen, daß keine Regierung und kein Par¬ lament die Arbeitslosigkeit zu leugnen vermöchte. Wir haben seiner Zeit dargelegt, wie das Sparen an schädlichem und überflüssigem Luxus nur dann durchgeführt werden könnte, wenn zugleich Zug um Zug die Ausgaben der kleinen Leute auf notwendige und nützliche Dinge stiegen, sodaß die Produktion nicht ins Stocken geriete, sondern nur aus schädlichen in nützliche Industrien übergeleitet würde. Allein um dies ermöglichen zu können, müßten alle Arbeitslöhne verdoppelt und verdreifacht werden; denn reine Luft, Licht und Sonnenschein, ein behagliches Heim samt Garten, kräftige Nahrung aus Fleisch, gutem Brot, Milch und Eiern sind heutzutage bei uns viel teurer als Kueipendunst, Tabaksgualm, Fusel und Flitter¬ staat. Ja man würde den Arbeitern, wenn sie den Umbildungsprozeß in die Hand nehmen wollten, gar nicht gestatten, ihn einzuleiten. Vor einiger Zeit machte folgende Anekdote die Runde durch die Zeitungen. Konsistorialrat Wiehern besucht einen schlesischen Großgrundbesitzer. Dieser zeigt ihm seine prächtigen Ställe. Wie sie zu den Arbeiterwohnungen kommen, sagt er: „Hier kann ich Sie nicht hinauf¬ führen, die Arbeiter wohnen bedeutend schlechter als meine Schweine." Und auf Grenzboten I 1893 61

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/411>, abgerufen am 01.09.2024.