Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.Unsre volksschulbildnng und Arbeitsamkeit,^) Eigenschaften, die unsern "aufgeklärten" Arbeitern mehr Er wird daher auch der Volksschule gegenüber den entsprechenden For¬ Haben wir uns bisher auf eine hervorragende Stimme der liberalen welt¬ Die mißverstandne Mythe vom trägen Lazzarone hat bekanntlich schon Goethe
abgelehnt. Unsre volksschulbildnng und Arbeitsamkeit,^) Eigenschaften, die unsern „aufgeklärten" Arbeitern mehr Er wird daher auch der Volksschule gegenüber den entsprechenden For¬ Haben wir uns bisher auf eine hervorragende Stimme der liberalen welt¬ Die mißverstandne Mythe vom trägen Lazzarone hat bekanntlich schon Goethe
abgelehnt. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0400" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214192"/> <fw type="header" place="top"> Unsre volksschulbildnng</fw><lb/> <p xml:id="ID_1330" prev="#ID_1329"> und Arbeitsamkeit,^) Eigenschaften, die unsern „aufgeklärten" Arbeitern mehr<lb/> und mehr abhanden kommen, und wo Verbrechen allerdings in der aufgeregten<lb/> Phantasie nervöser und furchtsamer Touristen zur Tagesordnung gehören, in<lb/> Wirklichkeit sich aber selbst in den Großstädten doch bei weitem nicht so häufig<lb/> wie in unsern eignen Bevöllerungsmittelpunkten ereignen. Stellen wir uns<lb/> aber einmal auf den Standpunkt, daß wir in der Ungleichheit, die den Menschen<lb/> gesetzt ist, eine Härte erkennen, so wird doch der wahre Menschenfreund und<lb/> Patriot darauf bedacht sein, Einflüsse sern zu halten, die dazu beitragen, den<lb/> Druck eines parteiischen Geschicks noch unerträglicher zu machen, er wird es<lb/> einer Versündigung an seinen Mitmenschen und am Gemeinwesen gleichachten,<lb/> solchen Einflüssen Thür und Thor zu öffnen, selbst dann, wenn sie unter<lb/> Berufung auf Menschenrechte, Freiheit und Gleichheit Einlaß begehren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1331"> Er wird daher auch der Volksschule gegenüber den entsprechenden For¬<lb/> derungen einsichtiger Humanität und Vaterlandsliebe Gehör zu verschaffen<lb/> suchen, ohne sich durch die Theorien selbst wohlmeinender Idealisten beirren<lb/> zu lassen, die sich als Patrioten und Philanthropen gutgläubig brüsten, aber<lb/> vergessen, daß jedes Ding zwei Seiten hat, und nicht bedenken, daß es unter<lb/> allen Umständen weise ist, von zwei Übeln das kleinere zu wählen; er wird<lb/> dahin streben, daß die Volksschule dem Anspruch entsage, während einer Lehr¬<lb/> zeit, die ohne Rücksicht auf die Schranke» bemessen ist, in denen sich die<lb/> künftige Lebenslaufbahn des Zöglings bewegt, ihre Aufgabe darin zu suchen,<lb/> diesen mit einer möglichst großen Masse von Wissensstoff zu beladen; er wird<lb/> ihr als obersten sozialpolitischen wie pädagogischen Grundsatz empfehlen, ihr<lb/> Rüstzeug für das praktische Bedürfnis der ihr anvertraute» heranwachsenden<lb/> Menschen und Staatsbürger einzurichten und dabei über der Pflege des Ver¬<lb/> standes uicht das Herz, über der Pflege der geistigen nicht die der noch wich¬<lb/> tigern leiblichen Gesundheit zu vernachlässigen. Er wird sie endlich daran er¬<lb/> innern dürfen, daß ihr eine doppelte "Verantwortn»«, erwächst durch den<lb/> bestehende» Schulzmaug, diese vielgepriesene Errungenschaft eines falschen<lb/> Liberalismus, auf die wir unsrerseits ohne allzu großes Widerstreben Ver¬<lb/> zicht leisten würden, eingedenk des ehrwürdigen Nechtssprnchs: LöNLÜeiil, von<lb/> odtruäunwr, dessen Weisheit, soweit er hier überhaupt anwendbar ist, wir<lb/> auch heute noch keineswegs als veraltet betrachten. Im übrige» aber wird<lb/> der echte Volksfreund niemandem Anlaß geben, ihn in seine» Ansprüchen<lb/> an die Leistungen der Volksschule der Unbescheidenheit zu zeihen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1332" next="#ID_1333"> Haben wir uns bisher auf eine hervorragende Stimme der liberalen welt¬<lb/> lichen Presse berufen können, so sehen wir uns zum Schluß in die angenehme<lb/> Lage versetzt, auch einen Ausspruch der liberale,? kirchlichen Presse für uns</p><lb/> <note xml:id="FID_31" place="foot"> Die mißverstandne Mythe vom trägen Lazzarone hat bekanntlich schon Goethe<lb/> abgelehnt.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0400]
Unsre volksschulbildnng
und Arbeitsamkeit,^) Eigenschaften, die unsern „aufgeklärten" Arbeitern mehr
und mehr abhanden kommen, und wo Verbrechen allerdings in der aufgeregten
Phantasie nervöser und furchtsamer Touristen zur Tagesordnung gehören, in
Wirklichkeit sich aber selbst in den Großstädten doch bei weitem nicht so häufig
wie in unsern eignen Bevöllerungsmittelpunkten ereignen. Stellen wir uns
aber einmal auf den Standpunkt, daß wir in der Ungleichheit, die den Menschen
gesetzt ist, eine Härte erkennen, so wird doch der wahre Menschenfreund und
Patriot darauf bedacht sein, Einflüsse sern zu halten, die dazu beitragen, den
Druck eines parteiischen Geschicks noch unerträglicher zu machen, er wird es
einer Versündigung an seinen Mitmenschen und am Gemeinwesen gleichachten,
solchen Einflüssen Thür und Thor zu öffnen, selbst dann, wenn sie unter
Berufung auf Menschenrechte, Freiheit und Gleichheit Einlaß begehren.
Er wird daher auch der Volksschule gegenüber den entsprechenden For¬
derungen einsichtiger Humanität und Vaterlandsliebe Gehör zu verschaffen
suchen, ohne sich durch die Theorien selbst wohlmeinender Idealisten beirren
zu lassen, die sich als Patrioten und Philanthropen gutgläubig brüsten, aber
vergessen, daß jedes Ding zwei Seiten hat, und nicht bedenken, daß es unter
allen Umständen weise ist, von zwei Übeln das kleinere zu wählen; er wird
dahin streben, daß die Volksschule dem Anspruch entsage, während einer Lehr¬
zeit, die ohne Rücksicht auf die Schranke» bemessen ist, in denen sich die
künftige Lebenslaufbahn des Zöglings bewegt, ihre Aufgabe darin zu suchen,
diesen mit einer möglichst großen Masse von Wissensstoff zu beladen; er wird
ihr als obersten sozialpolitischen wie pädagogischen Grundsatz empfehlen, ihr
Rüstzeug für das praktische Bedürfnis der ihr anvertraute» heranwachsenden
Menschen und Staatsbürger einzurichten und dabei über der Pflege des Ver¬
standes uicht das Herz, über der Pflege der geistigen nicht die der noch wich¬
tigern leiblichen Gesundheit zu vernachlässigen. Er wird sie endlich daran er¬
innern dürfen, daß ihr eine doppelte "Verantwortn»«, erwächst durch den
bestehende» Schulzmaug, diese vielgepriesene Errungenschaft eines falschen
Liberalismus, auf die wir unsrerseits ohne allzu großes Widerstreben Ver¬
zicht leisten würden, eingedenk des ehrwürdigen Nechtssprnchs: LöNLÜeiil, von
odtruäunwr, dessen Weisheit, soweit er hier überhaupt anwendbar ist, wir
auch heute noch keineswegs als veraltet betrachten. Im übrige» aber wird
der echte Volksfreund niemandem Anlaß geben, ihn in seine» Ansprüchen
an die Leistungen der Volksschule der Unbescheidenheit zu zeihen.
Haben wir uns bisher auf eine hervorragende Stimme der liberalen welt¬
lichen Presse berufen können, so sehen wir uns zum Schluß in die angenehme
Lage versetzt, auch einen Ausspruch der liberale,? kirchlichen Presse für uns
Die mißverstandne Mythe vom trägen Lazzarone hat bekanntlich schon Goethe
abgelehnt.
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