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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Die Sprache des Entwurfs eines bürgerlichen (Aesetzbuchs

In Z 1248 heißt es: "Zur Eheschließung ist erforderliche daß die Ver¬
lobten vor dem Standesbeamten bei gleichzeitiger Anwesenheit persönlich und
in Gegenwart von zwei Zeugen den Willen der Eheschließung erklären" u. s. w.
Löst man die -- grammatisch falsche -- Wendung "den Willen der Eheschließung
erklären" in die Worte auf, die die Berlobteu zu sprechen haben, so ergiebt
sich, daß es genügt, wenn jeder der Verlobten erklärt: "Ich will die Ehe
schließen/' Ja mit wem denn? Daß das unentbehrliche "mit einander"
nicht beigefügt ist, daran ist mir die leidige Gewohnheit schuld, den Haupt¬
sinn eines Satzes in Hauptwörter zu Pressen. Denn man konnte doch nicht
gut sagen "den Willen der Eheschließung mit einander." Aber warum sagt
man deun nicht: erklären, daß sie die Ehe mit einander schließen wollen?
Erst der folgende § 1248 füllt die Lücke aus.

8 1449: "In jedem Urtheile . . . ist zugleich zu bestimmen, daß n. s. w.,
und wenn ein jeder der Ehegatten auf Scheidung geklagt hat und beide Klagen
für begründet erachtet werden, daß jeder der Ehegatten der schuldige Theil
sei." Dies würde besagen, daß beide Gatten den Scheidungsgrund, d. h. den
Grund beider Klagen verschuldet hätten. Es muß aber heißen: ist zugleich
auszusprechen, daß jeder von beiden Ehegatten schuldiger Teil sei. Der¬
selbe Fehler kommt auch weiterhin vor.

i; 1469 spricht von einer in § 1468 bezeichneten Vermutung. In
H 1468 wird aber eine Vermutung nicht bezeichnet (denn dann müßte sie
anderswo stehn), sondern aufgestellt.

§ 1490 Absatz 1: "Der Anspruch eines jeden Berechtigten beschränkt sich
auf Gewährung des nothdürftigen Unterhaltes, wenn dessen Bedürftigkeit auf
eigenem sittlichen Verschulden beruht." Hier bezieht sich dessen fälschlich auf
das Wort Unterhalt, und die Bedürftigkeit hat sich selbst verschuldet. Es muß
heißen: "wenn der Berechtigte seine Bedürftigkeit unsittlicherweise selber ver¬
schuldet hat."

In Z 1S90 wird bestimmt: "Ist die Ehefrau des Vaters in der Geschäfts¬
fähigkeit beschränkt, so bedarf sie zu der Einwilligung nicht der Einwilligung
des gesetzlichen Vertreters." Das klingt, als wäre die Entbehrlichkeit der Zu¬
stimmung des gesetzlichen Vertreters eine Folge davon, daß die Ehefrau in
ihrer Geschäftsfähigkeit beschränkt ist. Auch dieser Fehler, eine Ausnahme-
bestimmnng oder eine Einschränkung in die Form eines Folgesatzes zu kleiden,
kommt häufig vor; z. B. in den §8 127 Absatz 2, 145, 670. °

8 1769 Absatz 1 lautet: "Sind in einer letztwilligen Verfügung mehrere
Personen in der Weise zu Erben eingesetzt, daß nur die eine oder die andere
dieser Personen (warum nicht: von ihnen?) der Erbe sein soll, so gelten die
mehreren Personen als zu Miterben eingesetzt." Wenn ein Erblasser bestimmt:
"Von meinen beiden Neffen ^ und L soll nur ^ oder K mein Erbe sein,"
so ist bei dieser durchaus unklaren Verfügung doch so viel klar, daß


Die Sprache des Entwurfs eines bürgerlichen (Aesetzbuchs

In Z 1248 heißt es: „Zur Eheschließung ist erforderliche daß die Ver¬
lobten vor dem Standesbeamten bei gleichzeitiger Anwesenheit persönlich und
in Gegenwart von zwei Zeugen den Willen der Eheschließung erklären" u. s. w.
Löst man die — grammatisch falsche — Wendung „den Willen der Eheschließung
erklären" in die Worte auf, die die Berlobteu zu sprechen haben, so ergiebt
sich, daß es genügt, wenn jeder der Verlobten erklärt: „Ich will die Ehe
schließen/' Ja mit wem denn? Daß das unentbehrliche „mit einander"
nicht beigefügt ist, daran ist mir die leidige Gewohnheit schuld, den Haupt¬
sinn eines Satzes in Hauptwörter zu Pressen. Denn man konnte doch nicht
gut sagen „den Willen der Eheschließung mit einander." Aber warum sagt
man deun nicht: erklären, daß sie die Ehe mit einander schließen wollen?
Erst der folgende § 1248 füllt die Lücke aus.

8 1449: „In jedem Urtheile . . . ist zugleich zu bestimmen, daß n. s. w.,
und wenn ein jeder der Ehegatten auf Scheidung geklagt hat und beide Klagen
für begründet erachtet werden, daß jeder der Ehegatten der schuldige Theil
sei." Dies würde besagen, daß beide Gatten den Scheidungsgrund, d. h. den
Grund beider Klagen verschuldet hätten. Es muß aber heißen: ist zugleich
auszusprechen, daß jeder von beiden Ehegatten schuldiger Teil sei. Der¬
selbe Fehler kommt auch weiterhin vor.

i; 1469 spricht von einer in § 1468 bezeichneten Vermutung. In
H 1468 wird aber eine Vermutung nicht bezeichnet (denn dann müßte sie
anderswo stehn), sondern aufgestellt.

§ 1490 Absatz 1: „Der Anspruch eines jeden Berechtigten beschränkt sich
auf Gewährung des nothdürftigen Unterhaltes, wenn dessen Bedürftigkeit auf
eigenem sittlichen Verschulden beruht." Hier bezieht sich dessen fälschlich auf
das Wort Unterhalt, und die Bedürftigkeit hat sich selbst verschuldet. Es muß
heißen: „wenn der Berechtigte seine Bedürftigkeit unsittlicherweise selber ver¬
schuldet hat."

In Z 1S90 wird bestimmt: „Ist die Ehefrau des Vaters in der Geschäfts¬
fähigkeit beschränkt, so bedarf sie zu der Einwilligung nicht der Einwilligung
des gesetzlichen Vertreters." Das klingt, als wäre die Entbehrlichkeit der Zu¬
stimmung des gesetzlichen Vertreters eine Folge davon, daß die Ehefrau in
ihrer Geschäftsfähigkeit beschränkt ist. Auch dieser Fehler, eine Ausnahme-
bestimmnng oder eine Einschränkung in die Form eines Folgesatzes zu kleiden,
kommt häufig vor; z. B. in den §8 127 Absatz 2, 145, 670. °

8 1769 Absatz 1 lautet: „Sind in einer letztwilligen Verfügung mehrere
Personen in der Weise zu Erben eingesetzt, daß nur die eine oder die andere
dieser Personen (warum nicht: von ihnen?) der Erbe sein soll, so gelten die
mehreren Personen als zu Miterben eingesetzt." Wenn ein Erblasser bestimmt:
„Von meinen beiden Neffen ^ und L soll nur ^ oder K mein Erbe sein,"
so ist bei dieser durchaus unklaren Verfügung doch so viel klar, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/40>, abgerufen am 01.09.2024.