Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
?er Schutz des PriruiteigcutuulS zur See

licher Flagge. 2. Doch sind der Beschlagnahme unterworfen die für den Krieg
unmittelbar dienlichen oder bestimmten Sachen und solche Handelsschiffe, die
an den Feindseligkeiten teil genommen haben oder für diese Teilnahme un¬
mittelbar bestimmt sind, oder die eine wirkliche Blockade verletzt haben."
Perels spricht es ebenfalls, unter Berufung auf Bluntschli, aus, daß "der
Glaube an das Secbeuterecht bereits gründlich erschüttert" sei, aber er führt
doch auch die Gründe seiner Verteidiger aus, von denen wohl der schwerste
immer der bleiben wird, den die größte Seemacht, England anführt. Im
Jahre 1860 erklärte Lord Palmerston den Abgeordneten des britischen Handels¬
standes, die die Bremer Resolution vom 2. Dezember 185ö aus Abschaffung
des Seebeutercchts zur Annahme empfahlen: seines Erachtens hänge die
Existenz Englands davon ab, daß es die Herrschaft über die See besitze, und
zu diesem Zweck sei es notwendig, die Gewalt, die Schiffe fremder Mächte
wegzunehmen und namentlich die auf diesen Schiffen dienenden Matrosen ge¬
fangen zu nehmen, nicht aus den Händen zu gebe". Der Krieg sei ein furcht¬
bares Übel; dennoch sei es zuweilen notwendig, um der Selbsterhaltung willen
Krieg zu führen, und eine Seemacht wie England dürfe sich keines Mittels
entünßern, ihren Feind zur See zu schwächen. Wenn England nicht die
Matrosen des feindlichen Staats an Bord der Handelsschiffe gefangen nehme,
so würde es diese Matrosen bald an Bord der Kriegsschiffe zu bekämpfen
haben. Auch Ortolan und Hautefenille vertreten nachdrücklich diesen Standpunkt.

Als Kuriosum sei erwähnt, daß ein Hamburger Blatt vor einiger Zeit
die Behauptung aufstellte, das Seebeuterecht würde längst aufgehoben sein,
wenn nicht die Seeoffiziere ein besondres Interesse daran hätten. Für den
Fachmann wirkt ja nun solche Unkenntnis einfach erheiternd, aber der Laie
wird leider dadurch irre geführt nud erhält durch solche Äußerungen ein ganz
schiefes Bild von der Sache. Die Behauptung des Hamburger Blattes bezieht
sich darauf, daß den Offizieren und Mannschaften der Kreuzer für jede Prise
ein Teil des Wertes als Belohnung zukommt. Diese Prisengelder werden in
gleicher Höhe für die Wegnahme feindlicher Kriegsschiffe gezahlt; sie sind Prä¬
mien zur Anspornung des Unternehmungsgeistes nud der Wachsamkeit der
Schiffsbesatzungeu. Vom Standpunkte der höchsten Moral sind ja nun Lvhn-
versprechnngen für gute Dienste vielleicht überflüssig; vom rein menschlichen
Standpunkte aber sind diese Prisengelder ebenso zweckmäßig wie andre Ver¬
sprechungen. Jener Hamburger befindet sich in dem Wahne, die Ansamm¬
lung von Prisengeldern sei der Zweck des Seebenterechts. Da liegt der Trug¬
schluß. Die Seebeute diente allerdings in frühern Zeiten lediglich zur Be¬
reicherung des Einzelnen, des Freibeuters. Und doch wurde sie auch damals
schon ein staatliches Kampfmittel, weil sie eine Schwächung des Gegners herbei¬
führte. Über die Zeiten, wo Kriege zum Zwecke der eignen Bereicherung ge¬
führt wurden, sind wir aber doch seit etwa einem Jahrhundert hinaus. Heut-


?er Schutz des PriruiteigcutuulS zur See

licher Flagge. 2. Doch sind der Beschlagnahme unterworfen die für den Krieg
unmittelbar dienlichen oder bestimmten Sachen und solche Handelsschiffe, die
an den Feindseligkeiten teil genommen haben oder für diese Teilnahme un¬
mittelbar bestimmt sind, oder die eine wirkliche Blockade verletzt haben."
Perels spricht es ebenfalls, unter Berufung auf Bluntschli, aus, daß „der
Glaube an das Secbeuterecht bereits gründlich erschüttert" sei, aber er führt
doch auch die Gründe seiner Verteidiger aus, von denen wohl der schwerste
immer der bleiben wird, den die größte Seemacht, England anführt. Im
Jahre 1860 erklärte Lord Palmerston den Abgeordneten des britischen Handels¬
standes, die die Bremer Resolution vom 2. Dezember 185ö aus Abschaffung
des Seebeutercchts zur Annahme empfahlen: seines Erachtens hänge die
Existenz Englands davon ab, daß es die Herrschaft über die See besitze, und
zu diesem Zweck sei es notwendig, die Gewalt, die Schiffe fremder Mächte
wegzunehmen und namentlich die auf diesen Schiffen dienenden Matrosen ge¬
fangen zu nehmen, nicht aus den Händen zu gebe». Der Krieg sei ein furcht¬
bares Übel; dennoch sei es zuweilen notwendig, um der Selbsterhaltung willen
Krieg zu führen, und eine Seemacht wie England dürfe sich keines Mittels
entünßern, ihren Feind zur See zu schwächen. Wenn England nicht die
Matrosen des feindlichen Staats an Bord der Handelsschiffe gefangen nehme,
so würde es diese Matrosen bald an Bord der Kriegsschiffe zu bekämpfen
haben. Auch Ortolan und Hautefenille vertreten nachdrücklich diesen Standpunkt.

Als Kuriosum sei erwähnt, daß ein Hamburger Blatt vor einiger Zeit
die Behauptung aufstellte, das Seebeuterecht würde längst aufgehoben sein,
wenn nicht die Seeoffiziere ein besondres Interesse daran hätten. Für den
Fachmann wirkt ja nun solche Unkenntnis einfach erheiternd, aber der Laie
wird leider dadurch irre geführt nud erhält durch solche Äußerungen ein ganz
schiefes Bild von der Sache. Die Behauptung des Hamburger Blattes bezieht
sich darauf, daß den Offizieren und Mannschaften der Kreuzer für jede Prise
ein Teil des Wertes als Belohnung zukommt. Diese Prisengelder werden in
gleicher Höhe für die Wegnahme feindlicher Kriegsschiffe gezahlt; sie sind Prä¬
mien zur Anspornung des Unternehmungsgeistes nud der Wachsamkeit der
Schiffsbesatzungeu. Vom Standpunkte der höchsten Moral sind ja nun Lvhn-
versprechnngen für gute Dienste vielleicht überflüssig; vom rein menschlichen
Standpunkte aber sind diese Prisengelder ebenso zweckmäßig wie andre Ver¬
sprechungen. Jener Hamburger befindet sich in dem Wahne, die Ansamm¬
lung von Prisengeldern sei der Zweck des Seebenterechts. Da liegt der Trug¬
schluß. Die Seebeute diente allerdings in frühern Zeiten lediglich zur Be¬
reicherung des Einzelnen, des Freibeuters. Und doch wurde sie auch damals
schon ein staatliches Kampfmittel, weil sie eine Schwächung des Gegners herbei¬
führte. Über die Zeiten, wo Kriege zum Zwecke der eignen Bereicherung ge¬
führt wurden, sind wir aber doch seit etwa einem Jahrhundert hinaus. Heut-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0376" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214168"/>
          <fw type="header" place="top"> ?er Schutz des PriruiteigcutuulS zur See</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1276" prev="#ID_1275"> licher Flagge. 2. Doch sind der Beschlagnahme unterworfen die für den Krieg<lb/>
unmittelbar dienlichen oder bestimmten Sachen und solche Handelsschiffe, die<lb/>
an den Feindseligkeiten teil genommen haben oder für diese Teilnahme un¬<lb/>
mittelbar bestimmt sind, oder die eine wirkliche Blockade verletzt haben."<lb/>
Perels spricht es ebenfalls, unter Berufung auf Bluntschli, aus, daß &#x201E;der<lb/>
Glaube an das Secbeuterecht bereits gründlich erschüttert" sei, aber er führt<lb/>
doch auch die Gründe seiner Verteidiger aus, von denen wohl der schwerste<lb/>
immer der bleiben wird, den die größte Seemacht, England anführt. Im<lb/>
Jahre 1860 erklärte Lord Palmerston den Abgeordneten des britischen Handels¬<lb/>
standes, die die Bremer Resolution vom 2. Dezember 185ö aus Abschaffung<lb/>
des Seebeutercchts zur Annahme empfahlen: seines Erachtens hänge die<lb/>
Existenz Englands davon ab, daß es die Herrschaft über die See besitze, und<lb/>
zu diesem Zweck sei es notwendig, die Gewalt, die Schiffe fremder Mächte<lb/>
wegzunehmen und namentlich die auf diesen Schiffen dienenden Matrosen ge¬<lb/>
fangen zu nehmen, nicht aus den Händen zu gebe». Der Krieg sei ein furcht¬<lb/>
bares Übel; dennoch sei es zuweilen notwendig, um der Selbsterhaltung willen<lb/>
Krieg zu führen, und eine Seemacht wie England dürfe sich keines Mittels<lb/>
entünßern, ihren Feind zur See zu schwächen. Wenn England nicht die<lb/>
Matrosen des feindlichen Staats an Bord der Handelsschiffe gefangen nehme,<lb/>
so würde es diese Matrosen bald an Bord der Kriegsschiffe zu bekämpfen<lb/>
haben. Auch Ortolan und Hautefenille vertreten nachdrücklich diesen Standpunkt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1277" next="#ID_1278"> Als Kuriosum sei erwähnt, daß ein Hamburger Blatt vor einiger Zeit<lb/>
die Behauptung aufstellte, das Seebeuterecht würde längst aufgehoben sein,<lb/>
wenn nicht die Seeoffiziere ein besondres Interesse daran hätten. Für den<lb/>
Fachmann wirkt ja nun solche Unkenntnis einfach erheiternd, aber der Laie<lb/>
wird leider dadurch irre geführt nud erhält durch solche Äußerungen ein ganz<lb/>
schiefes Bild von der Sache. Die Behauptung des Hamburger Blattes bezieht<lb/>
sich darauf, daß den Offizieren und Mannschaften der Kreuzer für jede Prise<lb/>
ein Teil des Wertes als Belohnung zukommt. Diese Prisengelder werden in<lb/>
gleicher Höhe für die Wegnahme feindlicher Kriegsschiffe gezahlt; sie sind Prä¬<lb/>
mien zur Anspornung des Unternehmungsgeistes nud der Wachsamkeit der<lb/>
Schiffsbesatzungeu. Vom Standpunkte der höchsten Moral sind ja nun Lvhn-<lb/>
versprechnngen für gute Dienste vielleicht überflüssig; vom rein menschlichen<lb/>
Standpunkte aber sind diese Prisengelder ebenso zweckmäßig wie andre Ver¬<lb/>
sprechungen. Jener Hamburger befindet sich in dem Wahne, die Ansamm¬<lb/>
lung von Prisengeldern sei der Zweck des Seebenterechts. Da liegt der Trug¬<lb/>
schluß. Die Seebeute diente allerdings in frühern Zeiten lediglich zur Be¬<lb/>
reicherung des Einzelnen, des Freibeuters. Und doch wurde sie auch damals<lb/>
schon ein staatliches Kampfmittel, weil sie eine Schwächung des Gegners herbei¬<lb/>
führte. Über die Zeiten, wo Kriege zum Zwecke der eignen Bereicherung ge¬<lb/>
führt wurden, sind wir aber doch seit etwa einem Jahrhundert hinaus. Heut-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0376] ?er Schutz des PriruiteigcutuulS zur See licher Flagge. 2. Doch sind der Beschlagnahme unterworfen die für den Krieg unmittelbar dienlichen oder bestimmten Sachen und solche Handelsschiffe, die an den Feindseligkeiten teil genommen haben oder für diese Teilnahme un¬ mittelbar bestimmt sind, oder die eine wirkliche Blockade verletzt haben." Perels spricht es ebenfalls, unter Berufung auf Bluntschli, aus, daß „der Glaube an das Secbeuterecht bereits gründlich erschüttert" sei, aber er führt doch auch die Gründe seiner Verteidiger aus, von denen wohl der schwerste immer der bleiben wird, den die größte Seemacht, England anführt. Im Jahre 1860 erklärte Lord Palmerston den Abgeordneten des britischen Handels¬ standes, die die Bremer Resolution vom 2. Dezember 185ö aus Abschaffung des Seebeutercchts zur Annahme empfahlen: seines Erachtens hänge die Existenz Englands davon ab, daß es die Herrschaft über die See besitze, und zu diesem Zweck sei es notwendig, die Gewalt, die Schiffe fremder Mächte wegzunehmen und namentlich die auf diesen Schiffen dienenden Matrosen ge¬ fangen zu nehmen, nicht aus den Händen zu gebe». Der Krieg sei ein furcht¬ bares Übel; dennoch sei es zuweilen notwendig, um der Selbsterhaltung willen Krieg zu führen, und eine Seemacht wie England dürfe sich keines Mittels entünßern, ihren Feind zur See zu schwächen. Wenn England nicht die Matrosen des feindlichen Staats an Bord der Handelsschiffe gefangen nehme, so würde es diese Matrosen bald an Bord der Kriegsschiffe zu bekämpfen haben. Auch Ortolan und Hautefenille vertreten nachdrücklich diesen Standpunkt. Als Kuriosum sei erwähnt, daß ein Hamburger Blatt vor einiger Zeit die Behauptung aufstellte, das Seebeuterecht würde längst aufgehoben sein, wenn nicht die Seeoffiziere ein besondres Interesse daran hätten. Für den Fachmann wirkt ja nun solche Unkenntnis einfach erheiternd, aber der Laie wird leider dadurch irre geführt nud erhält durch solche Äußerungen ein ganz schiefes Bild von der Sache. Die Behauptung des Hamburger Blattes bezieht sich darauf, daß den Offizieren und Mannschaften der Kreuzer für jede Prise ein Teil des Wertes als Belohnung zukommt. Diese Prisengelder werden in gleicher Höhe für die Wegnahme feindlicher Kriegsschiffe gezahlt; sie sind Prä¬ mien zur Anspornung des Unternehmungsgeistes nud der Wachsamkeit der Schiffsbesatzungeu. Vom Standpunkte der höchsten Moral sind ja nun Lvhn- versprechnngen für gute Dienste vielleicht überflüssig; vom rein menschlichen Standpunkte aber sind diese Prisengelder ebenso zweckmäßig wie andre Ver¬ sprechungen. Jener Hamburger befindet sich in dem Wahne, die Ansamm¬ lung von Prisengeldern sei der Zweck des Seebenterechts. Da liegt der Trug¬ schluß. Die Seebeute diente allerdings in frühern Zeiten lediglich zur Be¬ reicherung des Einzelnen, des Freibeuters. Und doch wurde sie auch damals schon ein staatliches Kampfmittel, weil sie eine Schwächung des Gegners herbei¬ führte. Über die Zeiten, wo Kriege zum Zwecke der eignen Bereicherung ge¬ führt wurden, sind wir aber doch seit etwa einem Jahrhundert hinaus. Heut-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/376
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/376>, abgerufen am 01.09.2024.