Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.Er haftet als" für das Verschulde" des andern. Gegen den Sprachgebrauch 4. Sprachunschönheiten. Wie schon bemerkt, läßt der Entwurf im Auf jeder Seite beinahe stößt man auf die Formel in Ansehung. Sie Vielfach ohne Not werden die breitspurigen Tintendeutschwörter behufs, Er haftet als» für das Verschulde» des andern. Gegen den Sprachgebrauch 4. Sprachunschönheiten. Wie schon bemerkt, läßt der Entwurf im Auf jeder Seite beinahe stößt man auf die Formel in Ansehung. Sie Vielfach ohne Not werden die breitspurigen Tintendeutschwörter behufs, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0237" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214029"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_771" prev="#ID_770"> Er haftet als» für das Verschulde» des andern. Gegen den Sprachgebrauch<lb/> ist auch die Wendung (8 522): „Die Kündigung ist bei unbeweglichen Sachen<lb/> nur zum Ablaufe der Kalendervierteljahre zulässig." Wohl sagt mau: ich<lb/> kündige zu Ostern, zu Michaelis, oder: ich werde zu Eude dieses Monats,<lb/> zum 31. Dezember kündigen. Aber damit meint man den Zeitpunkt der Kün¬<lb/> digungserklärung, nicht, wie der Entwurf, den Zeitpunkt, wo die Kündigungs¬<lb/> frist endigt. Nach dein guten Sprachgebrauche heißt es: Ich kündige zu Ostern<lb/> für Michaelis, am 31. Dezember für den 31. März. Der Schlußsatz der<lb/> „Motive" zu Z 522 trifft im Gegensatz zum Entwurf auch hier wieder das<lb/> richtige: Kündigung für deu nächsten Termin.</p><lb/> <p xml:id="ID_772"> 4. Sprachunschönheiten. Wie schon bemerkt, läßt der Entwurf im<lb/> großen und ganzen das Bestreben nach Einfachheit des Ausdrucks erkennen.<lb/> Zuweilen kommen aber doch Wendungen vor, die nichts weniger als einfach,<lb/> ja umständlich, gespreizt oder steif, jedenfalls aber unschön sind. Vieles gehört<lb/> dem veralteten Kanzleistil oder doch dem Papierstil oder Tintendeutsch an,<lb/> einiges einer gerade herrschenden häßlichen Zeitungsmode.</p><lb/> <p xml:id="ID_773"> Auf jeder Seite beinahe stößt man auf die Formel in Ansehung. Sie<lb/> ist nicht alleiniges Eigentum der Juristen, man findet sie mich bei Kant,<lb/> Lessing und andern. Aber schon bei Grimm heißt es darüber: „Man sagt<lb/> hente auch: in Hinsicht, in Bezug auf, oder hinsichtlich, bezüglich." In unsern<lb/> Tagen ist die Formel ganz altmodisch geworden. Neuere gute Schriftsteller<lb/> wenden sie nicht mehr an. Sie ist auch entbehrlich: hinsichtlich ersetzt sie<lb/> vollkommen. Wie zopfig klingt es doch, wenn es in § 100 heißt: „Fehlt bei<lb/> der Schließung eines Vertrages in Ansehung eines Theiles des Vertrages<lb/> die Übereinstimmung des Willens der Vertragschließenden," oder in § 1478:<lb/> „so finden in Ansehung der Anfechtung der Anerkennung die Vorschriften<lb/> . . . entsprechende Anwendung." In 8 571 findet sich die Formel dreimal<lb/> in einem Satze. Vielfach ist sie aber nicht einmal am Platze; an einigen<lb/> Stellen (z.B. 88 548, 871. 939. 1114. 1429, 1863) wäre ans dafür zu<lb/> setzen, an andern (z. B. 1254) für, noch an andern (571, 1509, 1702, 2061)<lb/> bei: „der Anspruch unterliegt in Ansehung beweglicher Sachen" (bei be¬<lb/> beweglichen Sachen) einer Verjährung von sechs Monaten; wieder an andern<lb/> wäre die Formel mit über zu vertauschen, z. B.: „der Erblasser kann in An¬<lb/> sehung eines Bruchtheiles verfügen" (über einen Bruchteil).</p><lb/> <p xml:id="ID_774" next="#ID_775"> Vielfach ohne Not werden die breitspurigen Tintendeutschwörter behufs,<lb/> mittels und seitens oder von Seiten angewendet. So 8 766: „eine<lb/> behufs Erhaltung des Gegenstandes erforderliche Maßregel." In dem ersten<lb/> Satze dieser Bestimmung ist „zur Erhaltung" gesagt. Überhaupt ist behufs<lb/> hier falsch angewendet, denn es weist stets auf die Absicht eines Handelnden<lb/> hin. 8 l/?1 f.: „die Unterbrechung der Verjährung mittels (durch) Klage,"<lb/> „mittels Vornahme einer Vollstreckungshandlung"; 8 803: „Mittels Über-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0237]
Er haftet als» für das Verschulde» des andern. Gegen den Sprachgebrauch
ist auch die Wendung (8 522): „Die Kündigung ist bei unbeweglichen Sachen
nur zum Ablaufe der Kalendervierteljahre zulässig." Wohl sagt mau: ich
kündige zu Ostern, zu Michaelis, oder: ich werde zu Eude dieses Monats,
zum 31. Dezember kündigen. Aber damit meint man den Zeitpunkt der Kün¬
digungserklärung, nicht, wie der Entwurf, den Zeitpunkt, wo die Kündigungs¬
frist endigt. Nach dein guten Sprachgebrauche heißt es: Ich kündige zu Ostern
für Michaelis, am 31. Dezember für den 31. März. Der Schlußsatz der
„Motive" zu Z 522 trifft im Gegensatz zum Entwurf auch hier wieder das
richtige: Kündigung für deu nächsten Termin.
4. Sprachunschönheiten. Wie schon bemerkt, läßt der Entwurf im
großen und ganzen das Bestreben nach Einfachheit des Ausdrucks erkennen.
Zuweilen kommen aber doch Wendungen vor, die nichts weniger als einfach,
ja umständlich, gespreizt oder steif, jedenfalls aber unschön sind. Vieles gehört
dem veralteten Kanzleistil oder doch dem Papierstil oder Tintendeutsch an,
einiges einer gerade herrschenden häßlichen Zeitungsmode.
Auf jeder Seite beinahe stößt man auf die Formel in Ansehung. Sie
ist nicht alleiniges Eigentum der Juristen, man findet sie mich bei Kant,
Lessing und andern. Aber schon bei Grimm heißt es darüber: „Man sagt
hente auch: in Hinsicht, in Bezug auf, oder hinsichtlich, bezüglich." In unsern
Tagen ist die Formel ganz altmodisch geworden. Neuere gute Schriftsteller
wenden sie nicht mehr an. Sie ist auch entbehrlich: hinsichtlich ersetzt sie
vollkommen. Wie zopfig klingt es doch, wenn es in § 100 heißt: „Fehlt bei
der Schließung eines Vertrages in Ansehung eines Theiles des Vertrages
die Übereinstimmung des Willens der Vertragschließenden," oder in § 1478:
„so finden in Ansehung der Anfechtung der Anerkennung die Vorschriften
. . . entsprechende Anwendung." In 8 571 findet sich die Formel dreimal
in einem Satze. Vielfach ist sie aber nicht einmal am Platze; an einigen
Stellen (z.B. 88 548, 871. 939. 1114. 1429, 1863) wäre ans dafür zu
setzen, an andern (z. B. 1254) für, noch an andern (571, 1509, 1702, 2061)
bei: „der Anspruch unterliegt in Ansehung beweglicher Sachen" (bei be¬
beweglichen Sachen) einer Verjährung von sechs Monaten; wieder an andern
wäre die Formel mit über zu vertauschen, z. B.: „der Erblasser kann in An¬
sehung eines Bruchtheiles verfügen" (über einen Bruchteil).
Vielfach ohne Not werden die breitspurigen Tintendeutschwörter behufs,
mittels und seitens oder von Seiten angewendet. So 8 766: „eine
behufs Erhaltung des Gegenstandes erforderliche Maßregel." In dem ersten
Satze dieser Bestimmung ist „zur Erhaltung" gesagt. Überhaupt ist behufs
hier falsch angewendet, denn es weist stets auf die Absicht eines Handelnden
hin. 8 l/?1 f.: „die Unterbrechung der Verjährung mittels (durch) Klage,"
„mittels Vornahme einer Vollstreckungshandlung"; 8 803: „Mittels Über-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |