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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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lveder Kommunismus noch Kapitalismus

Wolle nur nicht zärteln Weiberhaft,
Noch nach Barbarengrußes Weise knechtisch mir
Swnbhingesuukne Huldigung entgegenblahu,
Noch mache gar mit deinem Purpur meinen Weg
Verhaßt; die Götter nur ist so zu ehren recht!
Daß ich, ein Mensch, auf bunten Prachtgewandeu soll
Hinschreiten, mir ists Grund zu mehr als eitler Furcht.

Aber das listige Weib setzt ihm so zu mit schmeichlerischen Bitten, daß er
schließlich nachgiebt. Doch mag er den Purpur nicht anders als barfuß betreten:


Wohlan, du willst es! Bindet mir die Sohle ab
Zu diesem Gange, meines Fußes Dienerin,
Daß mich nicht fernher eines Gottes neidscher Blick,
Wenn ich in ihr aus Purpur trete, treffe; denn
Ich habe Scheu, Vergeuder reichen Guts zu sein,
Dies Prachtgeweb zertretend, silberschwer erkauft.

Von dieser natürlichen und gesunden Auffassung des Altertums ist in diesem
wie in andern Stücken bei uns keine Spur mehr vorhanden. Kein vornehmer
Manu scheut sich mehr, Prachtgewebe zu zertreten, keine vornehme Dame
fürchtet den Neid der Götter und den Haß der Menschen -- vor dem letztern
schützen ja die Kanonen --, wenn sie kostbare Spitzen, Seidenstoffe, Hand¬
schuhe verwüstet, worein überwachte, kranke, darbende Arbeiterinnen ihre Tränen
gewebt, genäht und gestickt haben. Keinem Herrn und keiner Dame füllt es
ein, wie viel Elend aus der Welt geschafft und wie viel Glück damit gestiftet
werden konnte, wenn die reichen Leute nur die Hälfte dieser Stoffe verbrauchten
'und dafür den doppelten Preis zahlten. So kommt es, daß der Arme nicht
arbeiten kann und darf, um sich das Brot und Fleisch, das er braucht, das
Hemd und die Stiefeln und die Wohnung, die ihm fehlen, zu schaffen, sondern
daß er arbeiten muß, um Zucker für England, Spiritus für Spanien, Spitzen
und Teppiche für vornehme Herrschaften herzustellen, daneben auch Spielereien
für jedermann in solchem Überfluß, daß sie niemand mehr mag, vor allem
Wohnungen für gehoffte, aber in Wirklichkeit gar nicht vorhandne Mieter.

Das ist der Widersinn, den der Reichtum mit seiner Mutter, der Industrie
zeugt, von der einen Seite. Er hat aber noch andre Seiten, von denen wir
wenigstens eine hervorheben wollen. Es wurde schon erwähnt, daß zwischen
Reichen und Armen leine Gemeinschaft des Genusses mehr vorkomme. Das
gilt jedoch nur im allgemeinen; in einzelnen Fällen finden sich Reich und Arm
schon noch im Genuß zusammen. So z. B. vergnügen sich reiche Herren nicht
selten mit -- armen Mädchen. Aber, das ist das merkwürdige, diese Mädchen
dürfen nicht die Arbeiterinnen des Herrn sein, oder wenn sie es ausnahms¬
weise einmal sind, so werden sie nicht in ihrer Eigenschaft als seine Arbeite¬
rinnen zum gemeinsamen Genuß zugelassen. Kürzlich war in den Zeitungen
zu lesen, ein Hamlmrger Kaufmann habe einer Berliner Kellnerin 15000 Mark


lveder Kommunismus noch Kapitalismus

Wolle nur nicht zärteln Weiberhaft,
Noch nach Barbarengrußes Weise knechtisch mir
Swnbhingesuukne Huldigung entgegenblahu,
Noch mache gar mit deinem Purpur meinen Weg
Verhaßt; die Götter nur ist so zu ehren recht!
Daß ich, ein Mensch, auf bunten Prachtgewandeu soll
Hinschreiten, mir ists Grund zu mehr als eitler Furcht.

Aber das listige Weib setzt ihm so zu mit schmeichlerischen Bitten, daß er
schließlich nachgiebt. Doch mag er den Purpur nicht anders als barfuß betreten:


Wohlan, du willst es! Bindet mir die Sohle ab
Zu diesem Gange, meines Fußes Dienerin,
Daß mich nicht fernher eines Gottes neidscher Blick,
Wenn ich in ihr aus Purpur trete, treffe; denn
Ich habe Scheu, Vergeuder reichen Guts zu sein,
Dies Prachtgeweb zertretend, silberschwer erkauft.

Von dieser natürlichen und gesunden Auffassung des Altertums ist in diesem
wie in andern Stücken bei uns keine Spur mehr vorhanden. Kein vornehmer
Manu scheut sich mehr, Prachtgewebe zu zertreten, keine vornehme Dame
fürchtet den Neid der Götter und den Haß der Menschen — vor dem letztern
schützen ja die Kanonen —, wenn sie kostbare Spitzen, Seidenstoffe, Hand¬
schuhe verwüstet, worein überwachte, kranke, darbende Arbeiterinnen ihre Tränen
gewebt, genäht und gestickt haben. Keinem Herrn und keiner Dame füllt es
ein, wie viel Elend aus der Welt geschafft und wie viel Glück damit gestiftet
werden konnte, wenn die reichen Leute nur die Hälfte dieser Stoffe verbrauchten
'und dafür den doppelten Preis zahlten. So kommt es, daß der Arme nicht
arbeiten kann und darf, um sich das Brot und Fleisch, das er braucht, das
Hemd und die Stiefeln und die Wohnung, die ihm fehlen, zu schaffen, sondern
daß er arbeiten muß, um Zucker für England, Spiritus für Spanien, Spitzen
und Teppiche für vornehme Herrschaften herzustellen, daneben auch Spielereien
für jedermann in solchem Überfluß, daß sie niemand mehr mag, vor allem
Wohnungen für gehoffte, aber in Wirklichkeit gar nicht vorhandne Mieter.

Das ist der Widersinn, den der Reichtum mit seiner Mutter, der Industrie
zeugt, von der einen Seite. Er hat aber noch andre Seiten, von denen wir
wenigstens eine hervorheben wollen. Es wurde schon erwähnt, daß zwischen
Reichen und Armen leine Gemeinschaft des Genusses mehr vorkomme. Das
gilt jedoch nur im allgemeinen; in einzelnen Fällen finden sich Reich und Arm
schon noch im Genuß zusammen. So z. B. vergnügen sich reiche Herren nicht
selten mit — armen Mädchen. Aber, das ist das merkwürdige, diese Mädchen
dürfen nicht die Arbeiterinnen des Herrn sein, oder wenn sie es ausnahms¬
weise einmal sind, so werden sie nicht in ihrer Eigenschaft als seine Arbeite¬
rinnen zum gemeinsamen Genuß zugelassen. Kürzlich war in den Zeitungen
zu lesen, ein Hamlmrger Kaufmann habe einer Berliner Kellnerin 15000 Mark


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[0231] lveder Kommunismus noch Kapitalismus Wolle nur nicht zärteln Weiberhaft, Noch nach Barbarengrußes Weise knechtisch mir Swnbhingesuukne Huldigung entgegenblahu, Noch mache gar mit deinem Purpur meinen Weg Verhaßt; die Götter nur ist so zu ehren recht! Daß ich, ein Mensch, auf bunten Prachtgewandeu soll Hinschreiten, mir ists Grund zu mehr als eitler Furcht. Aber das listige Weib setzt ihm so zu mit schmeichlerischen Bitten, daß er schließlich nachgiebt. Doch mag er den Purpur nicht anders als barfuß betreten: Wohlan, du willst es! Bindet mir die Sohle ab Zu diesem Gange, meines Fußes Dienerin, Daß mich nicht fernher eines Gottes neidscher Blick, Wenn ich in ihr aus Purpur trete, treffe; denn Ich habe Scheu, Vergeuder reichen Guts zu sein, Dies Prachtgeweb zertretend, silberschwer erkauft. Von dieser natürlichen und gesunden Auffassung des Altertums ist in diesem wie in andern Stücken bei uns keine Spur mehr vorhanden. Kein vornehmer Manu scheut sich mehr, Prachtgewebe zu zertreten, keine vornehme Dame fürchtet den Neid der Götter und den Haß der Menschen — vor dem letztern schützen ja die Kanonen —, wenn sie kostbare Spitzen, Seidenstoffe, Hand¬ schuhe verwüstet, worein überwachte, kranke, darbende Arbeiterinnen ihre Tränen gewebt, genäht und gestickt haben. Keinem Herrn und keiner Dame füllt es ein, wie viel Elend aus der Welt geschafft und wie viel Glück damit gestiftet werden konnte, wenn die reichen Leute nur die Hälfte dieser Stoffe verbrauchten 'und dafür den doppelten Preis zahlten. So kommt es, daß der Arme nicht arbeiten kann und darf, um sich das Brot und Fleisch, das er braucht, das Hemd und die Stiefeln und die Wohnung, die ihm fehlen, zu schaffen, sondern daß er arbeiten muß, um Zucker für England, Spiritus für Spanien, Spitzen und Teppiche für vornehme Herrschaften herzustellen, daneben auch Spielereien für jedermann in solchem Überfluß, daß sie niemand mehr mag, vor allem Wohnungen für gehoffte, aber in Wirklichkeit gar nicht vorhandne Mieter. Das ist der Widersinn, den der Reichtum mit seiner Mutter, der Industrie zeugt, von der einen Seite. Er hat aber noch andre Seiten, von denen wir wenigstens eine hervorheben wollen. Es wurde schon erwähnt, daß zwischen Reichen und Armen leine Gemeinschaft des Genusses mehr vorkomme. Das gilt jedoch nur im allgemeinen; in einzelnen Fällen finden sich Reich und Arm schon noch im Genuß zusammen. So z. B. vergnügen sich reiche Herren nicht selten mit — armen Mädchen. Aber, das ist das merkwürdige, diese Mädchen dürfen nicht die Arbeiterinnen des Herrn sein, oder wenn sie es ausnahms¬ weise einmal sind, so werden sie nicht in ihrer Eigenschaft als seine Arbeite¬ rinnen zum gemeinsamen Genuß zugelassen. Kürzlich war in den Zeitungen zu lesen, ein Hamlmrger Kaufmann habe einer Berliner Kellnerin 15000 Mark

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/231>, abgerufen am 01.09.2024.