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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Weder Aominunismns noch Kapitalismus

trugen durchaus den Charakter des phönizischen Handels in jener ältesten Pe¬
riode, wo Seehandel und Seeraub ein Ding waren. Die Art und Weise, wie
die Spanier ihre amerikanischen Besitzungen ausgebeutet haben, ist bekannt.
Die falsche Wertschätzung der Edelmetalle verleitete sie, vor allem Gold und
Silber zusammenzurauben. Immerhin verleiht ein großer Barschatz, den man
zu benutzen versteht, einer Nation so gut ein Übergewicht, wie dem einzelnen
Unternehmer. Mag es nnn Faulheit, oder Beschränktheit, oder Bigotterie, oder
Romantik, oder Gutmütigkeit gewesen sein, was den Spaniern hinderlich war,
kurz, sie verstanden ihren Schatz weder zu benutzen noch zu behalten und
wurden samt den Portugiesen von den Holländern und Engländern ans der
Herrschaft über das Weltmeer verdrüugt und sogar eines Teiles ihrer über¬
seeischen Besitzungen beraubt.

Die Gewaltthätigkeit, Rücksichtslosigkeit nud Gewissenlosigkeit der Nieder¬
länder wird auch von ihrem glühenden Verehrer Treitschke zugestanden. Karl
Marx hat einige Züge zusammengetragen, die ihre Art, Kapital anzuhäufen,
bezeichnen. Die europäischen Völker waren bis ins vorige Jahrhundert hinein
an stark gewürzte Speisen gewöhnt, was sich aus der Einförmigkeit ihrer da¬
maligen Kost einigermaßen erklärt. Die Holländer pflegten nun, um die Preise
hoch zu halten, jährlich einen Teil ihrer Gewürzernte zu verbrennen. Die
Bevölkerung der Provinz Banjnvanzi auf Java wurde binnen sechzig Jahren
(1750 bis 1811) von 80 000 auf 8000 heruntergebracht, dafür aber der
Bedarf an Sklaven dnrch Menschenjagden auf Celebes gedeckt, die mit em¬
pörender Grausamkeit betrieben wurden. Um sich Malakkas zu bemächtigen,
bestachen sie den portugiesischen Gouverneur dieser Stadt. Er ließ sie 1641
herein; sie aber ermordeten ihn meuchlings, um die ansbedungne Summe von
21000 Pfund zu sparen.

Die Niederländer hatten uns solche Weise schon ein gewaltiges Kapital
"erarbeitet und erspart," d. h. die Großstanteu Europas zu ihren Schuldnern
gemacht und deren Unterthanen in die Notwendigkeit versetzt, für die Myn-
heers zu arbeiten, als sie dnrch Cromwells Navigationscikte von den britischen
Häfen ausgeschlossen und dann von den Engländern im Seekriege überwunden
wurden. Seitdem zehren sie hauptsächlich von ihren durch Raub aufgehäuften
gewaltigen Kapitalien, die ihr mittlerweile solid gewordner Handel und Plan¬
tagenbau nur eben zu erhalten vermag. Die Engländer haben dann die Aus¬
beutung der farbigen Menschen im großartigsten Stile betrieben. Was sich zu
Sklavendiensten uicht gebrauchen ließ, das wurde wie Raubwild ausgerottet.
Die Puritaner Neuenglands setzten Preise ans jeden Skalp; im Jahre 1744
z. B. für einen männlichen Skalp 100 Pfund, für einen Weiber- oder Kindcr-
skalp 50 Pfund. Das Privilegium des Sklavenhandels zur Versorgung nicht
bloß ihrer eignen, sondern anch der spanischen Kolonien entrangen sie den
Spaniern oder vielmehr den Genuesern, denen es die spanischen Könige als


Weder Aominunismns noch Kapitalismus

trugen durchaus den Charakter des phönizischen Handels in jener ältesten Pe¬
riode, wo Seehandel und Seeraub ein Ding waren. Die Art und Weise, wie
die Spanier ihre amerikanischen Besitzungen ausgebeutet haben, ist bekannt.
Die falsche Wertschätzung der Edelmetalle verleitete sie, vor allem Gold und
Silber zusammenzurauben. Immerhin verleiht ein großer Barschatz, den man
zu benutzen versteht, einer Nation so gut ein Übergewicht, wie dem einzelnen
Unternehmer. Mag es nnn Faulheit, oder Beschränktheit, oder Bigotterie, oder
Romantik, oder Gutmütigkeit gewesen sein, was den Spaniern hinderlich war,
kurz, sie verstanden ihren Schatz weder zu benutzen noch zu behalten und
wurden samt den Portugiesen von den Holländern und Engländern ans der
Herrschaft über das Weltmeer verdrüugt und sogar eines Teiles ihrer über¬
seeischen Besitzungen beraubt.

Die Gewaltthätigkeit, Rücksichtslosigkeit nud Gewissenlosigkeit der Nieder¬
länder wird auch von ihrem glühenden Verehrer Treitschke zugestanden. Karl
Marx hat einige Züge zusammengetragen, die ihre Art, Kapital anzuhäufen,
bezeichnen. Die europäischen Völker waren bis ins vorige Jahrhundert hinein
an stark gewürzte Speisen gewöhnt, was sich aus der Einförmigkeit ihrer da¬
maligen Kost einigermaßen erklärt. Die Holländer pflegten nun, um die Preise
hoch zu halten, jährlich einen Teil ihrer Gewürzernte zu verbrennen. Die
Bevölkerung der Provinz Banjnvanzi auf Java wurde binnen sechzig Jahren
(1750 bis 1811) von 80 000 auf 8000 heruntergebracht, dafür aber der
Bedarf an Sklaven dnrch Menschenjagden auf Celebes gedeckt, die mit em¬
pörender Grausamkeit betrieben wurden. Um sich Malakkas zu bemächtigen,
bestachen sie den portugiesischen Gouverneur dieser Stadt. Er ließ sie 1641
herein; sie aber ermordeten ihn meuchlings, um die ansbedungne Summe von
21000 Pfund zu sparen.

Die Niederländer hatten uns solche Weise schon ein gewaltiges Kapital
„erarbeitet und erspart," d. h. die Großstanteu Europas zu ihren Schuldnern
gemacht und deren Unterthanen in die Notwendigkeit versetzt, für die Myn-
heers zu arbeiten, als sie dnrch Cromwells Navigationscikte von den britischen
Häfen ausgeschlossen und dann von den Engländern im Seekriege überwunden
wurden. Seitdem zehren sie hauptsächlich von ihren durch Raub aufgehäuften
gewaltigen Kapitalien, die ihr mittlerweile solid gewordner Handel und Plan¬
tagenbau nur eben zu erhalten vermag. Die Engländer haben dann die Aus¬
beutung der farbigen Menschen im großartigsten Stile betrieben. Was sich zu
Sklavendiensten uicht gebrauchen ließ, das wurde wie Raubwild ausgerottet.
Die Puritaner Neuenglands setzten Preise ans jeden Skalp; im Jahre 1744
z. B. für einen männlichen Skalp 100 Pfund, für einen Weiber- oder Kindcr-
skalp 50 Pfund. Das Privilegium des Sklavenhandels zur Versorgung nicht
bloß ihrer eignen, sondern anch der spanischen Kolonien entrangen sie den
Spaniern oder vielmehr den Genuesern, denen es die spanischen Könige als


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[0022] Weder Aominunismns noch Kapitalismus trugen durchaus den Charakter des phönizischen Handels in jener ältesten Pe¬ riode, wo Seehandel und Seeraub ein Ding waren. Die Art und Weise, wie die Spanier ihre amerikanischen Besitzungen ausgebeutet haben, ist bekannt. Die falsche Wertschätzung der Edelmetalle verleitete sie, vor allem Gold und Silber zusammenzurauben. Immerhin verleiht ein großer Barschatz, den man zu benutzen versteht, einer Nation so gut ein Übergewicht, wie dem einzelnen Unternehmer. Mag es nnn Faulheit, oder Beschränktheit, oder Bigotterie, oder Romantik, oder Gutmütigkeit gewesen sein, was den Spaniern hinderlich war, kurz, sie verstanden ihren Schatz weder zu benutzen noch zu behalten und wurden samt den Portugiesen von den Holländern und Engländern ans der Herrschaft über das Weltmeer verdrüugt und sogar eines Teiles ihrer über¬ seeischen Besitzungen beraubt. Die Gewaltthätigkeit, Rücksichtslosigkeit nud Gewissenlosigkeit der Nieder¬ länder wird auch von ihrem glühenden Verehrer Treitschke zugestanden. Karl Marx hat einige Züge zusammengetragen, die ihre Art, Kapital anzuhäufen, bezeichnen. Die europäischen Völker waren bis ins vorige Jahrhundert hinein an stark gewürzte Speisen gewöhnt, was sich aus der Einförmigkeit ihrer da¬ maligen Kost einigermaßen erklärt. Die Holländer pflegten nun, um die Preise hoch zu halten, jährlich einen Teil ihrer Gewürzernte zu verbrennen. Die Bevölkerung der Provinz Banjnvanzi auf Java wurde binnen sechzig Jahren (1750 bis 1811) von 80 000 auf 8000 heruntergebracht, dafür aber der Bedarf an Sklaven dnrch Menschenjagden auf Celebes gedeckt, die mit em¬ pörender Grausamkeit betrieben wurden. Um sich Malakkas zu bemächtigen, bestachen sie den portugiesischen Gouverneur dieser Stadt. Er ließ sie 1641 herein; sie aber ermordeten ihn meuchlings, um die ansbedungne Summe von 21000 Pfund zu sparen. Die Niederländer hatten uns solche Weise schon ein gewaltiges Kapital „erarbeitet und erspart," d. h. die Großstanteu Europas zu ihren Schuldnern gemacht und deren Unterthanen in die Notwendigkeit versetzt, für die Myn- heers zu arbeiten, als sie dnrch Cromwells Navigationscikte von den britischen Häfen ausgeschlossen und dann von den Engländern im Seekriege überwunden wurden. Seitdem zehren sie hauptsächlich von ihren durch Raub aufgehäuften gewaltigen Kapitalien, die ihr mittlerweile solid gewordner Handel und Plan¬ tagenbau nur eben zu erhalten vermag. Die Engländer haben dann die Aus¬ beutung der farbigen Menschen im großartigsten Stile betrieben. Was sich zu Sklavendiensten uicht gebrauchen ließ, das wurde wie Raubwild ausgerottet. Die Puritaner Neuenglands setzten Preise ans jeden Skalp; im Jahre 1744 z. B. für einen männlichen Skalp 100 Pfund, für einen Weiber- oder Kindcr- skalp 50 Pfund. Das Privilegium des Sklavenhandels zur Versorgung nicht bloß ihrer eignen, sondern anch der spanischen Kolonien entrangen sie den Spaniern oder vielmehr den Genuesern, denen es die spanischen Könige als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/22>, abgerufen am 06.10.2024.