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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Zwei Dichter

gewissen Josef Meier erinnern, dem er einmal die Abschrift eines Manuskripts
anvertraut, aber wieder entzogen hatte, weil sich ein andrer fand, der die Ar¬
beit um zwei Pfennige billiger für den Bogen leisten wollte. Der Kuust-
mäcen David Friedländer endlich gedachte eines Beamten Josef Meier, der
einst in einer seiner gewaltigen Zinskasernen eine bescheidne Mansardenwoh¬
nung inne gehabt hatte, und den er samt seiner Familie mitten im Winter
auf die Gasse hatte setzen lassen, weil er infolge der Krankheit eines Kindes
mit der Miete im Rückstände geblieben war.

Selbstverständlich that keiner der Herren weder seinen Genossen noch
Psyche gegenüber dieser peinlichen Erinnerungen Erwähnung.

Ein wenig gedrückt und kleinmütig empfahlen sich die Abgeordneten des
großen Blumenstockjnbilänmsfestansschusses von Pshche. Sie versicherten,
daß es ihnen eine Ehre sei, das gnädige Fräulein kennen gelernt zu haben,
und bedauerten nur lebhaft, nicht auch die hehre Muse von Angesicht zu An¬
gesicht gesehn zu haben. Den Zweck ihrer Reise wagten sie nach dem Ver-
nommnen nicht nochmals zu erwähnen. -- ,

Die Heimreise näherte sich ihrem Ende. Behaglich saßen die drei Herren
in ihrem "Wagenabteil" erster Klasse und erquickten sich an dem Duft ihrer
Havannah. In wenigen Stunden sollten sie wieder in der guten Stadt Jxingeu,
der Stätte ihres Wirkens und ihrer Erfolge, eintreffen.

Es ist doch schade, bemerkte Professor Zwirnspinner, daß unsre Reise er¬
gebnislos geblieben ist.

Warum ergebnislos ? entgegnete Dr. Windmantel, für unser jetziges Fest --
ja; aber dafür bringen wir ein zweites Fest sozusagen in der Tasche mit.

Ah! riefen die beiden andern und sahen Windmautel gespannt an. Der
aber fuhr überlegen lächelnd fort: Ja, ein andres Fest, sage ich. Übers
Jahr feiern wir die Enthüllung des Josef-Meierdentmals in Jxingen!

Bravo! bravo! rief Professor Zwirnspinner, und ich halte die Festrede!
Zuvor aber gebe ich Meiers Gedichte mit einer biographisch-kritischen Einlei¬
tung aus meiner Feder heraus.

Und ich werde geben das Geld, beeilte sich David Friedländer zu ver¬
sichern, und werde zeichnen für das Denkmal auf der Stelle tausend Mark!

Gemach, meine Herren! mahnte Dr. Windmantel, indem er sich bequem
>n sein Sammetfantenil zurückkehrte, ich bin mit allein einverstanden, aber ver-
t^shell Sie nicht, daß ich der Urheber des Ganzen bin, und daß die Idee des
Meierdenkmals mein geistiges Eigentum ist. Zunächst müssen wir über das
Blnmenstockjnbiläum etwas Gras wachsen lassen. Dann will ich im Tageblatt
einen begeisterten Aufsatz über Josef Meier vom Stapel lassen und daran
einen Aufruf zur Herausgabe seiner Werke und zur Errichtung eiues Deuk-
wals des Heimgegaugnen knüpfen. Wir setzen dann sofort einen Meierdenk-
malsnusschuß ein, für dessen Obmannschaft ich meine Person gern zur Ver-


Zwei Dichter

gewissen Josef Meier erinnern, dem er einmal die Abschrift eines Manuskripts
anvertraut, aber wieder entzogen hatte, weil sich ein andrer fand, der die Ar¬
beit um zwei Pfennige billiger für den Bogen leisten wollte. Der Kuust-
mäcen David Friedländer endlich gedachte eines Beamten Josef Meier, der
einst in einer seiner gewaltigen Zinskasernen eine bescheidne Mansardenwoh¬
nung inne gehabt hatte, und den er samt seiner Familie mitten im Winter
auf die Gasse hatte setzen lassen, weil er infolge der Krankheit eines Kindes
mit der Miete im Rückstände geblieben war.

Selbstverständlich that keiner der Herren weder seinen Genossen noch
Psyche gegenüber dieser peinlichen Erinnerungen Erwähnung.

Ein wenig gedrückt und kleinmütig empfahlen sich die Abgeordneten des
großen Blumenstockjnbilänmsfestansschusses von Pshche. Sie versicherten,
daß es ihnen eine Ehre sei, das gnädige Fräulein kennen gelernt zu haben,
und bedauerten nur lebhaft, nicht auch die hehre Muse von Angesicht zu An¬
gesicht gesehn zu haben. Den Zweck ihrer Reise wagten sie nach dem Ver-
nommnen nicht nochmals zu erwähnen. — ,

Die Heimreise näherte sich ihrem Ende. Behaglich saßen die drei Herren
in ihrem „Wagenabteil" erster Klasse und erquickten sich an dem Duft ihrer
Havannah. In wenigen Stunden sollten sie wieder in der guten Stadt Jxingeu,
der Stätte ihres Wirkens und ihrer Erfolge, eintreffen.

Es ist doch schade, bemerkte Professor Zwirnspinner, daß unsre Reise er¬
gebnislos geblieben ist.

Warum ergebnislos ? entgegnete Dr. Windmantel, für unser jetziges Fest —
ja; aber dafür bringen wir ein zweites Fest sozusagen in der Tasche mit.

Ah! riefen die beiden andern und sahen Windmautel gespannt an. Der
aber fuhr überlegen lächelnd fort: Ja, ein andres Fest, sage ich. Übers
Jahr feiern wir die Enthüllung des Josef-Meierdentmals in Jxingen!

Bravo! bravo! rief Professor Zwirnspinner, und ich halte die Festrede!
Zuvor aber gebe ich Meiers Gedichte mit einer biographisch-kritischen Einlei¬
tung aus meiner Feder heraus.

Und ich werde geben das Geld, beeilte sich David Friedländer zu ver¬
sichern, und werde zeichnen für das Denkmal auf der Stelle tausend Mark!

Gemach, meine Herren! mahnte Dr. Windmantel, indem er sich bequem
>n sein Sammetfantenil zurückkehrte, ich bin mit allein einverstanden, aber ver-
t^shell Sie nicht, daß ich der Urheber des Ganzen bin, und daß die Idee des
Meierdenkmals mein geistiges Eigentum ist. Zunächst müssen wir über das
Blnmenstockjnbiläum etwas Gras wachsen lassen. Dann will ich im Tageblatt
einen begeisterten Aufsatz über Josef Meier vom Stapel lassen und daran
einen Aufruf zur Herausgabe seiner Werke und zur Errichtung eiues Deuk-
wals des Heimgegaugnen knüpfen. Wir setzen dann sofort einen Meierdenk-
malsnusschuß ein, für dessen Obmannschaft ich meine Person gern zur Ver-


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[0197] Zwei Dichter gewissen Josef Meier erinnern, dem er einmal die Abschrift eines Manuskripts anvertraut, aber wieder entzogen hatte, weil sich ein andrer fand, der die Ar¬ beit um zwei Pfennige billiger für den Bogen leisten wollte. Der Kuust- mäcen David Friedländer endlich gedachte eines Beamten Josef Meier, der einst in einer seiner gewaltigen Zinskasernen eine bescheidne Mansardenwoh¬ nung inne gehabt hatte, und den er samt seiner Familie mitten im Winter auf die Gasse hatte setzen lassen, weil er infolge der Krankheit eines Kindes mit der Miete im Rückstände geblieben war. Selbstverständlich that keiner der Herren weder seinen Genossen noch Psyche gegenüber dieser peinlichen Erinnerungen Erwähnung. Ein wenig gedrückt und kleinmütig empfahlen sich die Abgeordneten des großen Blumenstockjnbilänmsfestansschusses von Pshche. Sie versicherten, daß es ihnen eine Ehre sei, das gnädige Fräulein kennen gelernt zu haben, und bedauerten nur lebhaft, nicht auch die hehre Muse von Angesicht zu An¬ gesicht gesehn zu haben. Den Zweck ihrer Reise wagten sie nach dem Ver- nommnen nicht nochmals zu erwähnen. — , Die Heimreise näherte sich ihrem Ende. Behaglich saßen die drei Herren in ihrem „Wagenabteil" erster Klasse und erquickten sich an dem Duft ihrer Havannah. In wenigen Stunden sollten sie wieder in der guten Stadt Jxingeu, der Stätte ihres Wirkens und ihrer Erfolge, eintreffen. Es ist doch schade, bemerkte Professor Zwirnspinner, daß unsre Reise er¬ gebnislos geblieben ist. Warum ergebnislos ? entgegnete Dr. Windmantel, für unser jetziges Fest — ja; aber dafür bringen wir ein zweites Fest sozusagen in der Tasche mit. Ah! riefen die beiden andern und sahen Windmautel gespannt an. Der aber fuhr überlegen lächelnd fort: Ja, ein andres Fest, sage ich. Übers Jahr feiern wir die Enthüllung des Josef-Meierdentmals in Jxingen! Bravo! bravo! rief Professor Zwirnspinner, und ich halte die Festrede! Zuvor aber gebe ich Meiers Gedichte mit einer biographisch-kritischen Einlei¬ tung aus meiner Feder heraus. Und ich werde geben das Geld, beeilte sich David Friedländer zu ver¬ sichern, und werde zeichnen für das Denkmal auf der Stelle tausend Mark! Gemach, meine Herren! mahnte Dr. Windmantel, indem er sich bequem >n sein Sammetfantenil zurückkehrte, ich bin mit allein einverstanden, aber ver- t^shell Sie nicht, daß ich der Urheber des Ganzen bin, und daß die Idee des Meierdenkmals mein geistiges Eigentum ist. Zunächst müssen wir über das Blnmenstockjnbiläum etwas Gras wachsen lassen. Dann will ich im Tageblatt einen begeisterten Aufsatz über Josef Meier vom Stapel lassen und daran einen Aufruf zur Herausgabe seiner Werke und zur Errichtung eiues Deuk- wals des Heimgegaugnen knüpfen. Wir setzen dann sofort einen Meierdenk- malsnusschuß ein, für dessen Obmannschaft ich meine Person gern zur Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/197>, abgerufen am 04.11.2024.