Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.Gin vermächtuis Lenaus an die Deutschon Nicht liebt er die Religion, Man vergleiche damit in Lenaus Gedichten die Schlußstrophe des "Cisteron" Was aber vollends am Schluß des "Amerikamüden" steht, genügt, jeden "Das darf Ihr letztes Wort nicht sein! Es ists nicht, antwortete Moorfeld, ich werde den Frauenherzen noch Seine Stimme brach -- ein Blick -- ein Hündcdruck -- er stürmte Auch sonst deuten überall bestimmte Züge auf Nikolaus Nimbsch von In welchem Verhältnis Ferdinand Kürnberger zu Lenen gestanden hat, Was aber das Jnteressanteste ist: die Möglichkeit, Vergleiche anzustellen, Eine Täuschung des Publikums ist bei der bekannten grundgedieguen Arbeitsweise
Kürnbergers, wie sie aus allen seinen Schriften hervorgeht, gänzlich nnsgeschlosse". Gin vermächtuis Lenaus an die Deutschon Nicht liebt er die Religion, Man vergleiche damit in Lenaus Gedichten die Schlußstrophe des „Cisteron" Was aber vollends am Schluß des „Amerikamüden" steht, genügt, jeden „Das darf Ihr letztes Wort nicht sein! Es ists nicht, antwortete Moorfeld, ich werde den Frauenherzen noch Seine Stimme brach — ein Blick — ein Hündcdruck — er stürmte Auch sonst deuten überall bestimmte Züge auf Nikolaus Nimbsch von In welchem Verhältnis Ferdinand Kürnberger zu Lenen gestanden hat, Was aber das Jnteressanteste ist: die Möglichkeit, Vergleiche anzustellen, Eine Täuschung des Publikums ist bei der bekannten grundgedieguen Arbeitsweise
Kürnbergers, wie sie aus allen seinen Schriften hervorgeht, gänzlich nnsgeschlosse». <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0152" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213944"/> <fw type="header" place="top"> Gin vermächtuis Lenaus an die Deutschon</fw><lb/> <quote> Nicht liebt er die Religion,<lb/> Die sittenstarr ein Volk begräbt.</quote><lb/> <p xml:id="ID_469" prev="#ID_468"> Man vergleiche damit in Lenaus Gedichten die Schlußstrophe des „Cisteron"<lb/> (des ersten Gedichts des „Klara Hebert" überschriebnen Cyklus). Auch die<lb/> beiden Gedichte „Hinter dem Walde" und „Erst baute der Mann" im „Ame¬<lb/> rikamüden" mahnen in Stimmung und Stil durchaus an Lenausche Weise.</p><lb/> <p xml:id="ID_470"> Was aber vollends am Schluß des „Amerikamüden" steht, genügt, jeden<lb/> weitern Zweifel zu heben. Die Stelle lautet von da ab, wo sich Moorfeld<lb/> bei der Bennetschen Familie in Newyork verabschiedet, wörtlich folgender¬<lb/> maßen :</p><lb/> <p xml:id="ID_471"> „Das darf Ihr letztes Wort nicht sein!</p><lb/> <p xml:id="ID_472"> Es ists nicht, antwortete Moorfeld, ich werde den Frauenherzen noch<lb/> manches Souvenir schreiben! Verfolgen Sie den Dichternamen Nikolaus —</p><lb/> <p xml:id="ID_473"> Seine Stimme brach — ein Blick — ein Hündcdruck — er stürmte<lb/> hinweg."</p><lb/> <p xml:id="ID_474"> Auch sonst deuten überall bestimmte Züge auf Nikolaus Nimbsch von<lb/> Strelenau; so die Entdeckung des adelichen Namens auf der Visitenkarte, die<lb/> Entdeckung, daß er ein Dichter sei, die Anspielung auf den Wahnsinn des Dich¬<lb/> ters, die Begegnung mit Da Ponte, dem Don Juan-Textdichter in Newyork<lb/> und andres.</p><lb/> <p xml:id="ID_475"> In welchem Verhältnis Ferdinand Kürnberger zu Lenen gestanden hat,<lb/> als er dieses Buch schrieb — die Veröffentlichung geschah erst nach Lenans<lb/> Tode 1855 das ausfindig zu machen, wird Sache der litterarischen For¬<lb/> schung sein. Ob Lenau seinein Freunde Kürnberger die Sachen schriftlich oder<lb/> mündlich überliefert hat und unter welchen Verhältnissen, mit welcher Absicht,<lb/> das wird von den Litteraturfreunden hoffentlich bald aufgeklärt werden. Daß<lb/> es nicht eine bloße Phantasie Kürnbergers*) sein konnte, dafür spricht mit aller<lb/> Entschiedenheit, daß dieser, wie Schembera in der Vorrede angiebt, nie in<lb/> Amerika gewesen ist. Jeder, der, wie der Verfasser dieser Zeilen, jahrelang<lb/> in Amerika gelebt hat, wird die Unmöglichkeit solcher Phantasieschöpfungen<lb/> unter so eigentümlichen Verhältnissen bestätigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_476"> Was aber das Jnteressanteste ist: die Möglichkeit, Vergleiche anzustellen,<lb/> wie sich das Deutschtum 1832 in Amerika zeigte, und wie es sich zwei Menschen¬<lb/> alter später zeigt, ist uns jetzt gegeben, wo das deutsche Chicago und Mil-<lb/> waukee, die geistig gebietende Macht des Westens, uns zur Weltausstellung<lb/> einladet, jetzt, wo der deutschen Völkerströmung Vonseiten der Ä)ankees ein<lb/> energisches „Halt" durch die Mac Kiuleh-Bill und das Auswauderungsverbot<lb/> zugerufen werden soll.</p><lb/> <note xml:id="FID_11" place="foot"> Eine Täuschung des Publikums ist bei der bekannten grundgedieguen Arbeitsweise<lb/> Kürnbergers, wie sie aus allen seinen Schriften hervorgeht, gänzlich nnsgeschlosse».</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0152]
Gin vermächtuis Lenaus an die Deutschon
Nicht liebt er die Religion,
Die sittenstarr ein Volk begräbt.
Man vergleiche damit in Lenaus Gedichten die Schlußstrophe des „Cisteron"
(des ersten Gedichts des „Klara Hebert" überschriebnen Cyklus). Auch die
beiden Gedichte „Hinter dem Walde" und „Erst baute der Mann" im „Ame¬
rikamüden" mahnen in Stimmung und Stil durchaus an Lenausche Weise.
Was aber vollends am Schluß des „Amerikamüden" steht, genügt, jeden
weitern Zweifel zu heben. Die Stelle lautet von da ab, wo sich Moorfeld
bei der Bennetschen Familie in Newyork verabschiedet, wörtlich folgender¬
maßen :
„Das darf Ihr letztes Wort nicht sein!
Es ists nicht, antwortete Moorfeld, ich werde den Frauenherzen noch
manches Souvenir schreiben! Verfolgen Sie den Dichternamen Nikolaus —
Seine Stimme brach — ein Blick — ein Hündcdruck — er stürmte
hinweg."
Auch sonst deuten überall bestimmte Züge auf Nikolaus Nimbsch von
Strelenau; so die Entdeckung des adelichen Namens auf der Visitenkarte, die
Entdeckung, daß er ein Dichter sei, die Anspielung auf den Wahnsinn des Dich¬
ters, die Begegnung mit Da Ponte, dem Don Juan-Textdichter in Newyork
und andres.
In welchem Verhältnis Ferdinand Kürnberger zu Lenen gestanden hat,
als er dieses Buch schrieb — die Veröffentlichung geschah erst nach Lenans
Tode 1855 das ausfindig zu machen, wird Sache der litterarischen For¬
schung sein. Ob Lenau seinein Freunde Kürnberger die Sachen schriftlich oder
mündlich überliefert hat und unter welchen Verhältnissen, mit welcher Absicht,
das wird von den Litteraturfreunden hoffentlich bald aufgeklärt werden. Daß
es nicht eine bloße Phantasie Kürnbergers*) sein konnte, dafür spricht mit aller
Entschiedenheit, daß dieser, wie Schembera in der Vorrede angiebt, nie in
Amerika gewesen ist. Jeder, der, wie der Verfasser dieser Zeilen, jahrelang
in Amerika gelebt hat, wird die Unmöglichkeit solcher Phantasieschöpfungen
unter so eigentümlichen Verhältnissen bestätigen.
Was aber das Jnteressanteste ist: die Möglichkeit, Vergleiche anzustellen,
wie sich das Deutschtum 1832 in Amerika zeigte, und wie es sich zwei Menschen¬
alter später zeigt, ist uns jetzt gegeben, wo das deutsche Chicago und Mil-
waukee, die geistig gebietende Macht des Westens, uns zur Weltausstellung
einladet, jetzt, wo der deutschen Völkerströmung Vonseiten der Ä)ankees ein
energisches „Halt" durch die Mac Kiuleh-Bill und das Auswauderungsverbot
zugerufen werden soll.
Eine Täuschung des Publikums ist bei der bekannten grundgedieguen Arbeitsweise
Kürnbergers, wie sie aus allen seinen Schriften hervorgeht, gänzlich nnsgeschlosse».
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