Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Iveder Aonnnunisinus "och Rcipitalisinus

mögen schaffe". Die zahlreichen vue-Iosur"^ jener Zeit kamen durch Verwand¬
lung von Wald, Weide und Urlaub in Acker der nationalen Produktion zu
gute. Allerdings würde das ebenfalls und ohne Schädigung der Mittel- und
Unterklassen geschehen sein, wenn das Gemeindeland nnter die Bauern verteilt
worden wäre, denen es eigentlich gehörte, und wenn man diese angeleitet
hätte, es rationeller auszunutzen. Mit der Verbesserung der Landwirtschaft
ging rasche Volksvermehrung Hand in Hand. Aber man darf nicht glauben,
daß diese etwa die Ursache des Volkselends gewesen sei. In der Zeit, wo
Elisabeth den neugeschaffueu Pauperismus als vollendete Thatsache wahrnahm,
zählte England nicht mehr Einwohner, als es um 1.W0 gezählt hatte, nämlich
zweiundeinhalb Millionen. Volksvermehrung kann so lange kein Elend erzeugen,
als noch Land urbar zu machen ist, und dessen war in England noch die
Fülle vorhanden. Unter der Königin Anna zählte es fünfundeinhalb Millionen,
aber ein getreideausführendes Land blieb es bis 1765. Die Produktivität
iiberflügelte den Bevölkerungszuwachs, indem einerseits die umfriedeten Ge¬
meindeweiden unter den Pflug genommen, andrerseits neue Verbesserungen des
Ackerbaus und der Viehzucht eingeführt wurden; aber durch die oben aufge¬
zählten Maßregeln der herrschenden Klassen war dafür gesorgt, daß das ar¬
beitende Volk von dem Mitgenuß des wachsenden Reichtums ausgeschlossen blieb.
Ja die steigende Produktivität der Landwirtschaft wurde sogar nach Ablauf
jener Zeit einer vorübergehenden Besserung eine neue Quelle des Unglücks
für das Volk. Sie weckte die Habsucht der Laudlords, die uun die ohnehin
steigende Landrente noch durch künstliche Mittel, durch Einfuhrvcrbvte und
Ausfuhrprämien zu steigern bemüht waren. Es bildete sich der abscheuliche
Grundsatz ans, daß teure Jahre gute Jahre und Hungersnöte ein gutes
Mittel zur Erhöhung des "Nationalreichtums" seien -- ein Grundsatz, der
seit etwa fünfzig Jahren auch bei uns in Deutschland Eingang gefunden hat.
In deu vierziger Jahren, als in Schlesien die Weber verhungerten und die
übrigen Kleinhandwerker nicht satt zu essen hatten, ließ ein Großbauer in
Zirlau bei Freiburg jedem seiner Kinder einen goldnen Löffel machen "zum
Andenken an die goldne Zeit," und die heutige Agraricrpolitik beruht durchaus
auf diesem Grundsatze. Als etwas völlig neues ist er im vorigen Jahrhundert
in die Weltgeschichte eingetreten. Das ganze Altertum und Mittelalter hin¬
durch hat die reichliche Versorgung des Volks mit billigem Brot für die erste
Pflicht der Regierungen und jede künstliche Verteuerung der notwendigsten
Lebensmittel für den Gipfel wucherischer Verruchtheit gegolten. Die Pachter
wurden nun um die Wette erhöht und namen hie und da den Charakter von
mein rout, Folterrenten, an, wie der Engländer die auf der Folter der Ver¬
steigerung an den Meistbietenden erpreßten unnatürlich hohen Renten nennt.
Die Pächter aber (es ist Rogers, der das sagt) waren so dumm, ihre Arbeiter
um die Wette zu schinden und dadurch hohe Renten herauszuschlagen, zu keinem


Iveder Aonnnunisinus »och Rcipitalisinus

mögen schaffe». Die zahlreichen vue-Iosur«^ jener Zeit kamen durch Verwand¬
lung von Wald, Weide und Urlaub in Acker der nationalen Produktion zu
gute. Allerdings würde das ebenfalls und ohne Schädigung der Mittel- und
Unterklassen geschehen sein, wenn das Gemeindeland nnter die Bauern verteilt
worden wäre, denen es eigentlich gehörte, und wenn man diese angeleitet
hätte, es rationeller auszunutzen. Mit der Verbesserung der Landwirtschaft
ging rasche Volksvermehrung Hand in Hand. Aber man darf nicht glauben,
daß diese etwa die Ursache des Volkselends gewesen sei. In der Zeit, wo
Elisabeth den neugeschaffueu Pauperismus als vollendete Thatsache wahrnahm,
zählte England nicht mehr Einwohner, als es um 1.W0 gezählt hatte, nämlich
zweiundeinhalb Millionen. Volksvermehrung kann so lange kein Elend erzeugen,
als noch Land urbar zu machen ist, und dessen war in England noch die
Fülle vorhanden. Unter der Königin Anna zählte es fünfundeinhalb Millionen,
aber ein getreideausführendes Land blieb es bis 1765. Die Produktivität
iiberflügelte den Bevölkerungszuwachs, indem einerseits die umfriedeten Ge¬
meindeweiden unter den Pflug genommen, andrerseits neue Verbesserungen des
Ackerbaus und der Viehzucht eingeführt wurden; aber durch die oben aufge¬
zählten Maßregeln der herrschenden Klassen war dafür gesorgt, daß das ar¬
beitende Volk von dem Mitgenuß des wachsenden Reichtums ausgeschlossen blieb.
Ja die steigende Produktivität der Landwirtschaft wurde sogar nach Ablauf
jener Zeit einer vorübergehenden Besserung eine neue Quelle des Unglücks
für das Volk. Sie weckte die Habsucht der Laudlords, die uun die ohnehin
steigende Landrente noch durch künstliche Mittel, durch Einfuhrvcrbvte und
Ausfuhrprämien zu steigern bemüht waren. Es bildete sich der abscheuliche
Grundsatz ans, daß teure Jahre gute Jahre und Hungersnöte ein gutes
Mittel zur Erhöhung des „Nationalreichtums" seien — ein Grundsatz, der
seit etwa fünfzig Jahren auch bei uns in Deutschland Eingang gefunden hat.
In deu vierziger Jahren, als in Schlesien die Weber verhungerten und die
übrigen Kleinhandwerker nicht satt zu essen hatten, ließ ein Großbauer in
Zirlau bei Freiburg jedem seiner Kinder einen goldnen Löffel machen „zum
Andenken an die goldne Zeit," und die heutige Agraricrpolitik beruht durchaus
auf diesem Grundsatze. Als etwas völlig neues ist er im vorigen Jahrhundert
in die Weltgeschichte eingetreten. Das ganze Altertum und Mittelalter hin¬
durch hat die reichliche Versorgung des Volks mit billigem Brot für die erste
Pflicht der Regierungen und jede künstliche Verteuerung der notwendigsten
Lebensmittel für den Gipfel wucherischer Verruchtheit gegolten. Die Pachter
wurden nun um die Wette erhöht und namen hie und da den Charakter von
mein rout, Folterrenten, an, wie der Engländer die auf der Folter der Ver¬
steigerung an den Meistbietenden erpreßten unnatürlich hohen Renten nennt.
Die Pächter aber (es ist Rogers, der das sagt) waren so dumm, ihre Arbeiter
um die Wette zu schinden und dadurch hohe Renten herauszuschlagen, zu keinem


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0637" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213751"/>
          <fw type="header" place="top"> Iveder Aonnnunisinus »och Rcipitalisinus</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2022" prev="#ID_2021" next="#ID_2023"> mögen schaffe». Die zahlreichen vue-Iosur«^ jener Zeit kamen durch Verwand¬<lb/>
lung von Wald, Weide und Urlaub in Acker der nationalen Produktion zu<lb/>
gute. Allerdings würde das ebenfalls und ohne Schädigung der Mittel- und<lb/>
Unterklassen geschehen sein, wenn das Gemeindeland nnter die Bauern verteilt<lb/>
worden wäre, denen es eigentlich gehörte, und wenn man diese angeleitet<lb/>
hätte, es rationeller auszunutzen. Mit der Verbesserung der Landwirtschaft<lb/>
ging rasche Volksvermehrung Hand in Hand. Aber man darf nicht glauben,<lb/>
daß diese etwa die Ursache des Volkselends gewesen sei. In der Zeit, wo<lb/>
Elisabeth den neugeschaffueu Pauperismus als vollendete Thatsache wahrnahm,<lb/>
zählte England nicht mehr Einwohner, als es um 1.W0 gezählt hatte, nämlich<lb/>
zweiundeinhalb Millionen. Volksvermehrung kann so lange kein Elend erzeugen,<lb/>
als noch Land urbar zu machen ist, und dessen war in England noch die<lb/>
Fülle vorhanden. Unter der Königin Anna zählte es fünfundeinhalb Millionen,<lb/>
aber ein getreideausführendes Land blieb es bis 1765. Die Produktivität<lb/>
iiberflügelte den Bevölkerungszuwachs, indem einerseits die umfriedeten Ge¬<lb/>
meindeweiden unter den Pflug genommen, andrerseits neue Verbesserungen des<lb/>
Ackerbaus und der Viehzucht eingeführt wurden; aber durch die oben aufge¬<lb/>
zählten Maßregeln der herrschenden Klassen war dafür gesorgt, daß das ar¬<lb/>
beitende Volk von dem Mitgenuß des wachsenden Reichtums ausgeschlossen blieb.<lb/>
Ja die steigende Produktivität der Landwirtschaft wurde sogar nach Ablauf<lb/>
jener Zeit einer vorübergehenden Besserung eine neue Quelle des Unglücks<lb/>
für das Volk. Sie weckte die Habsucht der Laudlords, die uun die ohnehin<lb/>
steigende Landrente noch durch künstliche Mittel, durch Einfuhrvcrbvte und<lb/>
Ausfuhrprämien zu steigern bemüht waren. Es bildete sich der abscheuliche<lb/>
Grundsatz ans, daß teure Jahre gute Jahre und Hungersnöte ein gutes<lb/>
Mittel zur Erhöhung des &#x201E;Nationalreichtums" seien &#x2014; ein Grundsatz, der<lb/>
seit etwa fünfzig Jahren auch bei uns in Deutschland Eingang gefunden hat.<lb/>
In deu vierziger Jahren, als in Schlesien die Weber verhungerten und die<lb/>
übrigen Kleinhandwerker nicht satt zu essen hatten, ließ ein Großbauer in<lb/>
Zirlau bei Freiburg jedem seiner Kinder einen goldnen Löffel machen &#x201E;zum<lb/>
Andenken an die goldne Zeit," und die heutige Agraricrpolitik beruht durchaus<lb/>
auf diesem Grundsatze. Als etwas völlig neues ist er im vorigen Jahrhundert<lb/>
in die Weltgeschichte eingetreten. Das ganze Altertum und Mittelalter hin¬<lb/>
durch hat die reichliche Versorgung des Volks mit billigem Brot für die erste<lb/>
Pflicht der Regierungen und jede künstliche Verteuerung der notwendigsten<lb/>
Lebensmittel für den Gipfel wucherischer Verruchtheit gegolten. Die Pachter<lb/>
wurden nun um die Wette erhöht und namen hie und da den Charakter von<lb/>
mein rout, Folterrenten, an, wie der Engländer die auf der Folter der Ver¬<lb/>
steigerung an den Meistbietenden erpreßten unnatürlich hohen Renten nennt.<lb/>
Die Pächter aber (es ist Rogers, der das sagt) waren so dumm, ihre Arbeiter<lb/>
um die Wette zu schinden und dadurch hohe Renten herauszuschlagen, zu keinem</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0637] Iveder Aonnnunisinus »och Rcipitalisinus mögen schaffe». Die zahlreichen vue-Iosur«^ jener Zeit kamen durch Verwand¬ lung von Wald, Weide und Urlaub in Acker der nationalen Produktion zu gute. Allerdings würde das ebenfalls und ohne Schädigung der Mittel- und Unterklassen geschehen sein, wenn das Gemeindeland nnter die Bauern verteilt worden wäre, denen es eigentlich gehörte, und wenn man diese angeleitet hätte, es rationeller auszunutzen. Mit der Verbesserung der Landwirtschaft ging rasche Volksvermehrung Hand in Hand. Aber man darf nicht glauben, daß diese etwa die Ursache des Volkselends gewesen sei. In der Zeit, wo Elisabeth den neugeschaffueu Pauperismus als vollendete Thatsache wahrnahm, zählte England nicht mehr Einwohner, als es um 1.W0 gezählt hatte, nämlich zweiundeinhalb Millionen. Volksvermehrung kann so lange kein Elend erzeugen, als noch Land urbar zu machen ist, und dessen war in England noch die Fülle vorhanden. Unter der Königin Anna zählte es fünfundeinhalb Millionen, aber ein getreideausführendes Land blieb es bis 1765. Die Produktivität iiberflügelte den Bevölkerungszuwachs, indem einerseits die umfriedeten Ge¬ meindeweiden unter den Pflug genommen, andrerseits neue Verbesserungen des Ackerbaus und der Viehzucht eingeführt wurden; aber durch die oben aufge¬ zählten Maßregeln der herrschenden Klassen war dafür gesorgt, daß das ar¬ beitende Volk von dem Mitgenuß des wachsenden Reichtums ausgeschlossen blieb. Ja die steigende Produktivität der Landwirtschaft wurde sogar nach Ablauf jener Zeit einer vorübergehenden Besserung eine neue Quelle des Unglücks für das Volk. Sie weckte die Habsucht der Laudlords, die uun die ohnehin steigende Landrente noch durch künstliche Mittel, durch Einfuhrvcrbvte und Ausfuhrprämien zu steigern bemüht waren. Es bildete sich der abscheuliche Grundsatz ans, daß teure Jahre gute Jahre und Hungersnöte ein gutes Mittel zur Erhöhung des „Nationalreichtums" seien — ein Grundsatz, der seit etwa fünfzig Jahren auch bei uns in Deutschland Eingang gefunden hat. In deu vierziger Jahren, als in Schlesien die Weber verhungerten und die übrigen Kleinhandwerker nicht satt zu essen hatten, ließ ein Großbauer in Zirlau bei Freiburg jedem seiner Kinder einen goldnen Löffel machen „zum Andenken an die goldne Zeit," und die heutige Agraricrpolitik beruht durchaus auf diesem Grundsatze. Als etwas völlig neues ist er im vorigen Jahrhundert in die Weltgeschichte eingetreten. Das ganze Altertum und Mittelalter hin¬ durch hat die reichliche Versorgung des Volks mit billigem Brot für die erste Pflicht der Regierungen und jede künstliche Verteuerung der notwendigsten Lebensmittel für den Gipfel wucherischer Verruchtheit gegolten. Die Pachter wurden nun um die Wette erhöht und namen hie und da den Charakter von mein rout, Folterrenten, an, wie der Engländer die auf der Folter der Ver¬ steigerung an den Meistbietenden erpreßten unnatürlich hohen Renten nennt. Die Pächter aber (es ist Rogers, der das sagt) waren so dumm, ihre Arbeiter um die Wette zu schinden und dadurch hohe Renten herauszuschlagen, zu keinem

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/637
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/637>, abgerufen am 23.07.2024.