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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Iveder Kommunismus noch Kapitalismus

einigung, die sie in den Stand setzt, ihre Ware eine Zeit lang zurückzuhalten,
gerade so wie jeder Geschäftsmann die bessern Chancen abwartet. Diese ihre
Vereinigung kaun, richtig geleitet, nicht anders als zu ihrem und zum allge¬
meinen Besten ausschlagen; erfordert sie doch, wenn sie gelingen soll, die
Übung aller wirtschaftlichen Tugenden: Geduld, Entsagung, Ausdauer, Um¬
sicht, Disziplin, genaue Einsicht in die Verhältnisse des Marktes. Dabei ist
nicht einmal ein Verlust der Unternehmer zu fürchten. Es ist nicht wahr,
daß niedriger Arbeitslohn uuter allen Umständen hohen Geschäftsgewinn be¬
deute und jede Erhöhung des Arbeitslohns den Geschäftsgewiiui notwendig
vcrmiudre; die Anteile des Arbeiters und des Unternehmers können zu gleicher
Zeit beide hoch und beide niedrig sein. Anstatt auf Herabdrückung des Ar¬
beitslohns bedacht zu sein, sollten die Unternehmer lieber daran denken, i"
wie vielen Fällen die Produktion durch unnütze Mittelspersonen ^z- B. die
"Schwitzmeister" ^ verteuert wird. Verüben die Gewerkvereinsmitglieder Ge¬
waltthaten, so sind sie strafbar. Aber indem sie während eines Streiks von
fern hercmgezvgue Konkurrenten am Arbeiten verhindern, thun sie doch nichts
andres, als was die Bvrseumakler thun, wenn sie Winkelmaklern das Hand¬
werk legen, und noch nichts so schlimmes, als was Kaufleute und Fabrikanten
thun, wenn sie einen Ring schließen, um alle Konkurrenten zu ruiniren.
Zwischen den von Sheffielder Schleifern gegen Streikbrecher verübten Gewalt¬
thaten und den Mitteln, mit denen Eisenbahndirektoren in deu Kvmmissious-
zimmern des Unterhauses die Pläne von Konkurrenten zu Falle bringen, be¬
steht schlechterdings kein andrer Unterschied, als daß jene bestraft werden, und
diese nicht, und außerdem, daß jene, ungeübt in den Künsten bösartiger Schlau¬
heit, rohere Mittel anwenden."

Nachdem schon unter der Republik und unter Cromwell, der sich aus die
Bauernschaft stützte, eine kleine vorübergehende Besserung eingetreten war, hob
sich die Lage der Arbeiter in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts
in merklichem Grade. Mehrere Ursachen wirkten zusammen. Die steigenden
Handelsgewinne bereicherten die Kaufleute so gewaltig mit ausländischem Gelde,
daß von diesem Überfluß der obern Klassen einiges doch auch nach unter
durchsickerte; die Industrie zahlte eine Zeit lang höhere Lohne als die Land¬
wirtschaft, und diese machte erstaunliche Fortschritte. Die englischen Pächter
und Landlords wurden mit allen jenen Verbesserungen bekannt, deren Erfinder
und Schöpfer die Niederländer waren, und die Landwirtschaft wurde eine
Sache der Liebhaberei. Wahrscheinlich, "keine Rogers, ergriffen die Laudlords
gern die Gelegenheit, auch einmal etwas nützliches zu thun. Reichtum erwerben
und Reichtum schaffen ist zweierlei; gar oft kommt es vor, daß einer, der
großen Privatbesitz aufhäuft, Volksvermögen nicht schasst, sondern zerstört.
Auch Rentenziehen ist bloßer Vermögenserwerb; aber indem die Landlords
ihre Pächter zu landwirtschaftlichen Verbesserungen anregten, halfen sie Ver-


Iveder Kommunismus noch Kapitalismus

einigung, die sie in den Stand setzt, ihre Ware eine Zeit lang zurückzuhalten,
gerade so wie jeder Geschäftsmann die bessern Chancen abwartet. Diese ihre
Vereinigung kaun, richtig geleitet, nicht anders als zu ihrem und zum allge¬
meinen Besten ausschlagen; erfordert sie doch, wenn sie gelingen soll, die
Übung aller wirtschaftlichen Tugenden: Geduld, Entsagung, Ausdauer, Um¬
sicht, Disziplin, genaue Einsicht in die Verhältnisse des Marktes. Dabei ist
nicht einmal ein Verlust der Unternehmer zu fürchten. Es ist nicht wahr,
daß niedriger Arbeitslohn uuter allen Umständen hohen Geschäftsgewinn be¬
deute und jede Erhöhung des Arbeitslohns den Geschäftsgewiiui notwendig
vcrmiudre; die Anteile des Arbeiters und des Unternehmers können zu gleicher
Zeit beide hoch und beide niedrig sein. Anstatt auf Herabdrückung des Ar¬
beitslohns bedacht zu sein, sollten die Unternehmer lieber daran denken, i»
wie vielen Fällen die Produktion durch unnütze Mittelspersonen ^z- B. die
»Schwitzmeister« ^ verteuert wird. Verüben die Gewerkvereinsmitglieder Ge¬
waltthaten, so sind sie strafbar. Aber indem sie während eines Streiks von
fern hercmgezvgue Konkurrenten am Arbeiten verhindern, thun sie doch nichts
andres, als was die Bvrseumakler thun, wenn sie Winkelmaklern das Hand¬
werk legen, und noch nichts so schlimmes, als was Kaufleute und Fabrikanten
thun, wenn sie einen Ring schließen, um alle Konkurrenten zu ruiniren.
Zwischen den von Sheffielder Schleifern gegen Streikbrecher verübten Gewalt¬
thaten und den Mitteln, mit denen Eisenbahndirektoren in deu Kvmmissious-
zimmern des Unterhauses die Pläne von Konkurrenten zu Falle bringen, be¬
steht schlechterdings kein andrer Unterschied, als daß jene bestraft werden, und
diese nicht, und außerdem, daß jene, ungeübt in den Künsten bösartiger Schlau¬
heit, rohere Mittel anwenden."

Nachdem schon unter der Republik und unter Cromwell, der sich aus die
Bauernschaft stützte, eine kleine vorübergehende Besserung eingetreten war, hob
sich die Lage der Arbeiter in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts
in merklichem Grade. Mehrere Ursachen wirkten zusammen. Die steigenden
Handelsgewinne bereicherten die Kaufleute so gewaltig mit ausländischem Gelde,
daß von diesem Überfluß der obern Klassen einiges doch auch nach unter
durchsickerte; die Industrie zahlte eine Zeit lang höhere Lohne als die Land¬
wirtschaft, und diese machte erstaunliche Fortschritte. Die englischen Pächter
und Landlords wurden mit allen jenen Verbesserungen bekannt, deren Erfinder
und Schöpfer die Niederländer waren, und die Landwirtschaft wurde eine
Sache der Liebhaberei. Wahrscheinlich, »keine Rogers, ergriffen die Laudlords
gern die Gelegenheit, auch einmal etwas nützliches zu thun. Reichtum erwerben
und Reichtum schaffen ist zweierlei; gar oft kommt es vor, daß einer, der
großen Privatbesitz aufhäuft, Volksvermögen nicht schasst, sondern zerstört.
Auch Rentenziehen ist bloßer Vermögenserwerb; aber indem die Landlords
ihre Pächter zu landwirtschaftlichen Verbesserungen anregten, halfen sie Ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/636>, abgerufen am 23.12.2024.