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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Iveder Aomnmnismus noch Rapitalisnnis

Zweiten). "Ich behaupte -- bemerkt Rogers bei dieser Gelegenheit (wir ziehn
seine Strafrede stark zusammen) --, daß in der Zeit von 1563 bis 1824 in
Form von Gesetzen, deren Ausführung in der Hand von Interessenten lag,
eine Verschwörung zusammengebraut worden ist zu dem Zweck, den englischen
Arbeiter um seinen Lohn zu betrügen, ihn jeder Hoffnung zu berauben und ihn
in unheilbare Armut hinabzustoßen. Länger als zwei und ein halbes Jahrhundert
hindurch haben es sich in England die Gesetzgebung und die Verwaltung zur
Aufgabe gemacht, deu Arbeiter auf die tiefste Daseinsstufe hinunterzupeinigen,
jede Regung eines organisirten Widerstands niederzutreten und Strafe auf
Strafe zu häufen, so oft er sich seiner Menschenrechte erinnerte. Unter Ver¬
schwörung verstand das Gesetz ursprünglich die Verabredung eines Verbrechens.
Durch die erwähnten Gesetze aber wurde dieser Begriff auf die Vereinigungen
von Arbeitern ausgedehnt, die sich zu arbeiten weigerten, wenn ihnen uicht
ein bestimmter Lohn bewilligt würde, und am Ende des vorigen Jahrhunderts,
in einem Jahre furchtbarer Teuerung, wo selbst Obrigkeiten die von den
^un'lor Lossivlis festgesetzten Löhne grausam niedrig fanden, wurde dieses
Kvalitivnsverbot durch eine Parlcuneutsakte noch verschärft. Dieses von den
Brotherren und Juristen zur Verhinderung jeder Lohnerhöhung erfundne
"Verbrechen" der "Verschwörung" steht ganz und gar auf einer Stufe mit
der Anklage wegen Hexerei. Daß Gewaltthaten zu keinem auch noch so löb¬
lichen Zwecke gestattet werden dürfen, ist ein ebenso allgemein anerkannter
Rechtsgrundsatz, wie daß der eingebildete oder vorgebliche Versuch, andern durch
Zauber zu schaden, strafbar sei. Aber das gemeine Recht reicht stets hin,
Gewaltthätige und Betrüger unschädlich zu machen. Ein Gewerkverein da¬
gegen, der seinen Zweck, die Lohnerhöhung, ohne Gewaltthaten verfolgt, unter¬
scheidet sich in nichts von Kapitalistenvereinigungen, wie es z. B. Aktiengesell¬
schaften sind. Wenn mehrere Personen ihre Kapitalien, ihre Arbeitskraft und
ihre Erfahrung zu einem kaufmännischen Unternehmen vereinigen und den
höchsten möglichen Gewinn herauszuschlagen verstehn, so heißt mau sie will¬
kommen und spendet ihnen Beifall. Ist der Gewinn sehr groß, dann werden
die Unternehmer als königliche Kaufleute, Pioniere der Industrie, Erzeuger
nationalen Reichtums, Wohlthäter des Landes und Bürgen des Fortschritts
gepriesen. Sieht man aber nach, wie es diese Herrn anfangen, ihren Zweck
zu erreichen, so findet mau: durch nichts andres, als daß sie möglichst billig
einkaufen und möglichst teuer verkaufen. Ganz dasselbe versuchen die Mit¬
glieder eines Gewerkvereins zu thun. Sie haben nur eine Ware: ihre Muskel¬
kraft und ihre technische Fertigkeit. Gleich jedem Geschäftsmann suchen sie
aus dieser Ware so viel als möglich herauszuschlagen, jedenfalls mehr als den
Selbstkostenpreis, d. h. den Lebensunterhalt der lebendigen Maschine. Sie
wissen genau, daß sie ein schlechtes Geschäft machen, wenn sie gezwungen sind,
dem ersten besten Abnehmer zu verkaufen, und deshalb treten sie in eine Ver-


Iveder Aomnmnismus noch Rapitalisnnis

Zweiten). „Ich behaupte — bemerkt Rogers bei dieser Gelegenheit (wir ziehn
seine Strafrede stark zusammen) —, daß in der Zeit von 1563 bis 1824 in
Form von Gesetzen, deren Ausführung in der Hand von Interessenten lag,
eine Verschwörung zusammengebraut worden ist zu dem Zweck, den englischen
Arbeiter um seinen Lohn zu betrügen, ihn jeder Hoffnung zu berauben und ihn
in unheilbare Armut hinabzustoßen. Länger als zwei und ein halbes Jahrhundert
hindurch haben es sich in England die Gesetzgebung und die Verwaltung zur
Aufgabe gemacht, deu Arbeiter auf die tiefste Daseinsstufe hinunterzupeinigen,
jede Regung eines organisirten Widerstands niederzutreten und Strafe auf
Strafe zu häufen, so oft er sich seiner Menschenrechte erinnerte. Unter Ver¬
schwörung verstand das Gesetz ursprünglich die Verabredung eines Verbrechens.
Durch die erwähnten Gesetze aber wurde dieser Begriff auf die Vereinigungen
von Arbeitern ausgedehnt, die sich zu arbeiten weigerten, wenn ihnen uicht
ein bestimmter Lohn bewilligt würde, und am Ende des vorigen Jahrhunderts,
in einem Jahre furchtbarer Teuerung, wo selbst Obrigkeiten die von den
^un'lor Lossivlis festgesetzten Löhne grausam niedrig fanden, wurde dieses
Kvalitivnsverbot durch eine Parlcuneutsakte noch verschärft. Dieses von den
Brotherren und Juristen zur Verhinderung jeder Lohnerhöhung erfundne
»Verbrechen« der »Verschwörung« steht ganz und gar auf einer Stufe mit
der Anklage wegen Hexerei. Daß Gewaltthaten zu keinem auch noch so löb¬
lichen Zwecke gestattet werden dürfen, ist ein ebenso allgemein anerkannter
Rechtsgrundsatz, wie daß der eingebildete oder vorgebliche Versuch, andern durch
Zauber zu schaden, strafbar sei. Aber das gemeine Recht reicht stets hin,
Gewaltthätige und Betrüger unschädlich zu machen. Ein Gewerkverein da¬
gegen, der seinen Zweck, die Lohnerhöhung, ohne Gewaltthaten verfolgt, unter¬
scheidet sich in nichts von Kapitalistenvereinigungen, wie es z. B. Aktiengesell¬
schaften sind. Wenn mehrere Personen ihre Kapitalien, ihre Arbeitskraft und
ihre Erfahrung zu einem kaufmännischen Unternehmen vereinigen und den
höchsten möglichen Gewinn herauszuschlagen verstehn, so heißt mau sie will¬
kommen und spendet ihnen Beifall. Ist der Gewinn sehr groß, dann werden
die Unternehmer als königliche Kaufleute, Pioniere der Industrie, Erzeuger
nationalen Reichtums, Wohlthäter des Landes und Bürgen des Fortschritts
gepriesen. Sieht man aber nach, wie es diese Herrn anfangen, ihren Zweck
zu erreichen, so findet mau: durch nichts andres, als daß sie möglichst billig
einkaufen und möglichst teuer verkaufen. Ganz dasselbe versuchen die Mit¬
glieder eines Gewerkvereins zu thun. Sie haben nur eine Ware: ihre Muskel¬
kraft und ihre technische Fertigkeit. Gleich jedem Geschäftsmann suchen sie
aus dieser Ware so viel als möglich herauszuschlagen, jedenfalls mehr als den
Selbstkostenpreis, d. h. den Lebensunterhalt der lebendigen Maschine. Sie
wissen genau, daß sie ein schlechtes Geschäft machen, wenn sie gezwungen sind,
dem ersten besten Abnehmer zu verkaufen, und deshalb treten sie in eine Ver-


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[0635] Iveder Aomnmnismus noch Rapitalisnnis Zweiten). „Ich behaupte — bemerkt Rogers bei dieser Gelegenheit (wir ziehn seine Strafrede stark zusammen) —, daß in der Zeit von 1563 bis 1824 in Form von Gesetzen, deren Ausführung in der Hand von Interessenten lag, eine Verschwörung zusammengebraut worden ist zu dem Zweck, den englischen Arbeiter um seinen Lohn zu betrügen, ihn jeder Hoffnung zu berauben und ihn in unheilbare Armut hinabzustoßen. Länger als zwei und ein halbes Jahrhundert hindurch haben es sich in England die Gesetzgebung und die Verwaltung zur Aufgabe gemacht, deu Arbeiter auf die tiefste Daseinsstufe hinunterzupeinigen, jede Regung eines organisirten Widerstands niederzutreten und Strafe auf Strafe zu häufen, so oft er sich seiner Menschenrechte erinnerte. Unter Ver¬ schwörung verstand das Gesetz ursprünglich die Verabredung eines Verbrechens. Durch die erwähnten Gesetze aber wurde dieser Begriff auf die Vereinigungen von Arbeitern ausgedehnt, die sich zu arbeiten weigerten, wenn ihnen uicht ein bestimmter Lohn bewilligt würde, und am Ende des vorigen Jahrhunderts, in einem Jahre furchtbarer Teuerung, wo selbst Obrigkeiten die von den ^un'lor Lossivlis festgesetzten Löhne grausam niedrig fanden, wurde dieses Kvalitivnsverbot durch eine Parlcuneutsakte noch verschärft. Dieses von den Brotherren und Juristen zur Verhinderung jeder Lohnerhöhung erfundne »Verbrechen« der »Verschwörung« steht ganz und gar auf einer Stufe mit der Anklage wegen Hexerei. Daß Gewaltthaten zu keinem auch noch so löb¬ lichen Zwecke gestattet werden dürfen, ist ein ebenso allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz, wie daß der eingebildete oder vorgebliche Versuch, andern durch Zauber zu schaden, strafbar sei. Aber das gemeine Recht reicht stets hin, Gewaltthätige und Betrüger unschädlich zu machen. Ein Gewerkverein da¬ gegen, der seinen Zweck, die Lohnerhöhung, ohne Gewaltthaten verfolgt, unter¬ scheidet sich in nichts von Kapitalistenvereinigungen, wie es z. B. Aktiengesell¬ schaften sind. Wenn mehrere Personen ihre Kapitalien, ihre Arbeitskraft und ihre Erfahrung zu einem kaufmännischen Unternehmen vereinigen und den höchsten möglichen Gewinn herauszuschlagen verstehn, so heißt mau sie will¬ kommen und spendet ihnen Beifall. Ist der Gewinn sehr groß, dann werden die Unternehmer als königliche Kaufleute, Pioniere der Industrie, Erzeuger nationalen Reichtums, Wohlthäter des Landes und Bürgen des Fortschritts gepriesen. Sieht man aber nach, wie es diese Herrn anfangen, ihren Zweck zu erreichen, so findet mau: durch nichts andres, als daß sie möglichst billig einkaufen und möglichst teuer verkaufen. Ganz dasselbe versuchen die Mit¬ glieder eines Gewerkvereins zu thun. Sie haben nur eine Ware: ihre Muskel¬ kraft und ihre technische Fertigkeit. Gleich jedem Geschäftsmann suchen sie aus dieser Ware so viel als möglich herauszuschlagen, jedenfalls mehr als den Selbstkostenpreis, d. h. den Lebensunterhalt der lebendigen Maschine. Sie wissen genau, daß sie ein schlechtes Geschäft machen, wenn sie gezwungen sind, dem ersten besten Abnehmer zu verkaufen, und deshalb treten sie in eine Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/635>, abgerufen am 23.12.2024.